Sonntag, 16. Dezember 2018


Der Engel mit dem Cello


Der kleine Engel mit dem Cello hat in dieser Adventszeit seinen Platz auf meinem Schreibtisch gefunden. Ja, er ist mir buchstäblich zugeflogen. Oder besser, ich hab ihn, nach einem Besuch bei Freunden in der letzten Woche, von diesen lieben Menschen geschenkt bekommen. Nun steht er vor mir und ich muss ihn immer wieder anschauen.

Er ist so klein und zerbrechlich. Schon auf dem Weg zu mir nach Hause, ist bei ihm ein kleiner Flügel abgeknickt. Doch schnell ein Tropfen Alleskleber und alles war wieder heil.  
Da kommt mir so ein Gedanke, wäre es nicht toll,  wenn es solchen Alleskleber auch für all die Brüche und Verletzungen bei den Menschen gäbe? Eins, zwei, drei wäre alles wieder heil und in Ordnung. Wie Vieles geht doch täglich im menschlichen Miteinander in die Brüche. Das Allerwenigste davon lässt sich aber so einfach wieder kleben, kitten oder gar heilen. Viele Brüche und Verletzungen belasten manche Menschen ein Leben lang.

Daran muss ich denken, wenn ich auf den kleinen Engel vor mir schaue. Und mir wird dabei bewusst, dass es immer die Kleinen und Schwachen sind, die am meisten verletzt werden. Es sind gerade die, die sich am wenigsten wehren können, oder die es nicht tun, weil sie nicht Gleiches mit Gleichem vergelten wollen. Es sind ausgerechnet diejenigen, die mit Anstand durchs Leben gehen. Das macht sie in der heutigen Zeit und Gesellschaft zu Außenseitern, zu Verlierern. Sie sind verletzlich und schwach. Darum passen sie wohl genau so wenig in diese raue und laute Welt, wie der kleine, zerbrechliche Engel. Und doch gibt es sie. Sie machen den Alltag in ihrem Umfeld etwas friedlicher und heller. Es würde sehr viel in der Gesellschaft fehlen, wenn es sie nicht gäbe. Dabei nehmen sie sich selbst gar nicht so wichtig. Dafür bin ich dankbar.

Und wieder fällt mein Blick auf meinen kleinen Engel mit seinem Cello. Er macht mich aufmerksam, das Kleine und Unscheinbare im Leben nicht zu unterschätzen, sondern zu achten. Auch die leisen Töne gehören dazu. Die kann aber nur der hören, der selbst still wird und lauscht. Es ist jedoch nicht allein das laute Getöse unserer Tage auf den Straßen und Plätzen, sondern es ist der beständige Drang in uns, immer und überall zu reden, zu diskutieren und zu lamentieren. Das lässt uns nicht mehr zur Ruhe kommen. Dieses Karussell der Belanglosigkeiten und Nichtigkeiten dreht sich unaufhörlich und  immer rasanter und führt letztlich zu der permanenten Aufgeregtheit in unserer Gesellschaft, die so häufig beklagt wird. 

Ist es nicht gerade die Adventszeit, die die viel beschworene Stille und Besinnung bringen soll? Doch wie soll das gehen? Sind wir es doch, die zwar ständig über den ganzen Weihnachtsrummel schimpfen, ihn aber selbst mit verursachen? Vielleicht liegt es ja daran, dass wir es gar nicht erst versuchen, einfach mal still zu werden? Es ist doch so viel einfacher, die Gründe für unser Unvermögen und unsere Unlust gleich bei anderen zu suchen. Was wir am meisten vermissen, Ruhe und inneren Frieden, verhindern wir auf diese Weise selbst durch unsere ständige Hektik und Aufgeregtheit.

Der kleine Engel spielt so zart und leise auf seinem Cello, dass wir es kaum oder gar nicht mehr hören. Aber er gibt nicht auf. Dieser lange Atem, diese Ausdauer und die Geduld, fehlen heute viel zu vielen Menschen. Sie jagen der Verheißung nach schnellem Wohlstand und äußerem Glück hinterher und merken dabei nicht mehr, dass sie selbst die Gejagten sind.

Der kleine Engel mit dem Cello auf meinem Schreibtisch hilft mir in dieser Adventszeit, daran zu denken, still zu werden und achtsamer mit mir selbst und mit anderen Menschen umzugehen. Nur so wird es möglich, seine Melodie der Freude und des Friedens aufzunehmen und sie weiterzutragen.




Freitag, 30. November 2018



Abschiedsbrief eines 
Säuglings

Liebe Mama,

Du hast mir das Leben geschenkt. So kam ich in Eure Familie. Natürlich wusstet ihr schon viel früher von meiner Ankunft. Erst war es jedoch eine große Überraschung für euch alle, dann aber wuchsen die Vorfreude und ich auch. Und endlich war ich da. Mit einem Schrei begrüßte ich Euch und die Welt. Ich war aber noch ganz klein, hilflos und zerbrechlich. Behutsam hast Du mich an die Brust gedrückt, hast mich gefüttert und liebevoll umsorgt. Mir fehlte es an nichts. Deine Liebe umgab mich wie eine wärmende Decke. Meinen Schlaf hast du gut bewacht und dich gefreut, wenn ich dann wieder aufwachte und meine Augen öffnete. Dann strahlte dein Gesicht und Du warst so glücklich. Mit der Zeit nahm ich zu und wurde allmählich neugierig, wo ich denn war. Meine kleinen Hände haben angefangen zu greifen und zu tasten. Eure Gesichter lernte ich ganz langsam zu unterscheiden. Wenn ein bekanntes und freundliches Gesicht über meinem Bettchen erschien, belohnte ich es mit einem Lächeln. Dann habt auch ihr euch immer sehr gefreut. Das tat mir gut. Wenn ich weinte, dann warst Du, Mama, gleich zur Stelle und hast mich auf den Arm genommen und getröstet.  Dann wurde ich ganz schnell ruhig und konnte friedlich wieder einschlafen. Ich hab mich in unserer Familie sehr wohlgefühlt. Mama, Papa, Oma und Opa und meine großen Geschwister waren alle für mich da und sorgten für mich. Ihr alle wart meine Familie.

Meine Geschwister nahmen mich gern und oft auf den Arm und haben mit mir rumgealbert. Das hat mir gefallen. Ja, ich hab schon gern geschäkert und geplappert. Gern wäre ich länger bei euch geblieben. Es wäre bestimmt eine ganz tolle Zeit mit euch geworden. Gemeinsam hätten wir noch so viel Schönes erleben können. Der Sonnenschein und der Regen, die Blumen und Blüten, die Vögel und die bunten Schmetterlinge hätte ich noch so gern erlebt. Das alles wären für mich große Abenteuer. Auch das Spielen und Lernen hätte mir sicher viel Spaß gemacht. Ihr hattet bestimmt schon viele schöne Ideen, was wir alles zusammen machen könnten, wenn ich erst größer bin. 

Nun ist es aber so ganz anders gekommen. Plötzlich über Nacht war mein noch so junges Leben einfach vorbei. Ich bin an dem Abend ganz friedlich eingeschlafen. Am Morgen aber  nicht wieder aus dem Schlaf erwacht. Ihr habt nur noch meinen kleinen toten Körper in meinem Bettchen gefunden. Das war ein riesiger Schreck und ein furchtbarer Schmerz für dich, Mama und Papa und auch für euch meine Geschwister. Das war und ist alles noch so unfassbar für Euch und für alle. Da blieb wohl für einen Augenblick die Erde stehen.

Doch lasst euch heute von mir sagen, dass es mir gut geht. Ich hatte keine Schmerzen, als ich fort musste. Ich hab es nicht einmal gemerkt. Was mit mir passiert ist, kann ich gar nicht genau sagen. Auch wo ich jetzt bin, ist mir nicht wirklich klar. Es ist alles so hell und friedlich hier. Mir ist, als ob ich schwebe. Darum seid bitte nicht so traurig! Mir geht es jetzt wirklich gut. Nur dass ihr nicht da seid, das ist nicht schön. Aber ich denke an Euch. Besonders an Dich, Mama, du hast alles für mich getan. Ich war ja ein Teil von Dir. Auch jetzt bleiben wir für immer miteinander verbunden. Ich hab dich und euch alle lieb.

Manche werden euch vielleicht sagen, um euch zu trösten, ich sei jetzt ein Engel im Himmel. Aber ich war doch schon immer Euer kleiner Engel, als ich noch bei euch war. Eurer Sonnenschein und euer kleiner Prinz, wie ihr mich oft genannt habt. Andere meinen deshalb, dass mein fröhliches Lachen am Sternenhimmel zu hören sei, wenn ihr ganz still seid. Das klingt sehr schön. Deshalb schaut am Abend auf zu den Sternen auf und denkt an mich, dann könnt ihr das Flimmern der Sterne sehen und seid mir über die unendliche Weite auf eine ganz eigene Weise verbunden  Aber nur weil der Himmel so dunkel ist, könnt ihr das Leuchten der Sterne sehen. Hell und Dunkel gehören zum Leben der Menschen.  Nur auf dem dunklen Hintergrund seht ihr die Sterne leuchten. Das ist und bleibt ein großes Geheimnis. 

Vielleicht spürt ihr in diesen Augenblicken, dass ich in einer ganz neuen und völlig anderen Weise bei Euch bin. Ich denke gern an euch und ich danke Euch für die sechs Monate, die ich bei Euch in der Familie sein durfte. Es war eine tolle Zeit. Ich wünschte, sie wäre nicht so schnell vergangen und ich könnte noch bei Euch sein. Seid deshalb nicht allzu traurig. Haltet alle gut zusammen, ihr seid doch eine Familie. Da ist einer für den anderen da, wenn er gebracht wird. Bitte denkt an mich und freut Euch, dass ich für eine gewisse Zeit bei Euch sein durfte. Auch wenn ich nicht mehr bei Euch bin, in euren Herzen bleibe ich für immer. 

Es grüßt euch alle ganz, ganz lieb

Euer Baby Tyler

(Dieser Text entstand anlässlich einer Trauerfeier im Monat November 2018 für den sechs Monate alten Säugling Tyler.)

Dienstag, 16. Oktober 2018



Gute Nachrichten

Gute Nachrichten sind selten geworden. Heute gilt eher: „Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht“. 
Das scheint jedenfalls die  Philosophie der heutigen Medienmacher zu sein. Dabei  übertrumpfen sie sich förmlich mit reißerischen Schlagzeilen und Negativmeldungen. 

Positive Meldungen kommen kaum noch vor. Wo aber die guten Nachrichten fehlen, dort entsteht sehr schnell der Eindruck, alle Welt ist schlecht und verantwortlich sind immer die Anderen. Das zieht die Stimmung vieler Menschen tief nach unter. Die Luft ist vergiftet, die Autoindustrie manipuliert, ganz Sachsen ist von Neonazis bevölkert, die Regierung tut nichts, alles wird immer teurer, das Grundwasser ist verseucht, entsetzliche Zustände in der Massentierhaltung und so weiter und so fort. So entstehen leicht Horrorszenarien und daraus folgen Ängste. Ja, das Ausland witzelt schon über diese „German Angst“.

Nach der „Tagesschau“ am Abend habe ich jedes Mal den Eindruck, alles geht zu Ende, Deutschland steht unmittelbar vor dem Abgrund und ich müsste schnellstmöglich auswandern. Aber wohin nur? „Das Böse ist immer und überall“, wie es schon die Band „Erste allgemeine Verunsicherung“ in den 80iger Jahren gesungen hat. Wenn stets und ständig nur der Teufel an die Wand gemalt wird, dann muss sich keiner wundern, wenn im Land der Teufel los ist.

Doch es gibt auch andere, gute Nachrichten, aber eben nicht bei ARD und ZDF, da sitzen Sie lediglich in der ersten Reihe, wie es so schön heißt. Wer stets nur solche Kommentare und Berichte sieht und hört, der weiß am Ende nicht mehr, was er noch glauben soll. Was ist die Wahrheit und was ist bloß Meinung? Da kommen doch bei vielen Konsumenten arge Zweifel auf. Die Macht der Bilder und der Worte ist eine nicht zu Unterschätzende, denn es gibt dabei immer eine gewisse Tendenz sich zu der einen oder auch zur anderen Seite zu neigen. Gute Berichterstattung informiert objektiv und allseitig, vermeidet  Spekulationen, Polarisierungen  und subjektive Wertungen und Abwertungen. Wo und wann erleben wir das noch in unserer medial überfrachteten Welt?

Wie wäre es da zum Beispiel mit wirklich positiven Nachrichten? Wenigsten eine in jeder Sendung, das wäre doch schon ein Anfang. Warum nicht so eine, wie ich sie in den letzten Tagen erhielt. Mein Smartphone meldete sich - eine neue Whats App erschien auf dem Display. Eine Bekannte schrieb mir aus Rom und schickte ein Foto dazu. Sie war Teilnehmerin der größten Wallfahrt nach Rom für Menschen mit Behinderungen. Seit 12 Jahren organisieren die Malteser diese Fahrten. Die Teilnehmer waren für acht Tage gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern unterwegs. Von ihrem Ausflug schrieb mir die Bekannte ganz begeistert: „Sitze im Bus nach Ostia, am Nachmittag zum Lateran. Malteser haben alles toll organisiert. 760 Wallfahrtsteilnehmer aus ganz Deutschland, 20 Reisebusse. Wir fahren im Konvoi mit Polizeieskorte mit Blaulicht. Alle sind auf dem gleichen Gelände untergebracht. Stimmung bestens.“ Und in einer zweiten Nachricht kurz vor der Heimreise hießt es: „Es waren sehr schöne Tage mit vollem Programm. Gestern großer Abschieds- abend bis 24 Uhr mit Tanz.“ Das war ihr überaus positives Fazit, das sie mir mit übergroßer Freude mitteilte.

Eine ganz tolle Aktion. Menschen helfen anderen Menschen. Sie schenken Liebe und Gemeinschaft. Aus der Freude wächst neuer Lebensmut. Auch das ist Deutschland im Jahr 2018. Es gibt so viel mehr Gutes, als wir zu hören bekommen.  Wir erfahren es einfach nicht. Wer entscheidet darüber? Dagegen müssen wir tagelang Berichte über ein Foto von Mesud Özil mit seinem Präsidenten Erdogan ertragen. Durch all diese Wiederholungen  und spekulativen Kommentare werden die Dinge auch nicht wahrer und vor allem nicht besser.

Wäre es nicht gesünder für alle Menschen im Land, über die Dinge zu berichten, die gelungen sind und die Freude gebracht haben?  Da gibt es in unserem Land sicher mehr als genug. Oder Berichte über Menschen, die den Ausgleich suchen und durch ihr Tun auch schaffen? Das wirkt motivierend und würdigt den täglichen Einsatz der übergroßen Mehrheit unserer Menschen für das Gemeinwohl.  Wo kommen denn die „hart arbeitenden Menschen“, von denen der Kandidat Schulz im Wahlkampf so oft und gern gesprochen hat, in der Berichterstattung und im öffentlichen Leben noch vor? Und wo wird ihr täglicher Einsatz von der Politik und den Medien wertgeschätzt? Ist das denn wirklich so schwer? 

Eine gute Nachricht ist und bleibt auch in unserer Zeit eine gute Nachricht und sie ist es allemal wert, weitergesagt zu werden! Danke!


Dienstag, 17. April 2018



Etiketten und was wirklich drin ist

„Was drauf steht, muss auch drin sein!“ Das ist doch das Selbstverständlichste von der Welt, so möchte man meinen. Aber das ist es eben ganz und gar nicht.
Etiketten auf Flaschen, Gläsern und anderen Verpackungen geben in Schrift und Bild an, was diese beinhalten. Genauer, was diese beinhalten sollen. Das lässt sich bei einem Gurkenglas noch recht einfach nachprüfen. Jeder Kunde kann ja sofort sehn, ob wirklich Gurken im Glas sind. Aber es gibt ja nicht nur Gurkengläser. Bei anderen Produkten ist das erheblich schwieriger. Etikettenschwindel hat es wohl schon immer gegeben. Jeder Händler preist seine Ware natürlich als besonders gut und günstig an. Wie sollte es auch anders sein? Mängel werden dabei gern verschwiegen oder geschickt kaschiert. Inhaltsstoffe werden ungenau benannt oder phantasievoll verschleiert. Auch werden Käufer oft durch aufwendige Verpackungen getäuscht oder lassen sich täuschen. Diese sogenannten Mogelpackungen nerven und ärgern die Kunden. Bei anderen Produkten wird heimlich das Gewicht durch Zugabe von Zucker und Wasser unzulässig erhöht. Aufgespritztes Fleisch, wie neulich bekannt wurde, verunsichert die Konsumenten.

„Etikettenschwindel“ - Wie harmlos das doch klingt. Es ist aber nicht nur ein kleiner Schwindel oder ein geschickter Trick. Nein, es ist vorsätzlicher Betrug am Kunden. Mag es sich auch nur um eine geringfügige Manipulation handeln. Alles fängt ja mal klein an. Es wird also mehr versprochen, als gehalten wird. Diese irreführenden und falschen Etiketten gibt es aber nicht nur im Supermarkt oder beim Händler um die Ecke. Auf vielen anderen Gebieten in unserer Gesellschaft treffen wir darauf; in der Wirtschaft, der Kultur, der Politik und im alltäglichen Leben ist mit diesen oder ähnlichen Manipulationen zu rechnen. Denken wir nur an den sogenannten „Diesel-Skandal“, der längst noch nicht ausgestanden ist. Da sind die Käufer schamlos betrogen wurden. Wenn so etwas aufliegt, wird schnell zurückgerudert. Keiner will davon etwas gewusst haben. Harmloser Etikettenschwindel? Nein, bei weitem nicht!

Inzwischen sind wir alle wohl etwas hellhöriger und kritischer geworden. Gott sei Dank und das ist gut so. Doch nun möchte ich, oder besser muss ich, noch auf eine ganz andere Seite des Problems mit den Etiketten zu sprechen kommen. Werden nicht zu Unrecht vielen Menschen von anderen, auch von uns selbst, bestimmte Etiketten aufgeklebt? Klappt etwas nicht in der Gesellschaft, in der Politik oder in der Kirche, dann heißt es gleich, die da oben sind schuld. Zack, Etikett „die-da-oben“ draufgeklebt. Hinterfragt wird das nicht mehr. Hat jemand eine andere Meinung zum Beispiel zu Flüchtlingen, zur Homosexualität, zum Islam oder zu anderen strittigen Fragen, dann bekommt er gleich das Etikette; homophob, islamophob oder heute ganz beliebt, ein Rechter, ein Nazi. Ende der Fahnenstange, Ende der Diskussion. Mit denen reden wir nicht!

Wir müssen aber gar nicht so weit gehen. Wir können gern bei uns selbst stehen bleiben. Jeder von uns hat sicher unbedacht oder gar vorsätzlich einem anderen schon einmal ein bestimmtes Etikett aufgepappt. „Der ist doch arrogant, die ist falsch, dem kannst du kein Wort glauben, der ist ein Lügner, die hat es doch faustdick hinter den Ohren usw.“ Mit solchen Etikettierungen gehen wir oft sehr fahrlässig um. Ohne den anderen Menschen wirklich zu kennen, nur nach dem äußeren Augenschein geurteilt, werden Menschen in eine bestimmte Schublade gesteckt, Etiketten drauf und fertig. Diese vorgefassten Meinungen verbreiten sich wie im Flug und liegen oft ein Leben lang auf demjenigen wie ein Fluch. Der ist doch rechts, der ist links. Es zählt nicht mehr, was der andere wirklich denkt und meint oder auch tut. Er hat sein Etikett weg und fertig.

Wie war das doch gleich, was draufsteht, muss auch drin sein! Das herauszufinden, ist manchmal ganz schön anstrengend. Und jede vorgefasste Meinung vom anderen ist da sehr hinderlich. Falsche Etiketten, die wir anderen anhängen, schaden nicht nur seinem Ruf, sondern können im schlimmsten Fall seine ganze Existenz ruinieren.

Der Umgang mit der Wahrheit ist also ein sehr weites und oft schwieriges Feld. Was ist Sein und was ist nur Schein? Ja, auch das gehört zum Thema. Manche Menschen kleben sich nämlich selbst ein Etikett auf: Menschenfreund, Demokrat, Wohltäter, Freund und Vertrauter. Sie schmücken sich mit positiven Titeln, um zu beeindrucken und zu täuschen. Da geschieht gleichermaßen in der großen Politik, wie im persönlichen Familien- und Bekanntenkreis. Aber auch das ist  Augenwischerei, ja Etikettenschwindel, um andere zu täuschen. Dahinter verbergen sich nämlich sehr häufig ganz andere, sehr eigennützige Ziele und ein genau berechnetes Kalkül, um die eigenen Interessen durchzusetzen.   

Wie schwer ist es schon festzustellen, ob die Qualität der Ware dem entspricht, was das Etikett vorgibt. Aber noch schwieriger ist das wohl bei anderen Menschen. Die Gurken im Glas kann ich noch recht gut erkennen, was aber ein anderer Mensch wirklich denkt und fühlt, das bleibt im Dunkeln, ganz gleich welches Etikett er auch immer trägt. Ob es ein raffinierter Selbstdarsteller und Schwindler ist oder ein Mensch, der von anderen bösartig mit einem negativen Etikett versehen wurde, das ist nicht leicht zu unterscheiden. Wer er wirklich ist und was in ihm steckt, zeigt sich aber deutlich an seinem Tun. Nicht das Etikett ist entscheidend, sondern die Qualität der Ware und im Leben sind es die Taten der Menschen. Darum fallen Sie nicht auf solche Mogelpackungen herein. Bleiben Sie also vorsichtig, kritisch und wachsam!

Also egal, ob Gurkenglas oder Mitmensch: „Was draufsteht, muss auch drin sein!“ Sonst lieber Finger weg!

Dienstag, 27. März 2018



Gedanken beim Fenster putzen…

Nach den langen, nasskalten Tagen scheint endlich die Sonne. Sie steht im März noch ziemlich tief und trifft dabei genau unsere Fensterscheiben. Oh Schreck, jetzt sieht man erst richtig, wie schmutzig diese über die Winterwochen geworden sind. Der Staub der Straße, gemischt mit der Luftfeuchtigkeit, hat seine grauen Schlieren und blinde Stellen auf den Scheiben hinterlassen. Dazu der Ruß aus den immer beliebter werdenden Kaminöfen. Manchmal riecht es inzwischen im Viertel schon wieder wie zu DDR-Zeiten, als fast alle Haushalte noch mit Kohle heizen mussten.

Da heißt es jetzt, Ärmel hochkrempeln und dem Schmutz mit Wasser, Lappen und Kärcher zuleibe rücken. Schon nach kurzer Zeit blinken die ersten Scheiben wieder wie neu. Die Zimmer wirken gleich viel heller und freundlicher.

Wie einfach es doch ist, denke ich mir, den äußerlichen Schmutz zu beseitigen. Man muss es nur wollen. Am Willen aber, etwas zu verändern, scheint es im Großen wie im Kleinen sehr häufig zu fehlen. Man ist sich zwar einig, die Umweltverschmutzung und die dadurch hervorgerufenen Belastungen für Mensch und Natur muss verringert werden, aber über das Wie und Wann entbrennt immer wieder Streit. Die einen schieben es auf die anderen und nichts ändert sich.

Der Blick auf andere Menschen und ihre Meinungen wird immer enger, eingeschränkter und abschätziger. Die eigene Meinung und nur die, ist stets richtig. Da ist plötzlich jeder ein selbsternannter Experte und das auf allen Gebieten. Kritik wird zur Einbahnstraße und gilt nur für andere. Der Umgangston wird  dabei ganz schnell unflätig, beleidigend und häufig tief verletzend. 

Mir scheint, wir haben da ein riesiges  Problem in unserer Gesellschaft, denn wir haben nicht nur eine erhebliche Umweltverschmutzung, sondern das viel größere Problem ist die zunehmende „Innenweltverschmutzung“. Denn aus dem Inneren der Menschen, wie sie denken, reden und urteilen, sprich verurteilen, daher kommt so unendlich viel Schmutz und Gift in das Leben. Und dieser Unflat  wird ungeniert und bösartig über Andersdenkende  ausgekippt. Diesen rüden Angriffen kann sich kaum einer entziehen. Es ist ja auch so leicht, seine Giftpfeile aus dem Hinterhalt vernichtend auf einen anderen abzuschießen. In Wort und Bild werden immer öfter andere Menschen diffamiert. Die Verrohung der Sprache schreitet dabei rasant voran. Die Fäkalsprache ist inzwischen fast salonfähig geworden. Das Unglück Betroffener wird schadenfroh beklatscht und die Retter beschimpft und behindert. Der Schmutz kommt also zuerst von innen, weil die Wertschätzung der Menschen in ihrem Anderssein fehlt. 

Dazu kommen Halbwahrheiten und plumpe Lügen, die als „fakes news“ rasant über die Medien verbreitet werden. Wie eine Schmutzflut breiten sie sich aus und zerstören dabei die Existenz anderen Menschen. Wer heute noch bejubelt wird, der wird morgen schon in aller Öffentlichkeit zerrissen. 

Das Erschreckende für mich ist daran, dass scheinbar kaum jemand sich Gedanken macht, gegen diese innere Verrohung etwas Positives zu setzen. Scheinbar ist da ein gutes Geschäft mit negativen Schlagzeilen zu machen. Wie soll eine Gesellschaft aber die großen Fragen und Probleme der Welt und der Menschheit in den Griff bekommen, wenn die blinden Flecken und die Verschmutzungen im Inneren der Menschen nicht mehr erkannt werden und so immer mehr den Blick auf das Gute verhindern? Eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, die inzwischen vehement beklagt wird, ist doch wohl die Folge einer solchen „Innenweltverschmutzung“. 

Mir hat der Schein der Märzsonne die blinden Flecken auf den Fensterscheiben und die Verschmutzung deutlich sichtbar gemacht. Nach kurzer Zeit waren die Fenster wieder sauber und alles erschien in einem neuen Licht. 

Doch meine Fragen bleiben. Und ich denke, wenn es doch bei den Menschen auch so einfach wäre?  Aber eine schlüssige Antwort habe ich  noch nicht gefunden. Ich muss sicher noch öfter Fenster putzen und dabei darüber nachdenken.