Donnerstag, 6. Oktober 2016


Der Rote Turm, der  gar  nicht  rot ist

In Halle an der Saale steht auf dem Marktplatz ein markanter Turm. Es ist der „Rote Turm“. Viele Male bin ich schon daran vorbei gegangen, habe auf die Turmuhr geschaut, die sich dort oben befindet, und habe mir  nichts  weiter gedacht. Doch als ich im letzten Sommer einigen Besuchern die Stadt zeigen wollte, stolperte ich förmlich über diesen Turm. Genauer gesagt über dessen Namen: „Roter Turm“. Da fiel mir eigentlich erst auf, dass  der Turm doch gar nicht rot ist.

Meine Recherchen ergaben daraufhin ganz unterschiedliche Deutungen. Eine geht davon aus, dass das ursprüngliche Kupferdach rot erstrahlte, der wahrscheinlichere Grund ist der, dass dort am Turm das sogenannte Blutgericht abgehalten wurde. Ein dritter Grund ist die Annahme, dass sein Name einen Bezug zum Namen des am Bau beteiligten Architekten Johannes Rode hat und deshalb der „Rode-Turm“, später  der rote Turm genannt wurde. Wie es auch sei, heute gehört der rote Turm, der gar nicht rot ist, zur Silhouette der Stadt Halle und nur wenige wundern sich über den Namen.

Beim Nachdenken darüber kamen mir noch weitere Bezeichnungen und Namen in den Sinn, bei denen der Inhalt nicht oder nicht mehr mit der Sache übereinstimmt. Und trotzdem weiß jeder, was damit gemeint ist.

Handwerker messen noch immer mit ihrem „Zollstock“ die Länge einer Dachlatte oder eines Rohrs ab. Ursprünglich war das ein abgeschnittenes Stück Holz, mit dem Maß genommen wurde. Auch die spätere Maßeinteilung Zoll (ein Zoll gleich 2,56 cm) ist längst dem metrischen Maß gewichen und die heutige, korrekte Bezeichnung lautet „Gliedermaßstab“, die aber keiner benutzt. Wenn nun der Meister nach dem Zollstock verlangt, weiß jeder Lehrling, Verzeihung, jeder „Auszubildende“ gleich Bescheid und er bringt den „Zollstock“, der gar nicht mehr nach Zoll eingeteilt ist, zum Chef.

Selbst beim Telefonieren mit einem Smartphone kann man immer noch hören: „Der hat doch einfach aufgelegt“. Wie soll das eigentlich gehen? Bestenfalls drückt man die Taste zum Beenden oder wischt einfach über das Display. Trotzdem versteht jeder den gemeinten Sachverhalt. Das Gespräch ist beendet. Wie auch immer das gemeint war.

Natürlich hörte beim Geld schon immer die Freundschaft auf. Da wird genau auf Heller und Pfennig abgerechnet. Kein Mensch fragt sich dabei, wieso Heller und Pfennig? Haben wir nicht bereits seit dem Jahr 2000 Euro und Cent? Doch egal, die Bilanz muss einfach stimmen.

Und wenn an einer Stelle in der Gesellschaft die Mittel knapp sind, kommt prompt der Ruf, meistens aus der Opposition: „Da muss der Staat doch einfach mal „Geld in die Hand nehmen“, um diesen Zustand zu beenden. Wer nimmt  denn in solchen Größenordnungen noch Geld in die Hand? Dafür ist längst der elektronische Zahlungsverkehr üblich, bei dem die Geldströme weltweit bewegt werden. Selbst  Brot und Brötchen beim Bäcker werden immer häufiger mit EC-Karten bezahlt. Wer heute noch größere Summen Bargeld in die Hand nimmt, der macht sich leicht verdächtig, mit „Schwarzgeld“ zu hantieren. Deshalb wird ja zunehmend die Forderung nach der Abschaffung des Bargeldes sehr kontrovers diskutiert. Trotzdem weiß jeder, was damit gemeint ist.

Sicher sind Ihnen allen auch schon einmal solche oder ähnliche Bezeichnungen aufgefallen. Meistens denken wir uns gar nichts dabei. Es ist wie es ist. Das gehört zu unserer Sprache und zu unserem Leben. Manchmal ändern sich die Inhalte im Laufe der Zeit und trotzdem behalten wir die alten Bezeichnungen bei. Manchmal werden einfach neue Namen für alte Dinge erfunden und geprägt. Was vorgestern noch "Spitze" war, war gestern eher "cool" und ist heute "Mega geil" und morgen, wer weiß das schon?






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