Ein Foto, das nie gemacht wurde
Auf meinen Reisen durch
viele Länder dieser Erde habe ich in den vergangenen Jahren tausende Fotos
gemacht. Es gibt aber auch Bilder, die sich mir auf eine ganz andere Weise
eingeprägt haben. Sie sind weder auf einem Film noch auf einer Speicherkarte
festgehalten, sondern nur in meinem Gedächtnis. Es sind Bilder von Menschen in
schlimmen Lebenssituationen, bei denen sich buchstäblich meine Kamera geweigert
hat, sie zu fotografieren. Ein solches Bild,
das nie gemacht wurde, möchte ich hier einmal beschreiben.
Obwohl seitdem nun schon viele
Jahre vergangen sind, steht mir dieses Bild noch immer deutlich vor Augen. Es
ist für mich nach wie vor beeindruckend und es wird nun wieder ganz lebendig in
mir. Ich schmecke förmlich noch den
Staub in der dünnen Luft und die spüre das Holpern der Räder unseres Autos auf
der, mit tiefen Schlaglöchern übersäten, unbefestigten Piste auf der Hochebene des
Altiplano auf unserer Fahrt nach La Paz in die Hauptstadt Boliviens. Mit ihrer Lage in einer Höhe von 3200 bis 4100 Metern, ist diese Stadt der höchst gelegene Regierungssitz der Erde. Doch es ist ganz
und gar keine Idylle. Die Fahrt dorthin erscheint eher etwas unwirklich. Auf
der breiten, staubigen Piste suchten sich die Fahrzeuge nach Gutdünken ihren
Weg, um so den größten Löchern und anderen Hindernissen auszuweichen. Klapprige
Busse halten plötzlich an und Menschen kommen von irgendwo her und drängen sich
in den überfüllten Bus. Schon fährt er mit lautem Knattern und in Staub gehüllt
weiter in Richtung Stadt. Es muss immer alles ganz schnell gehen. Anhalten ist
gefährlich. Auch hierbei setzt sich wieder einmal der Stärkere durch.
Und dann
dieses Bild. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich endlich begriff, was ich da
eigentlich sah. Es tauchten aus dem braun/grauen Nichts staubbedeckte Gestalten
neben unserem Pickup auf. Frauen und Kinder, die an der stark befahrenen Piste mit
Schaufeln und auch mit ihren kleinen, klammen Fingern Erdklumpen, Steine und
Sand in die tiefsten Löcher der Fahrbahn warfen. Sie achteten dabei nicht auf die
vorüber rumpelnden Autos und schon gar nicht auf die Gefahr, unter deren Räder
zu geraten. Erst viel zu spät habe ich realisiert, was ich da gesehen hatte. Doch
da waren wir schon vorbei.
Was so unwirklich aussah, war wohl die hilflose
Geste dieser armen und schwachen Menschen, auf sich und ihre Not aufmerksam zu machen. Ohne
Worte, die ja doch nur im Lärm untergegangen wären, sagten ihre traurigen Blicke: „Wir wollen ja gar nichts
geschenkt, wir versuchen mit unserer Hände Arbeit, die Schlaglöcher auf der Fahrbahn auszubessern,
damit ihr mit euren großen Autos darin nicht stecken bleibt. Bitte gebt uns dafür
eine kleine Gabe für unsere Mühen, damit auch wir leben können“.
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