Mittwoch, 29. April 2015


Was raus ist, ist raus


Manche Menschen können einfach keine Neuigkeit für sich behalten. Was raus muss, muss raus. Andere wiederum platzen vor Neugierde und können von Klatsch und Tratsch gar nicht genug bekommen. Und wie das Leben so spielt, treffen genau diese immer wieder aufeinander. Nun kann man sich lebhaft vorstellen, was da so alles abgeht. „Hast Du schon gehört, dass...?“ „Nein, unmöglich, erzähl mal und mach es nicht so spannend“, so wird der andere noch animiert. 

Mit hochroten Köpfen werden dann die privatesten und nicht immer schmeichelhaftesten Sachen über andere erzählt. Demjenigen  müssen geradezu die Ohren nur so klingeln. Im Eifer des Gesprächs, besser im Eifer des Gefechts, denn dazu kann es sich schnell entwickel, wird aus vollen Rohren auf die Schwachstellen des anderen gezielt. Da kommt es auch schon einmal zu erheblichen Kollateralschäden bei unbeteiligten Dritten. Die Worte selbst werden zu spitzen und  giftigen Pfeilen. Sie sind verletzend und manchmal können sie sogar tödlich sein. Manche Worte zerstören ein Leben für immer.

Erschöpft, aber hoch zufrieden, lassen sie sich danach, wenn alle Munition verschossen ist, in ihre Sessel zurücksinken. „Das tat mal richtig gut, über alles so offen  reden zu können“, ist ihr gemeinsames Resümee. Dabei kommt ihnen überhaupt nicht in den Sinn, was sie damit einem anderen angetan haben und dass es diesem ganz und gar nicht gut tat. Einer meiner Freunde hatte, wenn er von solcher üblen Nachrede hörte, stets einen treffenden Vergleich parat. Er sagte dann: „Keiner kann die Zahnpasta, die einmal aus der Tube herausgedrückt wurde, auf dem gleichen Weg wieder in die Tube zurück bekommen." Wer das einmal versucht hat, wird es bestätigen. Genauso ist es auch mit dem Reden über andere. Auch die ausgesprochen Worte lassen sich nicht ungeschehen machen und sie wirken weiter, ob es gewollt ist oder nicht.

Deshalb ist es wohl besser, vorher zu prüfen, ob das zu Sagende  überhaupt wahr und zutreffend ist. Selbst wenn wahr ist, wäre noch zu prüfen, ob es für den anderen gut ist, was hier weiter erzählt werden soll. Und letztendlich, ist es überhaupt notwendig, erzählt zu werden? Diese alte, oft vergessene Weisheit wird dem alten Sokrates zugeschrieben. Und diese drei Siebe, wie er sie nennt, sollten stets zur Anwendung kommen.

Mir scheint, dass wir in einer sehr geschwätzigen Zeit leben. Über alles und jeden wird ausgiebig geredet oder in Kommentaren und Foren hergezogen. Da bleibt dann am anderen nicht viel Gutes. Dieses dauerhafte, negative Reden über andere Menschen, vergiftet die Atmosphäre und zerstört echte Gesprächskultur. Diese so entstandene „Unkultur des Negativen“ breitet sich wie eine „Volkskrankheit“ aus und erfasst alle Bereiche der Gesellschaft, angefangen vom privaten Gespräch bis hin zur öffentlichen Diskussion in Politik, Kirche und den Medien. Die Beteiligten reden nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander und haben längst ihre Urteile gefällt. Davor ist keiner gefeit. 

Wir kennen den Spruch: "Wer mit dem Finger auf einen anderen zeigt, auf den zeigen selbst drei Finger seiner eigenen Hand". Das sagt auch immer etwas über den aus, der über andere herzieht und schlecht über sie redet. Außerdem ist nicht nur der gefordert, der ungeprüft etwas zum Besten gibt, sondern auch der, der ihm begierig zuhört. Dieser sollte nämlich wissen, dass der andere bei passender Gelegenheit auch über ihn schlecht reden wird

Alle üble Nachrede, jede Halbwahrheit, jeder geschmacklose Tratsch und Klatsch ist genauso wie die Zahnpasta, ist sie erst einmal raus, dann kann sie nicht wieder in die Tube zurück gedrückt werden. Was raus ist, ist raus!