Mittwoch, 9. Dezember 2015

 „Die Geschenkefalle“


„Alle Jahre wieder… aber gewiss nicht im nächsten Jahr“, das hatten sie sich nach  dem letzten Weihnachtsfest, mit all dem Stress, dem Plätzchen backen, der Weihnachtsgans, dem Großputz, mit Weihnachtsbaum und riesigen Bergen  von Geschenken, ganz fest vorgenommen.

Doch, wie sagt man so schön, „der Weg zum Himmel ist mit guten Vorsätzen gepflastert“. Natürlich auch der Weg zu einem stressfreien Weihnachtsfest! Rasch wurde aus dem, „wir schenken uns in diesen Jahr nichts“, schon bald ein, „aber nur Geschenke für die Kinder“. Na klar, die Kinder sind schon längst dem Kindesalter entwachsen. Aber es ist doch Weihnachten!

Spätesten mit der beginnenden Werbung für das große „Fest der Geschenke“ und der weihnachtlichen Dekoration in den Schaufenstern und den Geschäften, bröckeln diese Vorsätze. Und schon sitzen wieder alle in der Geschenkefalle und der jährliche Stress geht wieder los. Als ob es nicht  schon genug Termine und Aufgaben in den letzten Wochen des Jahres gäbe. Klausuren und Tests in der Schule, die unbedingt noch vor den Weihnachtsferien geschrieben  werden müssen. Die Bilanzen und Abschlüsse in den Büros häufen sich und jeder möchte noch bedacht werden, obwohl er seit Wochen die letzten Unterlagen nicht eingereicht hat. Plötzlich muss alles auf einmal gehen. Besinnliche Adventszeit? Nein, ganz und gar nicht. Das würde wohl anders aussehen.

Und nun doch wieder diese Jagd nach den sogenannten Weihnachtsgeschenken, ohne die es nun mal nicht zu gehen scheint. Sollen sie doch schließlich Ausdruck der Verbundenheit und Zeichen der Liebe zwischen den Menschen sein. Schauen wir uns aber in dieser Welt um,  dann ist  da nicht viel von Solidarität unter den Menschen zu spüren und vom Frieden ist diese Welt meilenweit entfernt. Wenn das schon nicht überall auf  der Welt möglich ist, dann doch wenigsten in der kleinen, heilen Welt der Familie. Und Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft.

Was natürlich eine Küchenwaage für Oma, eine Flasche Portwein für Opa oder ein Fleischklopfer aus Edelstahl für Tante Rita mit der Liebe der Menschen zu tun  hat, bleibt wohl allen ein Rätsel? Aber bitte, immer schön den Kassenzettel aufheben, denn nach  dem Fest des "Warenaustauschs" folgen dann die Tage des "Warenumtauschs"! 

Da müsste sich doch eigentlich jeder normale Mensch fragen, warum tun wir uns das schon wieder an? Vielleicht ist es ja für einige noch nicht zu spät und die Geschenkefalle ist noch nicht zugeschnappt. Dann schenken Sie sich doch einfach die Geschenke und schenken sich dafür  etwas mehr Zeit und Ruhe, anderen Menschen ein gutes Wort, ein Lächeln und damit unendlich viel mehr Freude.


Samstag, 5. Dezember 2015


Wir haben uns daran gewöhnt,

dass unsere Kühlschränke gut gefüllt sind und wir im Supermarkt zwischen zig verschiedenen Sorten unseren Joghurt auswählen können. Wir haben uns daran gewöhnt, dass es spätestens ab September Schokoladenweihnachtsmänner und Christstollen gibt, und dass wir frische Erdbeeren im Dezember bekommen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass auf den Weihnachts-märkten und in den Kaufhäusern, den modernen Einkaufstempeln, die Besucher mit alten christlichen Liedern berieselt werden, obwohl immer  weniger Menschen in die Kirchen gehen und noch weniger  an die Weihnachtbotschaft glauben. 

Wir haben uns an so vieles gewöhnt, was uns nützlich, bequem und gut erscheint. Und an das Gute kann man sich ja ganz schnell gewöhnen.

An anderes haben wir uns auch gewöhnt oder besser gesagt, mussten wir uns gewöhnen. Daran, dass es in Deutschland keine Vollbeschäftigung mehr geben wird, dass die Sparer um ihre Zinsen betrogen werden und die Versicherungen zugesagte Zugewinne bei ihren Versicherten nicht mehr einhalten  müssen, sodass jeder von Glück reden kann, wenn er wenigstens das heraus bekommt, was er in langen Jahren eingezahlt hat. Wir haben uns daran gewöhnt.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass uns in Film und Fernsehen häufig eine Scheinwelt vorgegaukelt wird. Dass uns sozusagen Verhaltensmuster suggeriert werden, wie man heute denkt, redet und handelt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass uns gezeigt wird, dass fast kein Tatortkommissar oder ein anderer Protagonist im Fernsehen verheiratet ist und eine Familie hat. Stattdessen landet er oder sie ganz selbstverständlich nach einer flüchtigen Begegnung sofort im Bett des anderen. Dass zwei Männer sich küssen, nach des Tages Last erst einmal ein Joint rein gezogen wird und natürlich immer ein Drink bereit steht, ist einfach omnipräsent. Woran andere Menschen vielleicht Anstoß nehmen, daran haben wir uns schon lange gewöhnt ohne es noch selbst zu merken, was da mit  uns gemacht wird. 

Wir sind müde und träge geworden und haben uns an solche Dinge gewöhnt und sie einfach hingenommen, auch die, die nicht in Ordnung sind. So sind die Bilder von Krieg  und Terror schon seit Jahren, fast Tag für Tag auf unseren Bildschirmen zu sehen gewesen, die Bilder von hungernden Menschen, von Ausgebeuteten und von Krankheit Gezeichneten. Bis jetzt war das alles so weit weg. Nun aber werden die Bilder Wirklichkeit. Es kommen die Flüchtlingsströme zu uns nach Europa und nach Deutschland, da werden unsere bisherigen Gewohnheiten in Frage gestellt. Wir hatten uns doch so sehr daran gewöhnt, dass es ein natürliches Gefälle zwischen Ost und West und besonders zwischen der ersten und der dritten Welt gibt. Wir merken immer mehr, dass wir alle in einer Welt leben und eben nichts mehr sicher ist, an  das wir uns so sehr gewöhnt hatten.

Wir hatten naiver Weise geglaubt, dass Freiheit zum Nulltarif zu haben ist und uns daran gewöhnt, dass andere dafür kämpfen. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass unser Wohlstand sicher ist, und wir vor Weihnachten mit einer kleinen Spende gegen Spendenbescheinigung davon kommen. 

Wir hatten uns an vieles gewöhnt. Und es ist ja auch nicht verkehrt, wenn wir gewisse Gewohnheiten entwickelt haben. Gewohnheiten erleichtern das Leben des einzelnen und ganzer Gruppen. Nicht jeder Handgriff, nicht jede Handlung muss jedes Mal neu überlegt werden, das entlastet unseren Alltag. Gewohnheiten können aber auch den Blick für das Neue und die Anderen verstellen, sie können gleichsam wie eingefahrene Geleise wirken, die nur in eine Richtung  führen.

„Der Mensch kann sich an vieles gewöhnen“, heißt es manchmal sehr salopp. An Gutes und gleichermaßen an Böses. Doch der Mensch muss es nicht, und er darf es nicht. Trotzdem wird die sogenannte „Macht der Gewohnheit“ als Entschuldigung herangezogen für unser angepasstes Verhalten, welches uns fast zur zweiten Natur geworden ist, sodass es uns  so unendlich schwer fällt, es wirklich zu verändern.