Kein Kommentar
„Kein Kommentar“, das ist
das Einzige, was die wartenden Journalisten und Reporter dem Politiker, der
vorzeitig die Nachsitzung verlässt, entlocken können. Dafür haben sie nun seit
Stunden vor dem Sitzungsgebäude die Stative mit ihren Kameras mit den
überdimensionalen Teleobjektiven aufgebaut. Als die Tür sich endlich einmal öffnet,
kommt Bewegung und Unruhe auf. Aufgeregt und hektisch werden nun gefühlt
hundert Mikrophone in die Höhe gehalten, um eine sensationelle Aussage des
Politikers aufzuschnappen. Jede verräterische Regung in seinem Gesicht wird heran
gezoomt und akribisch im Bild festgehalten. Er aber drängt sich durch die
Meute, wie er sie schon oft erlebt hat, und er sagt nur ganz lapidar: „Kein
Kommentar“.
Wozu auch, fragt sich der
geübte Fernsehzuschauer, der solche Szenen ja schon oft auf dem Bildschirm
gesehen hat und zur Genüge kennt. Immer wieder das gleiche Spiel und ein neuer
Versuch. Jeder weiß, dass die Verhandlungen noch längst nicht abgeschlossen
sind und sich noch Stunden hinziehen können. Um viele Details muss noch
gerungen werden, bis es zu einem Ergebnis kommt. Darum, kein Kommentar!
Das aber will man nicht
einfach abwarten. Und schon tritt in der nächsten Nachrichtensendung die
Kommentatorin in gewohnter, allwissender Weise vor die Kamera und gib ihren
Kommentar ab. Aber auch das kennt man schon, ein ständig wiederkehrendes
Ritual. Es gibt noch gar nichts, was es zu kommentieren gäbe, aber sie
kommentiert auch das. „Es sind schwierige Gespräche, die Fronten haben sich
verhärtet, alle Seiten müssen ihr Gesicht wahren und dürfen ihre Wähler und die
Lobbyisten nicht verunsichern. Doch so
viel steht jetzt schon fest, es wird wieder ein Ergebnis sein, dass nach unserer
Meinung keinesfalls befriedigend ausfallen wird. Soweit der heutige Kommentar.
Ich gebe zurück zum Sender.“
Ja, soweit der äußerst
erhellende Kommentar. Da möchte man doch glatt sagen: „Bitte, keine Kommentare,
jedenfalls nicht solche.“ Oder wie es Martin Luther, der hier wieder einmal als
Zitatengeber gut ist, es ausgedrückt haben soll: „Kümmere dich nicht um
ungelegte Eier“. Aber gerade darum scheint es in der heutigen, medialen Welt
und in den sogenannten sozialen Medien hauptsächlich zu gehen. Da werden auch
schon mal Ergebnisse kommentiert, die es noch gar nicht gibt. Und wenn es mal
an „News“ mangelt, dann bleiben ja immer noch die „ungelegten Eier“ und die
alternativen Fakten. Wer solche Kommentare hört oder liest, der braucht wirklich starke
Nerven, denn jedes Ereignis oder auch Nichtereignis wird sehr subjektiv und kontrovers kommentiert.
In den Kommentarspalten bei Facebook und Co. scheint es nur weiß oder schwarz, links oder rechts zu geben. Und jede Seite kämpft verbissen und immer häufiger unfair und bösartig für die eigene Sichtweise, die natürlich die einzig richtige und wahre ist. Diesem Gemetzel von Pro und Contra fallen da zuerst die Orthographie und die Grammatik zum Opfer. Dem folgen zugleich die Wahrheit, der Anstand und die Würde des Anderen. Gnadenlos wird polemisiert, verurteilt, verunglimpft, beleidig und hasserfüllt ganz offen gedroht. Was da an, gelinde gesagt, Unsinn und Unrat in den Kommentaren zu lesen ist, wenn man es denn überhaupt noch lesen kann, was oft nur schwer möglich ist, das alles würde sicher ganze Mülldeponien füllen.
Kommentare aber sollen erhellen, ergänzen und so zum besseren Verständnis beitragen. Kommentatoren, die mit ihrer eigenen, vorgefassten Meinung oder der einer bestimmten Gruppierung, ihre Kommentare abgeben und sie auch noch als objektive Wahrheit verkaufen, die sollte man sich sparen. Die braucht kein Mensch. Sie dienen nämlich nicht einem besseren Verständnis, sondern sie polarisieren und tragen nicht zur Verständigung unter den Menschen bei. Da kann ich nur sagen: „Bitte, kein Kommentar!“
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