Dienstag, 27. März 2018



Gedanken beim Fenster putzen…

Nach den langen, nasskalten Tagen scheint endlich die Sonne. Sie steht im März noch ziemlich tief und trifft dabei genau unsere Fensterscheiben. Oh Schreck, jetzt sieht man erst richtig, wie schmutzig diese über die Winterwochen geworden sind. Der Staub der Straße, gemischt mit der Luftfeuchtigkeit, hat seine grauen Schlieren und blinde Stellen auf den Scheiben hinterlassen. Dazu der Ruß aus den immer beliebter werdenden Kaminöfen. Manchmal riecht es inzwischen im Viertel schon wieder wie zu DDR-Zeiten, als fast alle Haushalte noch mit Kohle heizen mussten.

Da heißt es jetzt, Ärmel hochkrempeln und dem Schmutz mit Wasser, Lappen und Kärcher zuleibe rücken. Schon nach kurzer Zeit blinken die ersten Scheiben wieder wie neu. Die Zimmer wirken gleich viel heller und freundlicher.

Wie einfach es doch ist, denke ich mir, den äußerlichen Schmutz zu beseitigen. Man muss es nur wollen. Am Willen aber, etwas zu verändern, scheint es im Großen wie im Kleinen sehr häufig zu fehlen. Man ist sich zwar einig, die Umweltverschmutzung und die dadurch hervorgerufenen Belastungen für Mensch und Natur muss verringert werden, aber über das Wie und Wann entbrennt immer wieder Streit. Die einen schieben es auf die anderen und nichts ändert sich.

Der Blick auf andere Menschen und ihre Meinungen wird immer enger, eingeschränkter und abschätziger. Die eigene Meinung und nur die, ist stets richtig. Da ist plötzlich jeder ein selbsternannter Experte und das auf allen Gebieten. Kritik wird zur Einbahnstraße und gilt nur für andere. Der Umgangston wird  dabei ganz schnell unflätig, beleidigend und häufig tief verletzend. 

Mir scheint, wir haben da ein riesiges  Problem in unserer Gesellschaft, denn wir haben nicht nur eine erhebliche Umweltverschmutzung, sondern das viel größere Problem ist die zunehmende „Innenweltverschmutzung“. Denn aus dem Inneren der Menschen, wie sie denken, reden und urteilen, sprich verurteilen, daher kommt so unendlich viel Schmutz und Gift in das Leben. Und dieser Unflat  wird ungeniert und bösartig über Andersdenkende  ausgekippt. Diesen rüden Angriffen kann sich kaum einer entziehen. Es ist ja auch so leicht, seine Giftpfeile aus dem Hinterhalt vernichtend auf einen anderen abzuschießen. In Wort und Bild werden immer öfter andere Menschen diffamiert. Die Verrohung der Sprache schreitet dabei rasant voran. Die Fäkalsprache ist inzwischen fast salonfähig geworden. Das Unglück Betroffener wird schadenfroh beklatscht und die Retter beschimpft und behindert. Der Schmutz kommt also zuerst von innen, weil die Wertschätzung der Menschen in ihrem Anderssein fehlt. 

Dazu kommen Halbwahrheiten und plumpe Lügen, die als „fakes news“ rasant über die Medien verbreitet werden. Wie eine Schmutzflut breiten sie sich aus und zerstören dabei die Existenz anderen Menschen. Wer heute noch bejubelt wird, der wird morgen schon in aller Öffentlichkeit zerrissen. 

Das Erschreckende für mich ist daran, dass scheinbar kaum jemand sich Gedanken macht, gegen diese innere Verrohung etwas Positives zu setzen. Scheinbar ist da ein gutes Geschäft mit negativen Schlagzeilen zu machen. Wie soll eine Gesellschaft aber die großen Fragen und Probleme der Welt und der Menschheit in den Griff bekommen, wenn die blinden Flecken und die Verschmutzungen im Inneren der Menschen nicht mehr erkannt werden und so immer mehr den Blick auf das Gute verhindern? Eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, die inzwischen vehement beklagt wird, ist doch wohl die Folge einer solchen „Innenweltverschmutzung“. 

Mir hat der Schein der Märzsonne die blinden Flecken auf den Fensterscheiben und die Verschmutzung deutlich sichtbar gemacht. Nach kurzer Zeit waren die Fenster wieder sauber und alles erschien in einem neuen Licht. 

Doch meine Fragen bleiben. Und ich denke, wenn es doch bei den Menschen auch so einfach wäre?  Aber eine schlüssige Antwort habe ich  noch nicht gefunden. Ich muss sicher noch öfter Fenster putzen und dabei darüber nachdenken.