Samstag, 18. Oktober 2014


Rosen – über das Blühen und Vergehen


„Ein Meer von Millionen Rosenblüten offenbart sich den Besuchern in der mehr als 1000 Jahre alten Berg- und Rosenstadt Sangerhausen im Südharz. Hier hat die größte Rosensammlung der Welt, das Europa-Rosarium Sangerhausen, ihren Platz. Die mehr als 8.500 verschiedenen Rosensorten und Arten bestechen durch Formen-, Farb- und Duftvielfalt jedes Jahr aufs Neue…. Gleichzeitig ist das Europa-Rosarium aber auch ein Ort der Besinnung“, so stand es im Prospekt.

Und tatsächlich hat mich der Besuch, an einem schönen Spätsommertag, im Rosarium nachdenklich gemacht.  Wer im sogenannten Rosenmonat Juni diese Ausstellung in ihrer vollen Blütenpracht erlebt, der spürt vor allem die volle Vitalität der Natur, ihre Farbenpracht, das frische Grün der Pflanzen und den betörenden Duft der Blüten. Es ist wie ein Rausch, in den der Besucher hinein genommen wird. Das Herz und die Seele werden in einem weit und stille Freude durchströmt sie.

Ganz anders im Spätsommer, das Bild ist ein völlig anderes. Über die Rosensträucher und die anderen Büsche ist die Hitze des Sommers hinweg gegangen. Die ersten Blätter haben sich bereits verfärbt, manches ist schon verdorrt. Neben den Rosenblüten, die zwar immer noch ihren Zauber ausüben, finden sich bereit verblühte und verwelkte Blüten, die nicht mehr schön sind. Bei allem Bemühen der Gärtner, diese abzuschneiden, ist das  bei dieser enormen Menge an Rosenbüschen einfach nicht zu schaffen. So findet der Betrachter an einem Strauch gleichzeitig die wundervollen Blüten, daneben aber auch die vertrockneten Blüten und sogar noch einige frische Knospen.

Ein ähnliches Erscheinungsbild gibt es im Leben des Menschen. Aber auch hier können sich viele nur schwer damit abfinden, dass das Leben ein Blühen und Vergehen ist, ein Wachsen und Reifen. Doch es gibt weder in der Flora noch im Leben des Menschen einen "ewigen Frühling", den sich so mancher erträumt.  Und es werden Unsummen für Kosmetik und Schönheitsoperationen für diesen Traum ausgegeben. Genau so, wie es nicht zu schaffen ist, alles Verblühte und Verwelkte bei den Rosen abzuschneiden und den Blicken des Betrachters zu entziehen, so ist es auch nicht möglich den Menschen für immer auf jung zu trimmen, trotz vieler oft unglücklicher Versuche.

Wie zu einem Rosenstrauch der Spross, die Knospe, die volle Blüte und auch das Verwelken gehören, so gehören auch zum Menschen die unterschiedlichen Stufen der jeweiligen Lebensalters mit ihren charakteristischen Merkmalen und Ausprägungen dazu. Ganz ehrlich, wer möchte schon gern stets unter Kleinkindern leben, so ein Kindergarten wäre auf Dauer unerträglich. Das Unfertige und Sprunghafte der pubertierenden Jugend nervt auf die Dauer ebenso. Aber ständig von alten Menschen umgeben zu sein, wäre auch eine echte Herausforderung für uns alle. Es kommt auf die Mischung an. Alles hat seine Zeit. Nichts ist besser oder schlechter, es ist nur anders. Diese Veränderungen im Laufe seines Lebens und die Erkenntnis seiner eigenen Vergänglichkeit wahrzunehmen und anzunehmen, ist gewiss nicht immer leicht, aber notwendig. 

Die Akzeptanz der jeweiligen, eigenen Lebenssituation, die Freude über die geschenkte Jugendlichkeit, der Duft der vollen Blüte mitten im Lebens, aber auch die Dankbarkeit für die Reife und die Weisheit des Alters, die machen unser Leben erst aus, denn das eine gäbe es nicht ohne das andere.



Montag, 6. Oktober 2014


Alte Karten – neue Wege


Das Wetter am Sonntag war sonnig, und wir entschlossen uns kurzfristig, einen Ausflug mit einer Wanderung irgendwo in der Dübener Heide zu machen und den Tag zu genießen. Kurzerhand packte ich eine Landkarrte aus diesem Gebiet ein und los ging es. Unterwegs stellten wir aber fest, dass die Wegführung auf der Karte überhaupt nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Straßen waren ausgebaut, Ortsumgehungen waren geschaffen worden, kleine Orte nicht mehr da, ja die Landschaft hatte sich enorm verändert. Da war direkt an der Straße ein großer See, dort wo auf  der Karte noch kleine Orte und trockenes Land zu sehen waren.

Ein erneuter Blick auf die Karte brachte schnell die Lösung. Ich hatte eine Landkarte aus dem Tourist Verlag der DDR, vierte Auflage von 1984 mitgenommen. Wir waren sehr erstaunt, wie sich doch in dreißig Jahren so vieles verändert hatte. Nun möchte ich nicht das oft zitierte Wort von den „blühenden Landschaften“ strapazieren, aber vieles hat sich eindeutig in der vergangen Zeit  zum Besseren gewandelt. Jeder der die Bitterfelder Gegend kennt, wird das bestätigen.

Meine Erkenntnis war aber eine ganz andere. Ist es nicht in unserem persönlichen Leben, in Kirche und Gesellschaft oft so, dass veraltetet Karten, Pläne und Maßstäbe  benutzt werden? Wen wundert es dann, wenn die Wirklichkeit nicht mehr mit dem alten Plan übereinstimmt? Muss denn nun die neue Straße zurückgebaut werden, der entstandene See wieder ausgetrocknet werden, nur weil beide nicht auf der alten Landkarte eingezeichnet sind? Sinnvoller Weise wird man doch die  Landschaft neu vermessen, kartographieren und dann den Menschen diese neue Karte als Orientierungshilfe an die Hand geben.

Der Sinn und der Zweck so einer Landkarte, einer Richtlinie und Norm aber bleibt doch stets der gleiche. Sie sollen den Menschen helfen, ihr Ziel zu erreichen. Die Wege dahin aber werden in veränderten Lebenssituationen eben auch neue sein müssen. Das heißt doch nicht, dass die alten Karten, nur weil sie alt sind, völlig falsch waren. Sie haben zu ihrer Zeit sicher ganz vielen Menschen geholfen, ihr Ziel zu erreichen. Auch kann sich nicht jeder seine eigene Karte erstellen und diese für absolut erklären. Landkarten müssen allgemein gültig sein und für jeden Menschen gangbare Wege aufzeigen. Trotzdem wird es auch, wie jedes gute Navigationssystem es heute anzeigt, alternative Routen und Sonderwege geben.

Jeder Gesetzgeber und jede Institution hat nicht nur das Recht, sonder auch die Verpflichtung, für ihren Bereich solche Orientierungshilfen zu geben, aber nicht, ohne diese auch von Zeit zu Zeit einer Überprüfung an Hand der sich verändernden Lebenswirklichkeiten zu unterziehen.

Dies ist eine bleibende Herausforderung für jeden, der den Menschen Weisungen und Orientierungen für das Leben geben will. Er muss sich bemühen, die Wirklichkeit möglichst genau mit dem Entwurf in Übereinstimmung zu bringen, ohne dabei die Wahrheit zu verfälschen und das Ziel aus den Augen zu verlieren!