„Dann bin ich ganz glücklich…“
Freitagabend. Kurz noch in
den Back-Shop. Schnell ein leckeres Cranberry-Walnuss-Brot erstanden und ein
paar Brötchen. Beim Einpacken höre ich hinter mir die Bestellung einer älteren
Dame: „Kann ich bitte auch ein halbes Cranberry-Walnuss-Brot bekommen?“
„Selbstverständlich, gern“, antwortet der Verkäufer freundlich. „Wenn Sie mir
dann noch drei Scheiben davon abschneiden könnten, dann bin ich ganz glücklich“
meinte die Kundin noch. Als ich mich nach
ihr umschaute, sah ich in ihr glücklich lächelndes Gesicht. Das tat richtig
gut.
Wie wenig doch zum glücklich
sein genügt? Daran musste ich dann beim Abendessen wieder denken. Ein knackiger
Salat und dazu eine Scheibe von dem köstlichen Cranberry-Walnuss-Brot mit
Butter. Ein wahrer Genuss. „Es muss nicht immer Kaviar sein“, wie schon Mario
Simmel vor vielen Jahren einen seiner Romane betitelte. Damit hatte er doch wirklich
recht.
Wie kommt es bloß, dass gerade
in diesen Tagen und Wochen der Vorweihnachtszeit die Menschen meinen, sie
müssten immer größere und teurere Geschenke zum Weihnachtsfest kaufen? Dabei werden
doch nur die Geldbörsen und Bankkonten über alle Maße strapaziert. „Ach, es ist
doch nur einmal Weihnachten im Jahr“, heißt es dann ganz schnell. Damit
beruhigt sich jeder wieder selbst. Je höher der Einsatz, je größer der Gewinn.
In diesen Wochen kramt so mancher
in seiner Erinnerung nach oder er hat es sich sogar notiert, was er im letzten
Jahr den anderen geschenkt hat und besonders, was er im Gegenzug bekommen hat. Es darf ja auf
keinen Fall jemand vergessen werden oder nur ein unscheinbares Präsent
bekommen. Ein gutes und spannendes Buch, das einem selbst gefallen hat und das
dem anderen sicher auch Freude machen würde, reicht da schon längst nicht mehr
aus. Neueste Elektronik, teure Designerklamotten, exquisite Delikatessen, alles
vom Feinsten, die Messlatte wird von Jahr zu Jahr höher gelegt. Man will sich
ja nicht lumpen lassen und vor allem keinem etwas schuldig bleiben. Das große Geschenke-Spiel: "Das schenk ich Dir - was schenkst Du mir?" läuft wieder auf Hochtouren. "Alle Jahre wieder...."
Ob sich dann am Weihnachtsfest tatsächlich
jeder über all die sündhaft teuren Geschenke auf dem Gabentisch freuen wird, das bleibt letztendlich abzuwarten. Können denn diese Geschenke,
hinter denen solche und ähnliche Überlegungen stehen, die anderen wirklich glücklicher machen? Potenziert sich etwa das Glück automatisch mit dem Preis oder der Menge und
Größe der Geschenke? Diesem Trugschluss erliegen immer noch viele Menschen und
meinen ernsthaft, wenn sie dieses oder jenes endlich hätten oder bekämen, dann wären sie
glücklich.
Genau das stimmt aber eben
nicht, denn Glück hat nichts mit Besitz zu tun. Jemand hat einmal gesagt:
„Reich ist der Mensch, der arm an Wünschen ist.“ Wer also wunschlos ist, ist
glücklich. Wer es schafft, sich dem ständigen Streben nach immer mehr und
größeren materiellen Dingen bewusst zu entziehen, der wird nicht unglücklich,
sondern der wird die kleinen Dinge im Leben als wahre Geschenke schätzen und
sich freier und glücklicher fühlen. Sein Sinnen und Trachten ist nicht mehr so
sehr vom ständigen "Habenwollen" bestimmt. Das ist genau so, als ob eine Last von seinen
Schultern genommen würde. Warum sollten wir einander nicht diese Freiheit schenken?
Die Kundin im Back-Shop sah
nicht gerade danach aus, als ob sie alle materiellen Reichtümer dieser Welt besitzen
würde. Doch sie strahlte eine Ruhe und Zufriedenheit aus, und genau das, war
ihr Reichtum. Nun brauchte sie nur noch ein halbes Brot und dann war sie wirklich
glücklich.