Dienstag, 11. April 2017


Der Schatten  

Im Hochsommer und bei großer Hitze ein gesuchter Ort, der Schatten. Die Menschen wählen dann gern ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen. „Komm in den Schatten, mach einfach mal Pause!“ Im Schatten eines Baumes lässt sich die Gluthitze des Tages sehr viel leichter ertragen. Auch parkt vernünftigerweise  kein Mensch im Sommer freiwillig sein Auto in der prallen Sonne. Und Jeder, der bei 35° C einen Weg in der Stadt zu Fuß zurückzulegen hat, der benutzt wohlweislich die Schattenseite der Straße.

 Beim Wort „Schattenseite“ steigen sofort negative Gefühle in uns auf. Mit dem Wort Schattenseite verbinden wir nämlich die dunklen und hässlichen Seiten des Lebens. Schnell fallen uns solche Situationen ein und auch die Betroffenen, die ihr Leben auf dieser „Schattenseite“ fristen müssen. Sie gehören zu den benachteiligten und oft vergessenen Menschen. Es sind die Verlierer in der Gesellschaft. Sie und ihre Sorgen werden nicht mehr wahrgenommen. Ihr Leben ist ganz und gar nicht sonnig und schön. Ihr Alltag ist überschattet von Armut, Hunger und Gewalt jeglicher Art. Der dunkle Schatten der Angst vor Terror und Krieg liegt schicksalhaft Tag für Tag auf ihnen. Die Gleichgültigkeit der Mitmenschen überschattet sie wie eine dunkle Wolke und verbirgt ihre Not. So werden sie immer unbedeutender und letztlich völlig unsichtbar. Das Leben geht an ihnen einfach vorüber.

Diese Schattenseite sucht sich gewiss keiner freiwillig aus. Vielmehr möchten auch diese Menschen aus ihrem Schattendasein heraustreten, den Schatten loswerden, sich von ihm befreien. Sie hoffen immer darauf, einmal auf der Sonnenseite des Lebens ihr Glück zu finden. Dafür nehmen aktuell Millionen von Menschen die größten Gefahren für Leib und Leben in Kauf. Uns werden in drastischen Bildern diese Szenen täglich vor Augen geführt. Bombardierte Städte und Dörfer, weinende Kinder und schreiende Frauen, gekenterte Boote auf dem Mittelmeer, überfüllt mit Menschen aus Afrika und den unzähligen Krisengebieten unserer Tage. Die Verheißung und der Traum, einmal auf der Sonnenseite in Europa zu landen, lassen sie sich ihre ganzes Geld und all ihre Habe kosten. Kinder und Jugendliche werden deshalb  von den Familien allein auf einen ungewissen und gefährlichen Weg geschickt. Sie werden ausgenutzt und verraten von skrupellosen Schleppern, die ihnen zuvor etwas von diesem angeblichen Schlaraffenland Europa vorgegaukelt haben. Tausende haben dabei nur den Tod gefunden. Das Geschäft mit der Not anderer Menschen ist immer noch sehr einträglich. Doch es ist nur ein einseitiges und gutes Geschäft für die Schlepper und andere Nutznießer. Sie versprechen, was sie nicht halten können und wecken immer neue Illusionen bei so vielen Menschen. An einer hellen und friedlichen Zukunft in den Herkunftsländern scheint ihnen nichts, aber auch rein gar nichts zu liegen.

Und diejenigen, die es am Ende nach Europa schaffen, spüren sehr schnell, dass ihnen alles so fremd ist und ganz anders als erwartet. Schon sehr bald legen sich neue, dunkle Schatten bedrückend auf sie. Jetzt sehen sie mit eigenen Augen, dass es zwar Licht, aber auch viel Schatten in Europa gibt. Alles hat auch hier seinen Preis und längst nicht alle Bewohner der europäischen Länder heißen die Flüchtlinge und die Fremden willkommen. Resigniert und enttäuscht finden sie sich dann allein in einer völlig anderen Kultur und Sprache wieder. Fremd, heimatlos, überfordert und ohne den Schutz und die Wärme der eigenen Familie spüren sie umso deutlicher ihre Verlassenheit und die Kälte Europas. Und das nicht nur im Winter, wenn die Sonne tief steht und ihre langen Schatten wirft.

Aber auch weltweit sind die Schatten länger, dunkler und bedrohlicher geworden. Viele Menschen verspüren zunehmend immer mehr Ängste. Ob im persönlichen Leben, im Beruf und der Familie oder in der Gesellschaft. Sie haben das Gefühl, im eigenen Land nicht mehr sicher zu sein. Terroristische Akten und Gewalttaten nehmen auch in unserem Land zu. Ihre Auswirkungen werden noch durch die ständige Präsenz in den Medien erheblich verstärkt. Da helfen auch nicht die Beteuerungen der kriminologischen Statistiken, die besagen,dass die Zahl der Gewaltdelikte in Deutschland rückläufig sei. Unsicherheit und Zweifel bleiben und wuchern weiter. Wo aber das Vertrauen schwindet, da legt sich Angst wie ein dunkler Schatten auf die Seele der Menschen. Das macht sie krank.

Unberechenbare Politiker in verschiedenen Ländern versuchen sich auf gefährlichste Weise durch ihr Machtgehabe in Wort und Tat hervor zu tun. Sie werfen dunkle Schatten auf ihre eigenen Völker und begünstigen ein Klima von Angst und Misstrauen. Zwischen den Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen wird Hass und Feindschaft geschürt. Diese unheimlichen und fremden Schatten reichen bis hinein in unser Land und wirken mehr als verstörend.

„Amerika first - das eigene Land zuerst“, dieses Wort grenzt andere Völker aus. Solche nationalen Egoismen zerstören das gute Verhältnis zwischen der „Alten und der Neuen Welt“. Ebenso wird in Europa durch den Brexit die mühsam gewachsene Union aufgekündigt und schwer beschädigt, gerade in Zeiten, wo die Geschlossenheit der Europäischen Union besonders gefordert ist. Populisten haben hier ein leichtes Spiel, denn sie versprechen den Menschen etwas, was sie selbst nicht erfüllen können und dafür keinerlei Verantwortung übernehmen. Damit stellen sie sich dermaßen ins Rampenlicht, sodass ihre verhängnisvollen Schatten übermäßig groß und mächtig erscheinen. Diese überdecken die Realität und verdunkeln die Zukunft der Völker.

„Schatten“ ist hier bereits mehrfach als Metapher gebraucht worden. Eingangs habe ich auf seine einladende und wohltuende Seite verwiesen. Dabei bietet er einen willkommenen Platz zum Ausruhen in der Hitze des Sommers. Dort finden Menschen einen Ort des Friedens und der Entspannung. Der „Schatten“ steht aber besonders bedrückend für die Negativerfahrungen der Menschen, für all das Dunkle und Bedrohliche, wie auch schon im Text an Beispielen aufgezeigt wurde.

Wie aber ist mit dieser dunklen Seite umzugehen? Wir starren doch häufig wie gebannt gerade auf die düsteren Ereignisse im eigenen Leben und in der Welt. Diese Bad-News verdunkeln unsere Sicht und rauben uns sogar die Lebensfreude. Es ist deshalb schwer, eine allgemein gültige Antwort zu geben. Für mich ist ein afrikanisches Sprichwort sehr hilfreich geworden.  Es sagt: „Schau in die Sonne, dann fällt dein Schatten hinter dich“. 

Dieses Wort ist wie ein Haltegriff im Leben, es hilft einem, sich nicht ständig herunter ziehen zu lassen und nur noch dunkle Schatten zu sehen und sich zu ängstigen. Schau in die Sonne, auf das österliche Licht und lass deinen Schatten hinter dir. Sieh nicht zuerst das Dunkel, sondern schau auf all das Schöne und Helle im Leben. Die Sonne scheint doch für alle, und je höher sie steigt, umso kürzer werden die Schatten.



Sonntag, 2. April 2017



 Wer ist glücklicher?

In den letzten Tagen, genau gesagt, am 20. März, dem internationalen Welt-Glückstag, ist der „Welt-Glücks-Bericht 2017“ ver-öffentlicht worden. Um zu einem solchen Ergebnis zu kommen, werden seit 2012 jährlich jeweils über 3000 Menschen in 155 Ländern zu bestimmten Bereichen ihres Lebens befragt. Dabei geht es um ihr Einkommen und das Auskommen damit, ebenso werden die Arbeitsbedingungen beleuchtet, auf die Gesundheit und die Gesundheitsversorgung wird geschaut, wie viel Freiheiten der einzelne in dem jeweiligen Land hat, spielt ebenso eine große Rolle, natürlich wird sehr genau die politische Situation beobachtet und viele andere Bereiche des täglichen Lebens betrachtet und hinterfragt. Durch die Analyse der unterschiedlichsten Antworten der Befragten und durch die Bündelung dieser Aussagen zur weiteren Errechnung von vergleichbaren Durch-schnittsergebnissen, kommen die Sozialwissenschaftler am Ende zu einem sogenannten repräsentativen Ergebnis.

In diesem Jahr überraschten uns die Wissenschaftler mit ihrem Ranking in der UN-Studie, oder auch nicht, dass Norwegen das glücklichste Land der Welt sei. Platz 1 für Norwegen. Tolles Ergebnis, tolle Menschen! Aber wo steht eigentlich Deutschland auf dieser Rangliste? Kaum war das bekannt, da gab es auch gleich wieder Kritik: „Deutschland, nur auf Platz 16?“  Kann das denn sein?

Mag man von dieser Glücks-Forschung halten, was man will, was aber heißt denn da „nur Platz 16“? Mit dieser missmutigen Haltung ist es dann doch mehr als verwunderlich, dass die Deutschen immer noch unter den ersten zwanzig Ländern rangieren. Immerhin waren doch 155 Länder bei dieser Studie weltweit im Fokus der Wissenschaftler. Also liegen weit über hundert andere Länder auf den Plätzen hinter Deutschland. Wie unglücklich müssen denn diese Menschen erst sein?

Vielleicht sind die Menschen in anderen Ländern aber auch viel glücklicher und vor allem zufriedener, als die Forscher meinen? Gibt es wirklich glückliche und weniger glückliche Länder? Oder sind es nicht vielmehr immer die Menschen, die an verschiedenen Orten und zu bestimmten Zeiten leben, die einmal mehr oder weniger glücklich sind? 

Für mich wird dabei noch einmal ganz deutlich, dass sich das Glück der Menschen nicht allein an den materiellen und politischen Verhältnissen bemessen lässt. Sagt doch schon der Volksmund: „Geld macht nicht glücklich!“ „Aber es beruhigt“, fügt sofort der Schelm hinzu. Doch stimmt das? Ist es nicht eher so, dass die Angst wächst, das Geld schnell wieder zu verlieren? Jeder Besitz muss besonders gesichert und verwahrt werden. Das bereitet natürlich Sorgen und schafft so manch schlaflose Nacht. Nicht alles, was jemand hat, kann er heute noch  offen zeigen und sich damit schmücken, denn der Neid hat stark zugenommen und so eine regelrechte Neid-Debatte ausgelöst. Darin erhitzen sich zunehmend die Gemüter der Zeitgenossen.

Das Glück kann man nicht kaufen und es auch nicht selber machen. Es wird einem geschenkt, oder auch nicht. Wer es aber erlebt, der kann es oft selbst nicht fassen und schon gar nicht mit Worten beschreiben. Es ist einfach da, unbeschreiblich schön. Oft sind es zwar nur kurze Glücksmomente, kurze Augenblicke, die schnell wieder vergehen, aber sie sind dennoch ganz und gar real. Wie kann also jemand von außen dieses Glück eigentlich messen und bewerten? Keine Rangliste eines sogenannten „Glücks-Reports“ kann darüber wirklich etwas Substantielles aussagen. Glück ist und bleibt ein sehr persönliches Gefühl und ein sehr flüchtiger Zustand im Leben des Menschen.

Das Glück ist oft schillernd, zart und zerbrechlich wie eine Seifenblase. Auch sie kann ich nicht festhalten. Ich würde sie sogleich zerstören. Solange sie durch die Luft schwebt, kann ich mich aber an ihrer Schönheit erfreuen. Worüber Menschen glücklich sind, das ist so unterschiedlich, wie jeder Mensch einzigartig ist. Da freut sich der eine und ist glücklich, weil er im Spiel gewonnen hat. Ein anderer dagegen freut sich, wenn sein Nachbar, den er so gar nicht leiden kann, das Spiel verliert und unglücklich ist. Was ist nun eigentlich Glück? Woran ist es erkennbar? Was braucht der Mensch zu seinem Glück?

Für jeden Menschen hat das Glück ein anderes Gesicht. Mal ist es das Gesicht eines lieben Menschen, der mich anschaut, der mich liebt und mir nah ist. Mal ist es der Freund, dem ich wichtig bin, der mich so annimmt, wie ich bin. Jemand der einfach da ist, wenn er gebraucht wird. Diese Momente der Nähe erfahre ich dann als beglückend und befreiend. Es ist wohl diese Übereinstimmung mit anderen Menschen, mit der Natur und letztlich auch mit mir selbst, die das Glück in unserem Inneren wachsen lässt. Es muss also sehr vieles im Leben zusammenspielen und harmonieren, damit ein Mensch das Glück, sein Glück, als solches selbst verspürt. Oft nur für einen Moment, aber dann kommt es aus der tiefsten Tiefe seines Seins. Dann ist es einfach da und der Mensch ist "im Glück". Solches Glück ist immer das unerwartete Geschenk eines Anderen!

Dieses Glück lässt sich doch nicht messen und in einem Ranking  statistisch erfassen. Schon gar nicht kann es mit dem Glück anderer Menschen verglichen werden. Das wäre immer ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, ein Vergleich zwischen zwei Ungleichen. Zudem machen Vergleiche erfahrungsgemäß die Menschen eher unzufrieden und nicht glücklich. Deshalb kann auch kein Wissenschaftler auf der ganzen Welt wirklich sagen, welches Land und welche Menschen am glücklichsten sind. Es stimmt zwar, nicht alle Menschen auf der Welt haben immer und überall die gleiche Situation in ihrem Leben, aber sind die einen deshalb auch gleich glücklicher und andere unglücklicher? Genau das bezweifle ich sehr stark.

Ist es deshalb nicht müssig, dem vermeintlichen Glück hinterherzujagen, auf das große Glück zu warten und dabei die geschenkten Glücksmomente zu verpassen?