Bilder, die Erinnerungen wecken
Buchstäblich wie von
Geisterhand tauchen die winkenden Kinder eines Kinderheims in Brasilien, das
ich vor Jahren besucht habe, auf dem Bildschirm meines Computers wieder auf.
Dieses und viele andere Fotos, die im Laufe der letzten zwanzig Jahre bei
meinen Reisen durch zahlreiche Länder und bei anderen Gelegenheiten entstanden
sind, füllen inzwischen zu Tausenden die Dateien auf dem PC.
Ein „Zufallsgenerator“
holt sie unsortiert aus den Tiefen des Rechners auf meinen Bildschirm. Dort erscheinen
sie kurzeitig als Hintergrundbilder auf dem Schirm. Manchmal bin ich selbst überrascht,
was da alles wieder auftaucht. Das weckt viele Erinnerungen an Ereignisse, die häufig
lange zurückliegen. Es erscheinen wunderschöne Landschaften, gewaltige Gebirgs-regionen
in den Anden oder lange, einsame Stände am Pazifik, exotische Blüten in all ihrer
Farbenpracht und Vielfältigkeit, aber auch Elefanten an einem Wasserloch in Botswana oder ganze Herden von
Antilopen und Zebras in der Etosha-Pfanne in Namibia. Da sind Fotos von
Fahrten auf endlos erscheinenden Highways durch die Wälder Kanadas und Alaskas sowie
durch den roten Sand im Outback von Australien. Natürlich taucht auch der
berühmte „Ayers Rock“, heute „Uluru“
genannt, ein gigantischer Monolith, im leuchtenden Rot der Abendsonne auf. Es
folgen Bilder von einer Radtour an der Ems, von
Wanderung im heimischen Harz, Fotos von Familienfeiern und vielen
anderen Ereignissen, die hier gar nicht alle genannt werden können. Das zu
sehen, erstaunt mich immer wieder selbst. All diese Bilder werden wie in einem
riesigen Fotoalbum vor meinen Augen sichtbar. Mit allen Bildern verbinden mich viele
Erinnerungen. Auch nach langen Jahren kann ich mich oft noch genau erinnern,
wie und wo das jeweilige Bild entstanden ist. Die meisten Fotos sind dabei Momentaufnahmen,
die etwas von den Orten und dem Augenblick des Geschehens einfangen, festhalten
und sichtbar machen.
Dazu gehören zahlreiche
Fotos von Menschen, die mir im Laufe der Jahre begegnet sind oder mit denen ich
unterwegs war. Sie alle erzählen eine kleine Geschichte und erinnern sowohl an alltägliche,
als auch an besondere Ereignisse. Diese Momente sind in den Bildern
festgehalten, förmlich eingefroren. Nun werden sie gleichsam wieder aufgetaut
und lebendig. Am deutlichsten wird mir das bei Bildern, die recht
abenteuerliche Situationen festgehalten haben. Da steckt zum Beispiel unser Auto
bis zu den Achsen im unwegsamen Gelände in der Mongolei im Dreck fest. Auch der
geplatzte Reifen unsers Jeeps in der Afrikanischen Savanne ist auf einem Foto
zusehen. Der eingegipste Arm eines Reisegefährten, den wir ins Hospital am
Rande der Wüste im Sultanat Oman bringen mussten, erscheint im nächsten Bild. Ja,
an solche und ähnliche Situationen erinnern viele der Fotos.
Beim Anschauen atme ich
noch heute förmlich auf und denke: „Gott sei Dank, dass wir das alles bewältigt
haben. Es gleicht im Nachhinein fast einem Wunder, dass wir selbst in abgelegen
Gegenden immer Menschen fanden, die uns geholfen haben. Es hätte auch anders
ausgehen können. Danke.“
Die ständig wechselnden
Hintergrundbilder auf meinem PC lösen damit Freude und Erleichterung, aber auch
Dankbarkeit aus. Dankbarkeit dafür, dass wir das alles erleben
durften. Das ist wirklich ein großes und bleibendes Geschenk. In Gedanken fühle
ich mich allen sehr verbunden und freue mich beim Betrachten der Bilder. Die
etwas älteren Fotos zeigen aber auch sehr deutlich, wie die Zeit vergangen ist und wie
wir uns alle verändert haben.
Leben bedeutet eben Veränderung.
Ob Orte oder Menschen, alles verändert sich. Altes vergeht, Neues entsteht. Wo
noch vor ein paar Jahren ein verfallenes Haus in der Straße nebenan als
hässliche Ruine stand, erstrahlt jetzt ein liebevoll restauriertes Gebäude. Das
kleine Bäumchen im Garten ist zu einem stattlichen Baum herangewachsen. Aus dem
spielenden Kind im Sandkasten ist ein junger Mann geworden, der selbstbewusst
in die Kamera schaut. Man hält es oft kaum für möglich. Verwundert und
erstaunt frage ich mich: „Hab ich mich auch so verändert?“ Es wird wohl so
sein. Auch wenn man es nicht wahrhaben möchte, die anderen haben es schon
längst gemerkt, auch wenn sie es rücksichtsvoll nicht so deutlich zeigen.
Tauchen aber Fotos von inzwischen
Verstorben auf, dann macht mich das jedes Mal sehr betroffen. Mir wird dann schmerzlich
bewusst, dass es den guten Freund, meine Eltern und andere Menschen, mit denen
mich so vieles im Leben verbunden hat, nicht mehr gibt. Ihre Fotos
zeigen sie noch in ihrer Lebendigkeit und Lebensfreude. Ihre Gesichter, ihr
Lachen und ihre vertrauten Gesten erfüllen mich deshalb heute mit umso größerer
Dankbarkeit. Mir wird sehr bewusst, was ich ihnen alles zu verdanken habe. Lange
Gespräche kommen mir wieder in den Sinn. Stunden gelöster Geselligkeit bei
einer Flasche Wein. Gute Ratschläge und praktische Hilfe. Da mag wohl etwas
Wehmut aufkommen. Doch gilt nicht etwas anderes viel mehr?
Die gemeinsame Zeit ist
zwar vorbei und das mach wirklich sehr traurig, aber die Erinnerung daran lässt
mich auch sehr dankbar und froh sein. Froh und dankbar, weil jeder von ihnen, auf
seine ganz eigene Weise ein Teil meines Lebens war und es auch bleiben wird.
Darum bin ich immer wieder aufs Neue gespannt, wenn ich meinen Computer einschalte, welche Bilder auf
dem Bildschirm