Freitag, 23. Mai 2014

Warum ich keinen Wahl-O-Mat brauche


Was, Sie wissen nicht was ein Wahl-O-Mat ist? Nun, das ist so etwas Ähnliches wie eine elektronische Partnervermittlung. Sie beantworten durch Anklicken am Computer Fragen zu bestimmten Themen. Aus diesen Antworten sucht der Computer die Partei heraus, mit der Sie in den meisten Fragen übereinstimmen. So einfach ist das. Ob es natürlich mehr Klarheit schafft und mehr Wähler an die Urnen bringt, bleibt noch dahin gestellt.

Als ich vor einigen Jahrzehnten das Wahlalter erreichte, gab es erstens noch keinen Wahl-O-Mat und zweitens hatten wir in der DDR nur die Wahl zu gehen oder nicht zu gehen. Wobei das Letztere ernsthafte Konsequenzen nach sich zog, die die allermeisten zu Recht scheuten. Da kam schon ab Mittag des Wahltages eine Abordnung mit der Urne direkt zum potentiellen Nichtwähler. Wer hatte dann noch einen Wahl? Schon gar keine freie Wahl!

Meine ersten Erfahrungen beim „Falten“, so nannte man salopp den „Wahlvorgang“, habe ich während der Armeezeit gemacht. Wir wurden kompanieweise ins Wahllokal abkommandiert und mussten im Vorbeimarsch die riesigen Wahlzettel falten und in die Urne stecken. Fertig! Wahlergebnis 99,9%, das war schon vorher klar!

Später als Theologiestudent habe ich mir diese Farce ersparen können, denn für den sozialistischen Staat war ich eh schon abgeschrieben und hatte damit eine gewisse „Narrenfreiheit“. So ließ ich mich in meinem Heimatort gar nicht erst sehen. Im Dorf kennt aber jeder jeden und meine Mutter war verunsichert und wollte mich im Wahllokal entschuldigen, dass ich nicht da bin. „Ach, das macht doch nichts, gib mal die Wahlbenachrichtigung Deines Sohnes her. Hier hast du einen Wahlzettel, den kannst Du für Ihn gleich mit in die Urne stecken“, sagte der Wahlleiter zu meiner Mutter. Ob das vielleicht doch schon so etwas war wie ein „Wahlautomat“?

Etwas ganz besonderes war dagegen die erste freie Wahl im Frühjahr 1990. Ich hatte das Haus voller Besuch aus dem Westen, Freunde und Kollegen. Alle waren sehr gespannt auf die Ergebnisse der Wahl. Zum ersten Mal eine Wahl mit wirklicher Bedeutung für die Zukunft der "Noch-DDR" und ein zukünftig geeintes Deutschland. Es wurde also eine lange Nacht für alle. Wir hatten einen Geruch von Freiheit in der Nase. Am nächsten Tag kauften wir im Konsum-Kaufhaus die letzten DDR-Fähnchen auf. Eine Erinnerung an einen abgewählten Staat, der genau wusste, warum es in ihm keine freien Wahlen geben durfte.

Viele haben dafür gestritten und manche sogar gelitten. Darum können wir nicht hoch genug schätzen, dass es bei uns freie Wahlen gibt. Ob nun mit oder ohne Wahl-O-Mat, Wahlen sind wichtig! Wer nicht wählt, hat schon gewählt. Er weiß nur nicht was. Damit müssen dann aber alle leben!


Mittwoch, 14. Mai 2014


Warum? – Fragen, auf die es keine Antwort gibt

Es sind nicht die Fragen: „Warum ist die Banane krumm?“ oder „Was war eher, die Henne oder das Ei?“, die mich heute beschäftigen. Es sind vielmehr ganz alltägliche Fragen, auf die ich keine Antwort finde und die mich schon länger umtreiben.

Das Bild oben verweist schon auf die erste Frage: Warum werfen Menschen ihren Abfall einfach auf die Straße? Warum nehmen andere sogar lange Wege in Kauf, um ihren Müll irgendwo im Wald zu entsorgen, obwohl es kostenlose Entsorgungseinrichtungen gib? Ist mal eine Grünanlage oder ein Blumenbeet in der Stadt neu gestaltet, kann man geradezu darauf warten, dass Fußspuren über das Beet führen oder sogar mit dem Fahrrad darüber gefahren wird. Bänke in der Stadt oder in den Anlagen laden schon längst nicht mehr zum Ausruhen ein, denn komischerweise sitzen Jugendliche auf der Lehne der Bank und trampeln dabei mit ihren schmutzigen Schuhen auf der eigentlichen Sitzfläche herum. Warum, frage ich mich? Warum werden neu gepflanzte Bäumchen einfach abgebrochen? Blumen aus den Beeten und Blumenkästen gerissen? Verkehrsschilder umgeknickt? Von den Schmierereien will ich erst gar nicht reden. Warum liegen die Zigarettenkippen einfach auf der Straße? Warum ist es hip, den Teller nicht abzuessen und immer einen Rest des Getränkes im Glas zu belassen? Warum tun Menschen so etwas. Wissen Sie eine Antwort? Ich jedenfalls nicht.

Was ist denn daran eigentlich so schlecht oder uncool, den Abfall in den Papierkorb zu werfen oder die Verpackung in die eigene Tasche zu stecken? Den Weg zu benutzen, anstatt über den Rasen zu latschen? Die Reste und den eigenen Müll nicht anderen zu überlassen? Fragen, auf die es keine Antwort gibt.

Obwohl ich mir viele Gedanken gemacht habe, konnte ich keine schlüssige Antwort finden und schon gar keine Lösung. Nun sehe ich diese Schmiererei auf der frisch gestrichenen Wand, da frage ich mich, soll das etwa die Antwort sein? 

Das erinnert doch eher an ein trotziges Kinderspiel:  Warum?  - Darum!

Donnerstag, 8. Mai 2014

Leben im Paulusviertel – eine soziale Interaktion


Bei uns im Viertel wohnen viele Familien und allein erziehende Elternteile mit kleinen Kindern. Obwohl es rund um die Pauluskirche gar nicht mal so kindgemäß ist. Die engen Straßen sind beidseitig mit Autos zugeparkt, oft auch die Fußwege. Als Fußgänger oder gar mit Kinderwagen müssen sich die Bewohner den Weg durchs Gedränge oft mühsam bahnen. Grünflächen und Spielplätze sind rar und deshalb stets überfüllt. 
Worin eigentlich die Attraktivität des Paulusviertels liegt, kann ich gar nicht so genau sagen. Und doch zieht es gerade junge Leute mit Kindern in dieses Viertel. Die Altbauwohnungen sind groß und haben ihr eigenes Flair. Besonders viele Studenten wohnen hier in Wohngemeinschaften. Ebenso viele Akademiker und andere, die der besondere Ruf des Paulusviertels angezogen hat. Es schon hat einen gewissen Charme, man muss ihn aber mögen.

Ja, es ist auch ein eigenes Klientel, welches recht alternativ das Straßenbild prägt.  Wollmützen, langer Rock, Ringelstrümpfe und hohe Schuhe gehören genauso dazu wie die allseits beliebte Outdoorbekleidung mit Rucksack und Umhängetasche. Wer einen Anzug trägt oder ein schlichtes Kostüm, der ist schon overdressed, wie man hier sagen würde. Schon die Kleinsten bekommen ihren individuellen Touch. Mann trägt Zopf und dazu genau wie Frau ein Kind im Tragetuch vorm Bauch oder auf dem Rücken.

Neben den vielen Kindern beherrschen kleine und große Hunde das Straßenbild und hinterlassen ihre sichtbaren Spuren an den Bäumen und auf den Gehwegen. Es ist recht amüsant anzusehen, wenn so  ein kleines Hündchen von einem großen Mann an der Leine spazieren geführt wird oder wenn ein riesiger Hund sein kleines Frauchen hinter sich herzieht. Etwas skurril wirkt es dann auch, wenn sich Herrchen oder Frauchen mit einer kleinen Schaufel und einem Plastikbeutel bewaffnet, über die Hinterlassenschaften des kleinen oder, igitt, des recht großen Lieblings hermachen und diese irgendwie beseitigen, was ja wiederum sehr lobenswert ist und längst nicht alle tun.  

Über mangelnde Abwechslung und Lebendigkeit kann man sich hier im Viertel  sicherlich nicht beklagen! Durch den dichten Straßenverkehr  hindurch, drängeln sich jede Menge kleine und große Leute auf oft abenteuerliche Weise. Die Papas und Mamas auf Fahrädern mit Kindersitz und Anhängern, bestückt mit ein oder zwei kleinen Kindern, holpern über das Kopfsteinpflaster und über die die halsbrecherischen Gehwege. Schon die Kleinsten wuseln mit ihren Treträdern und Rollern durch den unübersichtlichen Verkehr. Manchmal muss ich die Augen schließen, denn ich kann es gar nicht mit ansehen. Zum Glück passiert aber weniger, als man annehmen könnte. Gott sei Dank, aber der spielt auch hier keine große Rolle, obwohl über dem Viertel die dominante Pauluskirche thront.

Ansonsten haben die Leute hier eine eigene Art zu leben. Kinder haben einen hohen Stellenwert und alles dreht sich um sie. Die Mütter und Väter nehmen die Kleinen ganz wichtig und vermeiden bewusst unnötige Regeln und Einschränkungen. Neulich kam uns doch ein etwa Zweijähriger auf dem Bürgersteig entgegen gerannt und lief auf die Straße zu. Er hatte sich scheinbar von der Hand des Vaters einfach losgerissen. Da stürmte der Papa, ein großer und kräftiger Mann, mit erzürntem Gesicht hinter ihm her. Ich dachte noch, gleich passiert es! Aber nichts passierte. Mit der sanften Stimme eines pädagogisch geschulten „Kinderverstehers“ säuselte er dem Kleinen, noch ganz außer Puste, zu: „Jetzt hast du Papa aber große Angst gemacht! Wenn du  einfach weg läufst, kann der Papa gar nicht auf dich aufpassen!“ Na, das hat aber gesessen! Oder?

Nächste Szene vor unserem Balkon. Ein Vater zu einem etwa fünfjährigen Kind: „Aaron Luca, wir haben dir drei Alternativen gegeben, aber du hast dich definitiv nicht entscheiden können“. Kind bleibt ungerührt. Die Mutter versucht es noch einmal: „ Oder soll dich der Opa abholen?“ Außer einem angewiderten Gesicht, keine Antwort. Das wäre bei einer konventionellen Erziehung  wohl  auch einfacher gewesen. 

Zwei stolze Väter sitzen im Straßenkaffee und unterhalten sich über ihre Sprösslinge. „Ach morgen feiert unser Jüngster seinen ersten Geburtstag“, erzählt der eine Vater ganz stolz. „Toll, dann ist das ja seine erste soziale Interaktion“, meinte der andere anerkennend.

Na, der Kleine hat sich bestimmt riesig gefreut und wird noch nach Jahren stolz davon berichten. Ganz gewiss werde ich das wohl auch mal wieder tun, wenn es neue „soziale Interaktionen“  im Paulusviertel gibt.

Montag, 5. Mai 2014

„Goldregen“


Goldregen, das ist der landläufige Name dieser beeindruckenden Sträucher, die  bis zu fünf Meter hoch werden. In den Monaten Mai und Juni lassen sie ihre gelben Blütentrauben  wie Gold herabregnen, was ihnen diesen bezeichnenden Namen gab. Es ist der reinste Blütenzauber und ein wahrer Goldrausch, der die Menschen schon mal zum Träumen bringt. 
Solch einen "Gold- oder Geldregen" im übertragenen Sinn wünschen sich wohl viele Menschen. Sich einmal in seinem Leben, wie Goldmarie im Grimmschen Märchen, vom Gold beregnen zu lassen, das wäre doch ganz toll und alle Geldsorgen hätten ein für allemal Ende. Warum nicht einmal träumen?

Aber Vorsicht! So schön der Goldregenstrauch auch in seiner Blütenpracht aussieht, so gefährlich kann er auch sein. Die gesamte Pflanze ist nämlich giftig. Die höchste Konzentration an Giftstoffen findet sich in den Samen. Schon 15-20 Samen können tödlich sein. Bereits nach drei eingenommenen Samen beginnen schon die ersten Vergiftungserscheinungen. Das sind: Übelkeit, Brennen in Mund und Rachen, Magenbeschwerden, Schweißausbrüche, Schwindelgefühl, sogar Halluzinationszustände bis hin zur Bewusstlosigkeit und Krämpfen.

Schön aber giftig! Das ist jedoch nicht nur dieser Strauch in seiner betörenden Schönheit, sondern jeder „Gold- und Geldregen“. Wer überraschend von einem solchen überschüttet wird, ist leicht in der Gefahr die Besinnung zu verlieren. Ein zu großer Reichtum ist in jedem Fall betörend und wirkt bei zu großer Nähe auch zerstörend. Reiche Menschen leiden oft unter einem erhöhten „Schwindelgefühl“, mit dem sie ihren Reichtum noch vermehren wollen. Wer möchte auch schon gern wieder etwas von seinen Millionen freiwillig abgeben? Da wird eben geschwindelt und mit Tricks die Steuer umgangen. Auch unangenehme Schweißausbrüche quälen häufig die Aktionäre, wenn sie sehen, wie die Kurse in den Keller gehen. Die meisten aber haben echte Halluzinationen und Zwangsvorstellungen, denn sie meinen ernsthaft, dass der Gold- und Geldregen sie wirklich glücklicher macht. Doch der Schein trügt.

Wir sehen aus der Ferne oft nur den glänzenden Schein, das Leuchten des Goldes und die Glitzerwelt der Reichen, aber nicht die Gefahren und das Elend, die davon ausgehen können. Ein Zuviel von allem ist nie gut, es vergiftet und verdirbt nicht nur den Magen, sondern den Charakter der Menschen.