Der Stein der Weisen?
Gerade hier vor den „Frankeschen
Stiftungen“ in Halle (Saale), die ihre Anfänge am Ende des 17. Jahrhundert
haben, wäre sicher ein geeigneter Platz dafür. Ging es doch zu allen Zeiten an
diesem Ort um Bildung, Wissen und das Streben nach Weisheit. Neben
verschiedenen Bildungseinrichtungen befindet sich heute das IZEA, das „Interdisziplinäre
Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung“, auf diesem Areal.
Wir leben in einem
aufgeklärten Zeitalter! Das ist die durchgängige Meinung der meisten Menschen
in unserem Land. Alles, was vorher war, gilt als unaufgeklärt,
unwissenschaftlich und mittelalterlich. Und das Mittelalter war doch nur finster
und abergläubig. Dieses Klischee wird immer wieder neu bedient. Dabei wird sehr
leichtfertig mit dem Begriff „Aufklärung“
umgegangen. Wer vermag schon auf Anhieb zu sagen, was das eigentlich ist?
Aufklärung hat etwas mit
„klar werden“ zu tun. Der aufgeklärte Mensch gewinnt eine Klarheit, eine
Erleuchtung, eine Einsicht. Er erkennt etwas in einem neuen Licht. Und in
welchem Licht? Natürlich, in dem seiner vermeintlichen Urteilskraft, wie
Rousseau sagt. Wer heute vorschnell von aufgeklärt spricht, muss sich also fragen
lassen, worüber er eigentlich aufgeklärt ist, wodurch, für wen und wozu?
Wenn so vollmundig von
einem Zeitalter der Aufklärung gesprochen wird und gar von einer
Wissensgesellschaft, dann stellen sich jedoch gewisse Fragen: Was ist wichtig,
was ist nützlich, gewusst zu werden? Was ist würdig, erforscht zu werden und
worin besteht der Wert des Wissens? Das sind wichtige philosophische
Fragestellungen.
In der heutigen medialen
Zeit wird oft so getan, als hätten nur wir heutigen Menschen den Stein der Weisen
längst gefunden. Dabei werden aber nur Meinungen als Wissen verkauft. Meinungen
aber sind immer irrtumsanfällig und sehr subjektiv gefärbt. Echtes Wissen hat der einzelne nur, wenn er es auch
persönlich auf seine Richtigkeit überprüft hat. Wem aber ist das in den meisten
Fällen überhaupt möglich? Wissen muss also stets selbst erworben worden werden.
Darum sollten wir einfach bescheidener mit dem Begriff des Aufgeklärtseins und
des Wissen umgehen. Das meiste Wissen kommt doch aus zweiter oder dritter Hand
und bleibt im Grunde nur die Meinung anderer Menschen, die wir oft gedankenlos
übernehmen. Und das auf allen Gebieten und natürlich mit allen Risiken und
Nebenwirkungen!
Der Weg zu echter Aufklärung
ist, dass wir lernen, gut und richtig zu urteilen. Es ist also viel wichtiger
für uns alle, eine gute Urteilskraft zu entwickeln, als den vermeintlichen „Stein
der Weisen“ zu suchen.