Samstag, 10. Januar 2015


Das ist doch meiner!

„Das ist doch meiner“, sagte ganz aufgeregt das kleine Mädchen. Es hatte ihren rosa Puppenwagen, mit dem sie schon lange nicht mehr spielte, vor ihrer Haustür gesehen. In unserem Viertel ist es üblich, solche Dinge, die nicht mehr selbst genutzt werden,  auf die Straße zur Mitnahme für andere zu stellen. Und es finden sich immer Interessenten.

Ganz empört hörte ich im Vorbeigehen, wie das Mädchen ihren Vater rügte: „Den kannst du doch nicht einfach weggeben!“ „Du spielst doch gar nicht mehr damit“, erwidert der Vater. „Aber das ist doch meiner!“

Wie der Kampf um den Puppenwagen ausgegangen ist, habe ich nicht mehr mit- bekommen, da war ich schon vorbei. Aber es ist schon ein regelrechter, innerer Kampf für viele Menschen, wenn es darum geht, sich von etwa zu trennen. Egal, ob es noch gebraucht wird oder nicht. Da unterscheiden sich Erwachsene nicht unbedingt von den Kindern. „Das ist meins und das bleibt meins, damit basta“.

Und wie viel Kraft und Energie bringen wir Menschen in unserem Leben auf, um materielle Dinge zu erwerben, zu bewahren und zu bewachen. Je mehr ein Mensch aber besitzt, umso größer wird seine Angst, es wieder zu verlieren. Was unser Leben angenehm und glücklich machen soll, bringt oft nur Sorgen und Verdruss. Es ist wie ein Krampf in unseren Händen und unseren Herzen und sie lassen sich nur schwer öffnen, um etwas wegzugeben. „Ham, ham“, sagt schon das Kleinkind und streckt die Ärmchen aus nach dem Objekt seiner Begierde.

Es hat den Anschein, nicht wir besitzen die Dinge, sondern die Dinge ergreifen Besitz von uns. Sie machen uns eher unfrei als froh. Unsere Gedanken sind dann nicht dort, wo wir gerade sind, sondern sie kreisen um das Grundstück und das Haus, das Auto und vielleicht das Boot. Wir machen uns viele Gedanken und geben noch mehr Geld geben, um alles zu sichern und zu versichern, was wir besitzen. Aber was ist schon sicher?

Nicht dass es nun schlecht wäre, etwas zu haben, es zu gebrauchen und uns daran zu erfreuen, aber nicht ohne daran zu denken, dass wir es immer nur für eine bestimmte Zeit und zu einem besonderen Zweck haben und es nicht festhalten können. Oder wie es der Volksmund so treffend sagt, das letzte Hemd hat keine Taschen.