Gedanken beim Fenster putzen…
Nach
den langen, nasskalten Tagen scheint endlich die Sonne. Sie steht im März noch
ziemlich tief und trifft dabei genau unsere Fensterscheiben. Oh Schreck, jetzt
sieht man erst richtig, wie schmutzig diese über die Winterwochen geworden sind. Der Staub der Straße, gemischt mit der Luftfeuchtigkeit, hat seine grauen
Schlieren und blinde Stellen auf den Scheiben hinterlassen. Dazu der Ruß aus
den immer beliebter werdenden Kaminöfen. Manchmal riecht es inzwischen im Viertel
schon wieder wie zu DDR-Zeiten, als fast alle Haushalte noch mit Kohle heizen
mussten.
Da
heißt es jetzt, Ärmel hochkrempeln und dem Schmutz mit Wasser, Lappen und Kärcher zuleibe
rücken. Schon nach kurzer Zeit blinken die ersten Scheiben wieder wie neu. Die
Zimmer wirken gleich viel heller und freundlicher.
Wie
einfach es doch ist, denke ich mir, den äußerlichen Schmutz zu beseitigen. Man
muss es nur wollen. Am Willen aber, etwas zu verändern, scheint es im Großen
wie im Kleinen sehr häufig zu fehlen. Man ist sich zwar einig, die
Umweltverschmutzung und die dadurch hervorgerufenen Belastungen für Mensch und
Natur muss verringert werden, aber über das Wie und Wann entbrennt immer wieder
Streit. Die einen schieben es auf die anderen und nichts ändert sich.
Der
Blick auf andere Menschen und ihre Meinungen wird immer enger, eingeschränkter und abschätziger. Die eigene Meinung und nur die, ist stets richtig. Da ist
plötzlich jeder ein selbsternannter Experte und das auf allen Gebieten. Kritik wird zur
Einbahnstraße und gilt nur für andere. Der Umgangston wird dabei
ganz schnell unflätig, beleidigend und häufig tief verletzend.
Mir scheint, wir haben da
ein riesiges Problem in unserer
Gesellschaft, denn wir haben nicht nur eine erhebliche Umweltverschmutzung,
sondern das viel größere Problem ist die zunehmende „Innenweltverschmutzung“. Denn aus dem Inneren der Menschen, wie sie denken, reden und urteilen, sprich
verurteilen, daher kommt so unendlich viel Schmutz und Gift in das Leben. Und
dieser Unflat wird ungeniert und bösartig
über Andersdenkende ausgekippt. Diesen rüden Angriffen kann sich kaum einer entziehen. Es ist ja auch so leicht, seine
Giftpfeile aus dem Hinterhalt vernichtend auf einen anderen abzuschießen. In
Wort und Bild werden immer öfter andere Menschen diffamiert. Die Verrohung der
Sprache schreitet dabei rasant voran. Die Fäkalsprache ist inzwischen fast salonfähig
geworden. Das Unglück Betroffener wird schadenfroh beklatscht und die Retter
beschimpft und behindert. Der Schmutz kommt also zuerst von innen, weil die
Wertschätzung der Menschen in ihrem Anderssein fehlt.
Dazu
kommen Halbwahrheiten und plumpe Lügen, die als „fakes news“ rasant über die Medien verbreitet werden. Wie eine Schmutzflut breiten sie sich aus und
zerstören dabei die Existenz anderen Menschen. Wer heute noch bejubelt wird,
der wird morgen schon in aller Öffentlichkeit zerrissen.
Das
Erschreckende für mich ist daran, dass scheinbar kaum jemand sich Gedanken
macht, gegen diese innere Verrohung etwas Positives zu setzen. Scheinbar ist da
ein gutes Geschäft mit negativen Schlagzeilen zu machen. Wie soll eine
Gesellschaft aber die großen Fragen und Probleme der Welt und der Menschheit in
den Griff bekommen, wenn die blinden Flecken und die Verschmutzungen im
Inneren der Menschen nicht mehr erkannt werden und so immer mehr den Blick auf das
Gute verhindern? Eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, die inzwischen vehement beklagt
wird, ist doch wohl die Folge einer solchen „Innenweltverschmutzung“.
Mir
hat der Schein der Märzsonne die blinden Flecken auf den Fensterscheiben und
die Verschmutzung deutlich sichtbar gemacht. Nach kurzer Zeit
waren die Fenster wieder sauber und alles erschien in einem neuen Licht.
Doch
meine Fragen bleiben. Und ich denke, wenn es doch bei den Menschen auch so
einfach wäre? Aber eine schlüssige Antwort
habe ich noch nicht gefunden. Ich muss sicher noch öfter Fenster putzen und
dabei darüber nachdenken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen