Dienstag, 28. Juli 2015


Sonnenblumen

Immer wieder schön, ob auf dem Feld oder in einer großen rustikalen Vase. Das fand wohl auch Vincent van Gogh und malte in den Jahren 1888/89 gleich eine ganze Serie des gleichen Motivs. So entstanden wohl die weltweit bekanntesten Sonnenblumen. Im Van Gogh Museum in Amsterdam konnten  wir sie unlängst bewundern. Es war faszinierend für uns und die vielen anderen Besucher aus aller  Welt, vor diesen berühmten Gemälden zu stehen. Eine gute Energie schien von den Bildern Van Goghs auszugehen und erfüllte die Betrachter mit Freude.

Letzten Sonntag brachte unser  Besuch einen großen Strauß Sonnenblumen, andernorts  auch Sonnenrosen genannt, für uns als Geschenk mit. Nun stehen  diese in einer schlichten Vase aus Keramik auf dem Sideboard vor dem Spiegel. So wird nicht nur ihre Anzahl verdoppelt, sondern ihr leuchtendes Gelb wird dadurch noch strahlender. Zwar sind unsere Sonnenblumen lange nicht so teuer, wie eines der berühmten Gemälde von Van Gogh, aber sie sind lebendig und schön und erfreuen uns.

Mich beeindruckten Sonnenblumen schon immer. Denn im Sommer leuchtet einem ein Feld voller Sonnenblumen wie ein gelbes Meer entgegen. Und das wunderbare daran ist, dass sich alle Sonnenblumen immer nach dem Stand der Sonne ausrichten. Der Botaniker nennt das in der Fachsprache "Heliotropismus". Dieser sorgt dafür, dass die Sonnenblume immer die volle Energie für ihr Wachstum aufnehmen kann. Und energiegeladen sind  die Sonnenblumen letztendlich ja auch. Ihre reifen Kerne dienen dabei nicht nur den Vögeln des Himmels als willkommene Nahrung, sondern das gewonnene Öl ist wohl aus keiner Küche wegzudenken. Auch für die Biogasgewinnung ist  die Sonnenblume als Ganzes ein wichtiger Faktor. Das Bild einer Sonnenblume muss sogar für „Die Grünen“ als Parteilogo herhalten. Die Sonnenblume nimmt es, wie es kommt.

Abgesehen davon ist der "Heliotropismus", die ständige Ausrichtung der Sonnenblumen auf die Sonne, ein sehr schöner Bildvergleich für ein gelingendes Leben auch im übertragenen Sinne für uns Menschen. Die Sonnenblumen verdrehen nämlich ihre Blütenköpfe nicht beliebig in alle möglichen Richtungen, sonders sie haben ihren Orientierungspunkt, die Sonne. Von dieser beziehen sie ihre Energie, wachsen und reifen.

Mir scheint so eine Orientierung vielen Menschen heute zu fehlen. Sie schauen suchend mal dahin und mal dorthin. Ständig  wechselnde Trends  und neue Hypes bestimmen ihr Leben. Sie sind hin und her gerissen und sind immer in Sorge, die aktuellste Mode zu trage, den hipsten Haarschnitt zu haben, die gerade angesagte Musik zu hören, das richtige zu denken und zu sagen. Das erzeugt permanente Hektik. Diese bestimmt nicht nur die Alltagswelt in Schule, Beruf und Freizeit, sondern besonders das Innere der Menschen kommt nicht mehr zur Ruhe. Es ist unendlich schwer, ohne einen Orientierungspunkt den richtigen Weg zu finden und ihn in Ruhe und Gelassenheit zu gehen. Driften deshalb vielleicht so viele nach rechts  oder  links ins Extreme ab?

Sonnenblumen haben ihren Orientierungspunkt, die Sonne als Mittelpunkt unseres Sonnensystems, um den sich alles dreht. Danach richten sie sich Tag für Tag aus und kommen dadurch zur Reife. Ob nicht manches unreife und extreme Verhalten in unserem Land und in dieser Zeit auf  eine fehlende oder fehlgeleitete Orientierung zurückzuführen ist?  

Ich mag  Sonnenblumen, nicht nur weil sie selbst wie kleine Sonnen leuchten, sondern weil sie uns so viel über die tieferen Wahrheiten des Lebens sagen können.

Montag, 13. Juli 2015


Die letzten Indianer

Nur wenige von ihnen sind noch übrig geblieben. Der Häuptling hat einige Schrammen abbekommen, die Friedenspfeife ist verloren gegangen. Andere Krieger liegen mit abgebrochenen Armen und Beinen, ohne ihre Bögen und Tomahawks, in einer Kramkiste aus meinen Kindertagen auf  dem Dachboden. Fast sechzig Sommer sind über das ehemalige Indianerlager ihre Bewohner hingezogen. Davon ist kaum noch etwas übrig. Eine Hütte ohne Dach, ein erloschenes Lagerfeuer, der Totempfahl, das ist alles.
Die einst stolzen Krieger und edlen Helden, die meine Kinderphantasie beflügelt haben, gibt es nicht mehr und ganz sicher hat es sie in Wirklichkeit so nie gegeben. Unsere Vorstellung von den „edlen Wilden“ entspringt einer sehr romantisierenden Sichtweise.
Die großen Jäger, die den Büffelherden in den Weiten der Prärie  nachjagten und so für das Überleben des Stammes sorgten, die Krieger, die ihre Frauen und Kinder gegen jeden Angriff der Feinde verteidigten, der weise Medizinmann, der die Natur und ihre Kräfte der Heilung genau kannte und der große Häuptling mit seinem reichen Federschmuck, der sein Volk schützte und zum Sieg führte, das sind die Vorstellungen und verblassten Bilder, die wir von den Indianern hatten. Diese wurden noch genährt von Karl May und seinen Büchern und später von den vielen Indianerfilmen, die gerade dieses Klischee bedienten.

Auch wenn wir das alles längst wissen, haben sich diese Bilder vom rothäutigen Prärieindianer mit seinem Kopfschmuck aus prächtigen Federn tief in uns eingeprägt. Dass es die verschiedensten indigenen Völker und Stämme auf dem ganzen amerikanischen Kontinent vom hohen Norden bis nach Feuerland im äußersten Süden gab und gibt, ist heute hinreichend bekannt. Auch die Tatsache, dass nach der Landnahme durch die weißen Siedler, ihre Zahl auf ein Minimum dezimiert wurde, ist kein Geheimnis mehr. Dem regelrechten Krieg der Europäer gegen die „Rothäute“, die in ihren Augen als „Wilde“ und nicht als  Menschen galten, hatten diese nur wenig entgegen zu setzen. Skrupellose Habgier hatte dem friedlichen Zusammenleben schon bald ein Ende gesetzt.

Die persönliche Begegnung mit heute lebenden Indianern ist für uns noch immer etwas ganz Besonderes. Als wir in diesem Jahr durch Kanada reisten, kamen wir durch ein Indianerreservat in der Nähe von Pemberton in Britisch Columbia. Dort im Mount Currie Reservat lebt die Gruppe der Lil´wat Indianer. Diese  Ureinwohner waren die ersten, die das Gebiet ihr Zuhause nannten. Sie waren wirklich die „First Nation“, die erste Nation, wie die Kanadier diese Nachkommen der Ureinwohner und ersten Besitzer des Landes heute anerkennend nennen. Von ihrem Land ist ihnen jedoch nicht mehr viel geblieben.

Trotzdem pflegt die Gruppe der Lil`wat, wie andere Stämme auch, ihre alten Traditionen und ihre Sprache.  Sie versuchen, der heutigen Zeit zu trotzen und ihrem völligen Verschwinden entgegen zu wirken.  Jedoch war der Einfluss der Weißen auf diese Menschen nicht immer der beste. Sie brachten ihnen das „Feuerwasser“ und so manche Zivilisationskrankheit. Darunter leiden auch heute noch viele in den Reservaten und man sieht es ihnen und ihren Behausungen auch an.

Zu einer persönlichen Begegnung mit einer alten Indianerin  kam es nach dem Gottesdienst am Fest Christi Himmelfahrt in der kleinen Holzkirche in Mount Currie, den ein polnischer Pfarrer aus Wisthler mit uns und noch etwa acht weiteren Besuchern feierte. Zum Klang einer Gitarre und einer Mundharmonika wurde auch ein indianisches Lied gesungen. Im Anschluss wurden wir zum Kirchenkaffee eingeladen und erfuhren einiges aus dem Leben dieser Indianerin. Als Lehrerin versuchte sie immer, ihren Schülern  die Traditionen der "Alten" zu vermitteln und sie gleichzeitig auf die Herausforderungen der heutigen Zeit vorzubereiten, was auch heute noch einem Spagat gleichkommt.

Nach dieser Begegnung stellten wir gemeinsam fest, dass diese alte Indianerin so gar nicht unseren Vorstellungen entsprach. Sie war so authentisch und hat uns sehr beeindruckt und zum Nachdenken gebracht. Als wir danach durch das weite Tal fuhren mit seinen grünen Wiesen und Wäldern, mit der reinen Luft und dem frischen Wasser des Flusses, da  konnten wir ermessen, was diese „First Nation“ ein für allemal verloren hat. All das, war doch ihr natürlicher und angestammter Lebensraum, den sie verloren haben und um den sie noch heute kämpfen müssen.

„Nur wenige sind noch übrig geblieben“, mit diesen Worten habe ich meinen Text und meine Betrachtungen begonnen und meinte damit zuerst das Indianerlager aus meinen Kindertagen. Doch ein Blick in die Geschichte des amerikanischen Kontinents zeigt, dass alle indigenen Völker, Ureinwohner oder wohlwollender ausgedrückt, die „First Nation“ ein ähnliches Schicksal erlitten haben. Nur war ihr Schicksal eben viel grausamer, als das der Indianer aus meiner Spielkiste, denn sie waren Menschen, die getötet wurden und ihr Land verloren haben.

Donnerstag, 2. Juli 2015


Mach mal Pause!


Das ist ein wirklich ernst zu nehmender Aufruf. Oder etwas hochtrabender formuliert, eine „Einladung zum Leben“. Ja, ein Leben ohne Pausen wäre eine schier unerträgliche Last. Darum ist es immer wieder wichtig, seinen Alltag zu unterbrechen und kleine Pausen einzulegen.

Oft ist es schon die innere Uhr, die mir anzeigt, jetzt ist es Zeit für eine Pause. Ganz egal ob ich mit einer anspruchsvollen Arbeit beschäftigt bin oder auf einer langen Autofahrt. Sag einfach mal: „Stopp, jetzt ist es genug, es reicht!“

Wer von früh bis spät pausenlos gefordert ist oder wer sich selbst keine Pause mehr gönnt, der gleicht dem Hamster im Laufrad, das sich ständig dreht und von ihm gedreht wird. Das ist nicht nur für den Hamster auf Dauer ermüdend, sondern kann sogar tödlich sein. So brechen auch Menschen eines Tages zusammen, weil sie meinten, sie brauchten keine Pausen.

„Mach mal Pause“, ist daher nicht nur ein gut gemeinter Rat, sondern eine Notwendigkeit für jeden Menschen. Kleine oder größere Pausen geben wieder frische Kraft und vermitteln einen neuen Blickwinkel auf das bereits Geschaffte. Keiner kann pausenlos schaffen, denken oder auf den Beinen sein. Selbst die interessanteste Stadtbesichtigung ist ohne Pausen einfach nur anstrengend.

Da sind die netten Straßenkaffees und Biergärten in der warmen Jahreszeit eine willkommene Einladung für eine Pause. Bei einer großen Tasse Cappuccino über den Erfurter Domplatz zu schauen, schenkt einen ganz neuen Blickwinkel. Ich komme zur Ruhe und das Leben spielt sich vor meinen Augen ab. So kann ich die Bewegungen, Farben und Formen der Stadt viel deutlicher wahrnehmen, als wenn ich selbst mit dem Menschenstrom dahin getrieben werde.

Pause bedeutet, sich aus der Bewegung, dem Fluss der Zeit auszuklinken. Für einige Minuten frei zu sein von aller Aktivität und dem Zwang, etwas leisten zu müssen. Ein Ausruhen ohne ein schlechtes Gewissen. Wer dazu noch einen angenehmen Pausenplatz findet, der wird reich beschenkt. Pausen strukturieren unsere Arbeit ebenso wie unsere Freizeit. Sie sind Musterunterbrechungen, die uns auf einen neuen Abschnitt unseres Tuns und Lassen einstimmen.

Genau wie in der Musik sind Pausen gestalterische Element. Sie gliedern das Musikstück, geben der Stille einen Raum, sind Momente des Verweilen im Gehörten und erhöhen die Spannung auf das Kommende. In diesem Sinne: „Mach mal Pause!“