Samstag, 30. November 2013

Freude im Advent


Ungefähr 800 Jahre vor Christi Geburt, in einer Zeit des wirtschaftlichen und politischen Niedergangs, rief der Prophet Jesaja seinen Landsleuten in Juda und Jerusalem zu: „Freut Euch!“ Selbst die Natur, die dürre Steppe und die Wüste sollten sich freuen, aufblühen und jubeln, so heißt es dort. Seither ist dies der Aufruf im Advent für alle Zeiten und an alle Menschen geworden. Gerade wenn sittlicher und sozialer Abbau bestimmend werden, wenn die Menschen oft nur noch Schwarz sehen, wenn die Freude schwindet und Tristes den Alltag bestimmt, dann kann dieser Ruf Mut machen und uns aufwecken. Die Botschaft ist einfach, keiner muss länger im Dunkeln sitzen und jammern, denn es gibt immer und überall Gründe zur Freude. Daran will uns der Advent erinnern. Jesaja hat es geschafft, den Menschen seiner Zeit diese Hoffnung wiederzugeben. Als Prophet war er kein „Hellseher“, aber auch kein „Schwarzseher“. Er war ein Mensch mit einer Vision. Die Zeichen seiner Zeit hat er den Menschen gedeutet und ihnen neuen Mut gemacht. Solche Menschen wie Jesaja wären heute wichtig. Unsere Zeit braucht wieder Persönlichkeiten und Medien, die nicht schwarz malen  und Schreckensszenarien entwerfen, sondern die das Positive verstärken und Mut machen. Manches ist  in unserem Land in den zwischenmenschlichen Beziehungen ausgetrocknet und verkümmert. Wir wissen es alle, der Umgangston ist  rauer geworden, die Menschen sind gestresst und überfordert.  Es wird aber für keinen besser, wenn wir uns durch rüdes Verhalten das Leben gegenseitig noch schwerer machen.
Wo nehmen wir nun die Kraft und die Freude her? Wer hilft uns, die Freude neu zu entdecken? „Freut Euch“, das klingt gut, doch wie soll das gehen? Ganz einfach: fangt klein an! Es sind doch nur die kleinen Dinge, die wir tun können. Die ersten Schritte, die wir gehen müssen. Der Advent ist dafür eine gute Gelegenheit. Zuerst müssen wir umdenken, denn jede Veränderung beginnt im Kopf und im Herzen. Hier stellt sich die Frage, welche Sichtweise wir auf die Dinge haben. Ist für mich das Glas halb leer oder halb voll? Mit einem positiven Blick auf das Leben kann ich mich schon über kleine Dinge freuen und Freude schenken. Wer optimistisch denkt und fühlt, lebt gesünder und länger, denn eine medizinische Diagnose lautet: „Pessimismus hat einen nachteiligen Einfluss auf den Blutdruck und den Verdauungsapparat“.
Wenn das kein zusätzlicher Grund ist, hoffnungsvoll und froh zu sein. Warum noch länger freudlos und unzufrieden in der „Dunkelkammer“ unseres Alltags sitzen und ein „Negativ“ nach dem anderen entwickeln? (Für jüngere Leser: Das ist ein Vergleich aus der Fotografie, als die Filme noch entwickelt werden mussten)  Gehen wir also aus uns heraus und auf  andere zu! Die Tage im Advent sind dazu reich an Gelegenheiten, einander zu überraschen und froher zu machen. Genießen wir den duftenden Glühwein und laden einen Freund dazu ein. Kleine Pausen im Alltag so sind wichtig, sie geben neuen Schwung. Die Freude wird uns geschenkt und wenn wir sie mit anderen teilen, wird sie nicht weniger, sondern mehr!
Freude und Lachen sind gesund und kosten kein Geld. Denken wir daran, jeder Tag, an dem wir nicht gelacht haben, ist ein verlorener Tag. Darum: „Freut Euch!“

Ihnen und Euch allen wünsche ich eine gesegnete Adventszeit und weiterhin Freude beim Lesen meines Blog´s! Danke auch für so manche Rückmeldung und Ermutigung!  D. Letzner


Mittwoch, 27. November 2013

Ausruhen am Ende des Tages


Zwei alte Menschen am späten Nachmittag des Tages auf ihrem einfachen Balkon am Giebel ihres Hauses. Das Haus steht am Hang eines portugiesischen Bergdorfes in der Serra da Estrela. Der Blick der beiden geht von der Höhe in das Flachland hinunter. Hier können sie ihre Augen weit schweifen lassen. Das tut ihnen gut. Sie brauchen ja nicht mehr viel. Ein wenig Zeit zum Ausruhen. Ohne Worte verstehen sie sich schon lange. Da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Auch heute nicht. Die Arbeit des Tages ist erledigt. Der morgige Tag bringt schon wieder von ganz allein, die neuen Aufgaben, die getan werden müssen. 
Warum sich also noch großartig Gedanken machen? Über so viele Jahre sind sie nun schon zusammen. Die Kinder sind längst aus dem Haus. In der großen Stadt und sogar im Ausland haben diese ihr Glück gesucht und gefunden.  Weit weg von ihrem Dorf. So weit weg, wie die beiden Alten in ihrem ganzen Leben nicht gekommen sind.
Ob ihre Gedanken gerade bei den Kindern und Enkeln sind? Möglich wäre es. Jedenfalls begleiten ihre Gedanken und Bitten diese überall hin. Es sind gute Gedanken, die sie aussenden, damit daraus für die anderen Gutes wird. Mehr können und müssen sie nicht mehr tun. Sie selbst sind zufrieden. Ihr ganzes Leben waren sie genügsam und darum hatten sie immer genug. So waren sie reich auf ihre Weise, weil sie arm waren an überzogenen Ansprüchen.
Die Arbeit war hart im Wald und auf den kleinen steinigen Feldern am Berghang. Die Wege waren schmal und steil, ach wie oft mussten sie diese zurückgelegen.  Viele Jahrzehnte Arbeit und Mühe haben ihr Leben geprägt. Ebenso karg wie das Gebirge war auch ihr Leben. Nun neigt sich nicht nur der Tag seinem Ende zu, sonder auch ihr Lebensabend hat längst begonnen.
Gelassenheit, stille Freude und Zufriedenheit, meine ich auf ihren Gesichtern zu sehen. Sie sind einen langen Weg miteinander gegangen, nun können sie ohne schlechtes Gewissen dort oben sitzen und ausruhen. Die Stille der Bergwelt hat sie geprägt und selber still und dankbar werden lassen.
So können sie wohl den Tag hinter sich lassen und alles aus den rauen, abgearbeiteten Händen geben. Zuletzt auch ihr eigenes Leben, ja dann, wenn der letzte Abend sich neigt und die Nacht des Todes sie umfängt.

Sie haben ihr „Lebenshaus“ wohl bereitet. Lebenssatt, nicht lebensmüde sitzen nun sie dort oben auf ihrem Balkon und schauen in die Weite. Wann sie endgültig gehen müssen und wer von ihnen  zuerst gehen wird, das liegt nicht in ihrer Hand, das überlassen sie einem ANDEREN. Solange aber werden sie still und zufrieden beieinander bleiben, die Ruhe genießen und dankbar auf den kommenden Tag warten. 

Montag, 25. November 2013


„Ich koch dann mal für uns“

Ist Deutschland nur noch ein Land der Gaumenfreuden, der Schlemmer und Genießer? Es gibt ungezählte Kochsendungen und sogar eine Küchenschlachten in den Programmen der deutschen Fernsehsender und das zu allen Tages- und Nachtzeiten. In kaum einem Film fehlt der Satz, in dem „Er“ nicht zu „Ihr“ sagt: „Schatz, heute Abend koch ich für uns“.
Der moderne Mann steht dabei ganz selbstbewusst am freistehenden Herd in der Designerküche  und bereitet das Essen vor. Ihm dabei zuzusehen, ist schon ein eigenes Event, denn jeder Handgriff wird regelrecht zelebriert und kommentiert. Dabei immer ein Schlücken aus dem überdimensionierten Weinglas. Oh, wie süffig!
Den entsprechenden Wein für den Abend hat er natürlich, gut temperiert, bereitgestellt. Die Tischdekoration ist geschmackvoll arrangiert. Bei „candle ligth“ und Musik wird nun das „perfekte Dinner“ aufgetragen. Beginnend mit einem Annanas-Carpaccio mit Bountry-Sahne gefolgt von einem Apfel Curry-Süppchen, Chateaubriand mit Speckböhnchen, Macaire-Kartoffen und Sauce Bearnaise als Hauptgang, danach als Dessert Panna cotta an Himbeer-Gelee. Da läuft einem doch regelrecht das Wasser im Mund zusammen.

Ich aber muss ehrlich gestehen, ich gehöre noch zu der Spezies Mann, der sich gerade mal ein paar Spiegeleier braten kann und dazu einen Kaffee aufbrüht. Natürlich habe ich nichts gegen schmackhaftes und leckeres Essen und einen guten Wein. Doch ich frage mich wirklich, woher kommt eigentlich dieser Kult, der heutzutage ums Essen und Trinken gemacht wird? In gewissen Kreisen fällt man ja schon unangenehm auf, wenn man nicht weiß, was z. B. Macaire-Kartoffeln sind. Ehrlich, wissen Sie es? Sie müssen nicht lange suchen, ich hab das für Sie schon mal getan. Das sind von beiden Seiten gebratene kleine Katroffelküchlein, die aus der Masse von gekochten Kartoffen geformt werden. Auf weitere Feinheiten dazu verzichte ich der Einfachheit halber an dieser Stelle.
Natürlich lassen dann die Weinexperten auch nicht lange auf sich warten. Mir brummt schon bald der Kopf, aber nicht vom Wein, sonder davon, was manche darüber alles wissen. Da bestelle ich mir doch lieber das nächste Mal ein Bier.
Man sagt zwar: „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“. Das stimmt, aber allzu oft geht dabei der Umfang auseinander. Und noch etwas fällt mir dazu ein, wenn der Satz, „Liebe geht durch den Magen“, stimmt, dann müssten wir doch in Deutschland in einem der friedlichsten und liebenswertesten Ländern dieser Erde leben.
Wer in den nächsten Tagen und Woche über die „Weihnachtsmärkte“ schlendert, wird überall durch den verführerischen Duft aus den unterschiedlichsten Buden zum Essen und zum Trinken animiert.  Es wird ganz sicher wieder reichlich Fettiges und Süßes konsumiert. Überall sehe ich genüsslich kauende Menschen mit zufriedenen Mienen.  Da denke ich mir, ob da nicht System dahinter steckt?  Das bewährte  Prinzip der alten Römer: „Brot und Spiele“. 

Denn, wer ständig unterhalten und berieselt wird und stets im Überfluss zu Kauen hat, der wird ansonsten seinen Mund halten. Na, dann guten Appetit und wohl bekomm´s.

Samstag, 23. November 2013

„Von der Gefährlichkeit, einen Fehler nicht einzugestehen“

Das ist der Titel einer Fabel von Kurt Kauter, deren Inhalt ich hier gekürzt und mit meinen eigenen Worten wiedergeben möchte, weil ich meine, er trifft einen Nerv unserer Zeit.
Da stoßen also zwei Pinguine auf ihrem Weg durch das ewige Eis zusammen. Höflich wie sie sind, entschuldigen sie sich vielmals und machen sich miteinander bekannt. Sie beschließen, ihren Weg gemeinsam fortzusetzen. Dabei erhofft sich jeder von ihnen im Geheimen, so sein Ziel schneller und sicherer zu erreichen, denn beide sind total blind. Keiner der beiden möchte aber aus falschem Stolz diesen seinen Fehler eingestehen. Einer verraut nun dem anderen völlig „blind“ und meint, dass dieser den richtigen Weg schon sehen kann. Gemeinsam, nichts von der Blindheit  des je anderen  ahnend, schreiten sie auf die gähnende Gletscherspalte zu.  
Das ist nicht nur ein fataler Fehler, sonder das kann sogar das Leben kosten.  Wer gesteht aber schon offen und ehrlich einem anderen gern seine Fehler ein? Besonders den Fehler seiner eigenen Blindheit, seines Unvermögens. Jeder meint doch, den Durchblick zu haben und den  richten Weg im Leben zu kennen.
Heute machen sich die Menschen oft etwas vor.  Sie wollen vor den anderen fehlerfrei und perfekt erscheinen. Dafür wird auch einiges getan und manches geschönt. Leider fallen  immer wieder andere darauf rein. Einen Reinfall gibt es nämlich immer dann, wenn ein „Blinder“ einen anderen „Blinden“ führt.  Dabei fallen beide in den Abgrund.
Dürfen  wir also jemandem blind vertrauen? Oder stimmt es, wenn es da heißt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Kein Mensch ist ohne Fehler. Deshalb ist auf jeden Fall ein gesunder Menschenverstand angebracht, wenn sich jemand nur glatt und perfekt präsentiert. Blumigen Versprechungen einfach zu glauben, ohne nachzufragen, ist kein Vertrauen, sondern Dummheit. Ob in der Politik, der Gruppe oder im privaten Miteinander ist immer auch ein gesundes Misstrauen wichtig. Denn es gilt: „Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten werdet ihr sie erkennen“. Schöne Worte werden heute ja überall viele gemacht. In der Werbung, in der Politik und anderswo.
Ausgesprochen ehrlich war da wohl jener Politiker, der in seiner Wahlrede sagte: „Ich verspreche Euch nichts, und das halte ich auch!“
Wir wissen ja selbst, was aus den Versprechungen der Finanzwelt in den letzten Jahren, aus den großen Renditen und Gewinnen geworden ist. Wie viele Träume sind da zerplatzt und zurück blieb ein nicht enden wollender Albtraum.
Andere Menschen kompetent und ehrlich zu beraten, zu begleiten und zu führen ist eine Herausforderung und erfordert ein großes Verantwortungsbewusstsein. Wer führen will, muss es wollen, aber auch können. Er muss den Weg besser kennen als der, den er führen soll. Verantwortungslos zu führen, führt ganz schnell in tiefe Abgründe.
Die heutigen Menschen schauen sehr aufmerksamer hin und fragen nach, ob Worte und Taten auch übereinstimmen. Wo auch nur der geringste Eindruck entsteht, es werden Fehler vertuscht und beschönigt, da entsteht ein enormer Vertrauensverlust und die Glaubwürdigkeit ist verspielt. Alle Institutionen haben damit ihre eigenen Probleme. Wer aber beansprucht, die Wahrheit zu haben, der muss sie auch leben.
Der schlimmste Fehler ist der, den man nicht offen und ehrlich zugibt. Zu den eigenen Fehlern zu stehen, bewahrt vor dem Absturz in die Tiefe und ermöglicht einen echten Neuanfang.


Mittwoch, 20. November 2013

„Der Umwelt zuliebe"

war ich gerade an der „Gelben Tonne“. Wir trennen nämlich ganz säuberlich Papier und Pappe, weiße, braune und grüne Flaschen und Gläser. Der Restmüll kommt in die „Graue Tonne“, der Biomüll in die „Braune Tonne“. Auf den Straßen der Stadt und vor den Häusern sieht das oft nicht gerade schön aus, aber „alles der Umwelt zuliebe“.
Wir wissen ja alle, dass unsere Welt, in der wir leben, vielfältig bedroht ist. Wasser, Luft und Erde sind weltweit durch eine enorme Umweltverschmutzung stark beeinträchtigt. Klimaerwärmung, Ozonloch, Smogalarm das sind nur einige wenige Vokabeln, hinter denen eine bedrohliche Wirklichkeit steht. Zwar können dank enormer Anstrengungen und neuer Technologien Fortschritte auf dem Umweltsektor verkündet werden, aber dass darf uns nicht darüber hinweg täuschen, dass, wenn es darauf ankommt, immer noch die Ökonomie über die Ökologie triumphiert.Andererseits haben die Wirtschaft und der Handel auch entdeckt, dass sich mit Waren aus einem so genannten ökologischen Anbau und mit Naturprodukten gute Geschäfte machen lassen. Mit immer neuen Gütesiegeln wird dafür kräftig geworben.
Wo aber der Umweltfaktor sich zu stark auf den Markt und die Gewinne auswirkt, finden die Wirtschaftsunternehmen immer wieder Lücken im System, um so die Auflagen zu umgehen. Emissionshandel und Sonderpreise für Energie in bestimmten Industriezweigen sind da nur zwei Stichworte.
Es stellt sich nun die Frage, was oder besser wer gefährdet und bedroht denn eigentlich die Umwelt, also die Welt, in der wir alle leben? Das zuvor Gesagte nimmt die Antwort bereits vorweg, es sind die Menschen selbst. Die Spezies Mensch allgemein und der Einzelne ganz konkret. Albert Einstein formulierte es so: „Das Problem ist heute nicht die Atombombe, sondern das Herz des Menschen.“ Was er damit meint ist, dass der grenzenlose Egoismus der Menschen das Grundübel aller Missstände auf dieser Erde ist. Wenn ethische Werte und Normen hinter der Gewinnmaximierung zurück treten, dann hat die Umwelt nur geringe Chancen. Wir können deshalb von einer gravierenden „Innenweltverschmutzung“ ausgehen.
Und um in der technischen Diktion zu bleiben, meine ich, dass der Mensch, der seelisch schon so „kontaminiert“ ist, keine Skrupel mehr hat, bewusst die Umwelt zu gefährden, wenn es ihm nützt oder einfach bequemer ist. Dort wo der Mensch sich selbst zum Maßstab macht, wird er keinen anderen mehr anerkennen. In einer Gesellschaft, in der die Autonomie und die uneingeschränkte Freiheit des Einzelnen über alles gesetzt wird und scheinbar das Ziel ausgeben ist, alle sittlichen Tabus zu brechen, muss man damit rechnen, dass es zu solcher Verschmutzung der Umwelt aber besonders der „Innenwelt“ der Menschen kommt. Beispiele dafür gäbe es zur Genüge. Jeder kennt sie und mancher leidet vielleicht selbst darunter.

„Der Umwelt zuliebe“ ist sicher ein richtiger Aufruf an uns alle, doch es wird ein hilfloser Versuch bleiben, wenn nicht darüber steht: „Dem Menschen zu liebe!“

Montag, 18. November 2013

Ein Schmetterling im November


Gestern entdeckte ich einen Schmetterling an unserer Hauswand. Es war ein  recht kalter Novembertag. Die Kälte hatte ihn träge und unbeweglich gemacht. Er hatte noch einmal seine Flügel weit ausgebreitet und sie für die letzten Sonnenstrahlen geöffnet, die ihm noch etwas Wärme geben sollten.
Das war für  mich ein trauriges Bild, denn unsere Vorstellung vom Schmetterlingsleben ist wohl eine ganz andere. Sie flattern farbenprächtig und so leicht im Sonnenschein über die bunt blühende und duftende Sommerwiese. Auf  den schönsten Blüten lassen sie sich nieder und genießen  ihr Leben. Dann flattern sie einfach weiter Es ist eine wahre Freude, den Schmetterlingen zuzusehen. Sie tanzen buchstäblich einen Sommer lang ihr Leben. Ob sie auch ahnen, wie kurz es ist?
Diese scheinbar unbeschwerten und flatterhaften Wesen wecken in uns die Sehnsucht nach dieser Leichtigkeit und der Lust am Leben. Wir dagegen fühlen uns häufig schwerfällig und gefesselt an unsere alltäglichen Aufgaben. So manche Verantwortung für uns und das Leben anderer lastet auf uns. Vielen Dingen können wir einfach nicht  entfliehen und es kommt täglich Neues dazu. Das auszuhalten ist für manche schwer.
Doch es bleibt  wohl für  immer ein Traum, sich wie ein  Schmetterling in die Lüfte zu erheben und dem Sonnenlicht entgegen zu fliegen. Einfach einmal alle Sorgen hinter uns zu lassen und ganz frei zu sein.
Unsere Welt ist die Erde, dort wo jeder hingestellt wurde, dort soll er mit beiden Füßen fest auf dieser stehen. Hier dürfen wir anpacken und Gutes wirken. Einer für den anderen da sein. Nur so kann und wird das Leben der Menschen gelingen.  Nicht abgehoben und fernab aller Wirklichkeit. Dazu gehört der Mut des Alltags, immer wieder neu zu beginnen.
Nun ist der Schmetterling an der Hauswand verschwunden. Still ist er gegangen. Er wusste nicht, dass sein Leben kurz ist, aber er konnte trotzdem Freude bringen. Wenn die Schmetterlinge im Herbst sterben müssen, wissen wir, dass es im nächsten Sommer wieder herrlich bunte Schmetterlinge geben wird. Denn aus den Raupen werden nach der Entpuppung wieder wunderschöne Schmetterlinge.
Damit ist der Schmetterling zum Symbol für alles Werden und Vergehen geworden. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat es in einem Gedicht einmal so formuliert:

Wenn die Raupen wüssten, was einmal sein wird,
wenn sie erst Schmetterlinge sind,
sie würden ganz anders leben:
froher, zuversichtlicher und hoffnungsvoller.
Der Tod ist nicht das Letzte.


Der Schmetterling ist das Symbol der Verwandlung,
Sinnbild der Auferstehung.
Das Leben endet nicht, es wird verändert.
Der Schmetterling erinnert uns daran,
“dass wir auf dieser Welt nicht ganz zu Hause sind”.



Freitag, 15. November 2013

Balance am Hochseil und anderswo 

Es ist gut, wenn ein Mensch alle seine Sinne beisammen hat. Dazu gehört auch der Gleichgewichtssinn oder die Balance. Erst wenn dieser Sinn gestört ist, merkt man, wie wichtig er ist, um nicht zu torkeln oder gar zu fallen. Das Gleichgewicht zu halten ist sehr wichtig, ob hoch oben am Hochseil über dem Wasser oder einfach auf den unebenen Wegen meines Alltags. Schon die kleinste, einseitige Verlagerung des Gewichts bringt alles zum Kippen und das mit fatalen Folgen.
Das gilt im übrigens für alle Bereiche unseres Zusammenlebens. Angefangen bei unserer  Ernährung, wo es stets um die rechte Ausgewogenheit der Nahrung geht.  Was und wie viel ich davon esse, entscheidet übermein körperliches Gleichgewicht.
Auch bei der Berichterstattung in den Medien muss das rechte Maß zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten des Einzelnen gewahrt bleiben. Dazu gehört eine sorgfältige und objektive Recherche, damit jede Einseitigkeit vermieden wird, die schnell zu Vorverurteilungen  führen kann.
In der Wirtschaft darf es zu keiner Verzerrung der Wettbewerbsfähigkeit  kommen, die bestimmte Firmen und ganze Industriezweige in den Konkurs treiben.
Ganz besonders sensibel  ist das Verhältnis der Völker zu einander, da führt jede Störung  sofort zu einer Schieflage und einer Gefährdung des friedlichen Miteinanders.  Deshalb wurde Jahrzehntelang, während des „kalten Krieges“, sehr darauf geachtet, dass die Doktrin der „balance of power“, das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Ost und West gewahrt blieben.
Eine weitere große Gefährdung droht der gesamten Menschheit und der Erde, wenn das ausbalancierte Systems des Klimas, z. B.  durch den erhöhten Ausstoß von CO² Gasen negativ beeinflusst wird. Denn überall, wo der Mensch einseitig regulierend, nur am Profit  orientiert,   in die Natur eingreift,  wird das Gleichgewicht zerstört. Stichwort:  Naturkatastrophen als Folge der Klimaerwärmung!
Unabsehbar sind die Folgen, wenn bei den Fragen um ethische Werte, die Gewichtung nach eigenen, oft sehr subjektiven  Vorstellungen einzelner oder bestimmter Lobbygruppen, verschoben wird. Die daraus entstehenden  Haltungen, können langfristig zu menschlichen „Fehlhaltungen “ führen.
Schon vor über 50 Jahren heißt es in einem Konzilstext: „Die Störungen des Gleichgewichtes, an denen die moderne Welt leidet, kommt aus den Herzen der Menschen selbst. Alles, was in Wirtschaft, Staat, Gesellschaft, in Kultur und Medien aus der Balance ist, hat seine Ursachen in der Unausgewogenheit, in der Unwucht des Herzens.“
Dieser Text trifft es punktgenau, es sind nicht die gesellschaftlichen oder andere Verhältnisse, mit denen heute vieles begründet wird, sondern es sind die Menschen selbst, die das Gleichgewicht auf der Erde gefährden und die strukturelle Ungerechtigkeit verursachen.

Deshalb geht es nicht darum, dass die "Anderen" etwas ändern, sonder dass jeder einzelne etwas tut und tun kann. Das Ziel muss sein, für sich das rechte Maß zu finden und die Balance zu halten oder sie wieder zu erlangen.

Donnerstag, 14. November 2013


Lass ein Lächeln Deine Antwort sein…


Sind wir wirklich  schon so arm geworden, dass sich viele Zeitgenossen nicht einmal mehr ein Lächeln leisten können? Geschweige denn ein frohes Lachen, aus dem die Freude am Leben spricht.
Auf meinen Wegen durch die Stadt oder durch die Geschäfte sehe ich häufig freudlose und angespannte Gesichter. Ein freundliches Gesicht begegnet mir sehr selten. Vielleicht fällt es deshalb umso mehr auf und wirkt unwillkürlich ansteckend. Genau so wie ein fröhliches Kinderlachen.
Es erscheint mir sogar so, als ob die Gesichter der Menschen zu Masken erstarrt wären. Für jede Gelegenheit das entsprechende Gesicht. Dem Untergebenen wird eine verächtliche Miene gezeigt, dem Mitarbeiter das aalglatte Gesicht, hinter dem alles Persönliche verborgen bleibt, der verbissene und aggressive Gesichtsausdruck hinter dem Steuer im Straßenverkehr  macht sofort deutlich, mit dem ist nicht zu spaßen, komm ihm nicht zu nahe. Selbst zu Hause wird ein Pokerface aufgesetzt, das signalisiert, habe alles im Griff, fragt mich nicht! Bloß keine Schwäche zeigen, ob privat oder im Geschäftsleben. Wer zuviel von sich Preis gibt, ist schon verloren. Schwäche gibt es nur bei den anderen.
Die Menschen sind demnach nicht nur „ärmer“ geworden, sondern auch sehr berechnend. Fast immer steht das Geld im Vordergrund und bestimmt das Handeln. Viele verdienen heute mehr, aber sie dienen einander nicht mehr. Keiner will zu kurz kommen. Alles muss sich rechnen. Obwohl jeder weiß, dass Geld allein nicht glücklich macht, jagen fast alle ihm nach. Aber mit Geld allein, ist der Mensch keinen Cent wert. Was wirklich zählt, ist das einfache menschliche Handeln, der freundliche Umgang miteinander, gerade  dort wird aber gespart.  Es fehlt sooft an genügend Zeit füreinander, an Verständnis und  Toleranz, an Wärme und Geborgenheit, an Liebe und Freude. Denn daran sind die Menschen heute viel ärmer geworden.
In der Politik und der Gesellschaft wird nach den ganz großen Lösungen gesucht: Abbau der Arbeitslosigkeit, soziale Absicherungen jeder Art, Mindestlohn usw. Man meint, alles sei machbar, jedes Problem könnte mit genügend Geld gelöst werden. Wer aber nur auf Geld setzt, verarmt in seinem Menschsein. Die freudlosen Gesichter der Menschen sprechen davon Bände.

Der Blick in ein lachendes Kindergesicht zeigt uns ganz deutlich, dass es im Leben noch viel Wichtigeres und Schöneres gibt. Und es stimmt wirklich, was einmal ein weiser Mensch gesagt hat und was unser Leben wirklich reicher macht: „Der kürzeste Weg zwischen den Menschen ist ein Lächeln“. Das aber kann keiner kaufen, sondern nur geschenkt bekommen oder selbst verschenken. Und wie es ein Wort von Mutter Teresa ausdrückt: „Ein Lächeln ist der Anfang der Liebe“.  Die aber ist der größte Schatz unseres Lebens. Lass ein Lächeln Deine Antwort sein.

Mittwoch, 13. November 2013

An der Ampel und anderswo


Menschen haben es immer eilig. Die Fußgängerampel steht auf „Rot“. „Signal kommt“, leuchtet auf. An beiden Seiten der Straße wird die Traube der Wartenden immer größer. Angespannt blicken alle auf die Ampel, um gleich loszulaufen, wenn diese  auf „Grün“ springt. Das Hasten geht weiter.
Plötzlich taucht in der entgegenkommenden Fußgängergruppe  ein bekanntes Gesicht auf. Nur ein flüchtiger Blick im Vorübergehen. Ein kurzer Gruß, ein Winken mit der Hand. Zu mehr reicht es nicht. Es wird weiter geschoben. Stehen bleiben, das geht nicht. Oder doch, dann müsste einer umkehren um mit dem Bekannten mitgehen. Dafür ist keine Zeit!  Aber wieder eine verpasste Gelegenheit mehr.
So ist es doch in unserem Alltag oft. Wir nehmen einander zwar kurz wahr, aber die Umstände sind für echte Begegnungen selten. In dieser „Ampelsituation“, wie ich sie einmal nennen möchte, hetzen heute viele Menschen durch ihr Leben. Wer es  immer eilig hat, wird bald keinem anderen mehr begegnen und ist in der Gefahr auch sich selbst aus den Augen zu verlieren.
Wer das ändern möchte, muss stehen bleiben oder gar umkehren. Er darf an den anderen nicht  vorbeihasten, sondern mit ihnen ein Stück des Weges gehen. Dazu muss ich einfach stoppen, anhalten, meine Richtung ändern, um den anderen, dem Bekanten oder Freund begegnen und sogar begleiten zu können.
Doch Achtung, das kann auch Konsequenzen haben, die über einen flüchtigen Gruß an der Kreuzung und einen „guten Tag und guten Weg“ weit hinausgehen. Darum Vorsicht, wer leichtfertig bei der Begrüßung so dahin sagt: „Wie geht es Dir?“, der kann ganz schön ins Schleudern geraten. Dann nämlich, wenn es der andere als ernst gemeint ansieht und uns nun mit seinen echten Problemen konfrontiert. Vielleicht sogar so intensiv, dass es für uns zu Belastung werden kann, die wir nicht gesucht haben. Es ist deshalb unredlich, nach dem Befinden zu fragen, wenn es uns im Grunde gar nicht interessiert. Bitte keine Floskeln!

Für gute Begegnungen mit Menschen brauchen wir Zeit und Herz, sonst bleibt es in viel zu vielen Fällen bei den anfangs beschriebenen „Ampel-Begegnungen“ von denen keiner etwas hat. Leben im Vorbeigehen! Echte Begegnungen gehen weit über das rein Äußere hinaus. Dabei begegnen sich Menschen mit ihren Herzen. Solche Begegnungen tun beiden Seiten gut, da jeder das Entgegenkommen und die Offenheit des anderen spüren wird. Anteil an der persönlichen Situation des anderen zu nehmen und ihm ebenso Anteil am eigenen Leben zu geben, zeigt, dass unser Leben keine Einbahnstraße ist. Die Zeit in der das geschieht, ist auch keine verlorene Zeit, sondern geschenkte Zeit. Und nichts wäre trauriger, als solche Gelegenheiten zu verpassen.

Sonntag, 10. November 2013

Vertrauen wagen


Da sitzt doch tatsächlich ein bunter Vogel auf  dem Schwanz einer Katze. Ein wirklich nicht alltägliches Bild. Wir möchten bald unseren Augen nicht trauen.

Deshalb  möchte ich das Bild einmal so deuten: Es drückt Vertrauen und Hoffnung aus. Ein wahres Gegenbild zur einer weit verbreiteten Resignation vieler Menschen in unserer Zeit. Hoffnung darauf, dass es einmal so sein könnte. Wieder paradiesische Zustände und das nicht nur bei den Tieren, sonder auch bei den Menschen. Dass wir es wieder wagen können, einander näher zu kommen im Vertrauen , dass der andere mich Ernst nimmt, mich nicht verletzt, heruntermacht oder gar "frisst", mich nicht betrügt oder meine Schwächen gnadenlos ausnutzt. Die vielen Befindlichkeiten, die  die Menschen heute haben, die ihnen einen angstfreien Umgang miteinander erschweren, einfach beiseite zu schieben und Vertrauen zu wagen, wäre das nicht toll?
Spätestens hier siegt wieder einmal die Realität über die Träume von einer heilen Welt. "Seht doch", höre ich da die nüchternen Realisten sagen, „die Katzen werden immer die Vögel fressen, auch wenn sie noch so schön bunt sind und ihre Lieder singen“. 
Die Geschichte lehrt es uns doch, dass es bei den Menschen nicht anders ist, die Großen und Mächtigen unterdrücken die Kleinen und Schwachen. Der Stärke setzt sich durch. Da kann man nichts machen. Die Hoffnung zerrinnt  und das Vertrauen wird enttäuscht und  Misstrauen beherrscht wieder das Handeln. Zu viele haben sich wohl in ihrem Leben die Finger verbrannt und für immer ihre Lehren daraus gezogen. Sie fassen nie wieder heiße Eisen an. Wie heißt es doch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist sicherer!
Wir müssen doch nur die Augen aufmachen und können sehen, was ein Vertrauensverlust anrichteten kann: Schaden für das Ganze durch das Fehlverhalten einzelner z.B. Bistum Limburg; Verunsicherung und neue Ängste durch den Abhörskandal um die NSA; Betrug und Täuschung durch Partner zerstören ganze Familien. Und die Reihe der Vertrauensbrüche ließen sich noch unendlich fortsetzen.  
Kann das die Lösung für immer sein? Wird denn so menschliches Leben gelingen, wo einer dem anderen nicht mehr traut? Dann wäre unsere Welt wirklich zu einer Räuberhöhle verkommen. Muss sie für immer so bleiben? Sollte sie nicht besser eine Welt des Vertrauens, der Hoffnung und des Friedens sein? „Vertrauen wagen“ ist zwar immer und für jeden ein Risiko, aber ohne zu vertrauen geht es nicht und man mag es kaum glauben, es wagen täglich immer wieder Menschen dieses Vertrauen neu und es sind unendlich viel mehr als wir denken.  Davon aber lebt unsere Welt.

Freitag, 8. November 2013

Der Mauerfall – mehr als ein Durchbruch!


Junge Menschen wollen oft „mit dem Kopf durch die Wand“. Nach dem Bau der Mauer im August 1961 fühlten sich die Bürger der DDR besonders stark in ihrer Freiheit und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch den politischen Druck des SED-Staates eingeengt, deshalb versuchten immer wieder Menschen, selbst unter Lebensgefahr, das Land zu verlassen. Viele von ihnen scheiterten bei diesen  Versuchen und mussten  dafür oft für Jahre hinter Gitter und unüberwindliche Gefängnismauern. 

Und nun plötzlich konnten von einem Tag zum anderen alle DDR-Bürger nicht nur mit dem Kopf, sondern mit ihrem Trabant oder Lada durch die Sperranlagen und Mauern auf die andere Seite, in den „Westen,“ in die lang ersehnte Freiheit, von der sie sooft geträumt hatten. Wo tags zuvor noch auf jeden der sogenannten „Grenzverletzer“ und „Republikflüchtling“ geschossen worden wäre, waren nun die Zäune und Mauern niedergerissen und gaben nicht nur den Blick, sondern endlich auch den Weg nach 40 Jahren Trennung wieder frei. Auf fast wundersame Weise wurde sozusagen über Nacht ein Kapitel dieser Unmenschlichkeit beendet. 
Das Bild zeigt einen provisorischen Grenzübergang zwischen Ilsenburg und Harzgerode, den ich  am 12. November 1989 ungehindert und frei passieren konnte. Unterwegs wiesen einfache Pappschilder schon die Richtung dorthin.  Ein unglaubliches Gefühl erfasste mich bei der Fahrt durch das Sperrgebiet, den Todesstreifen und zuletzt durch die Mauer. Da musste ich einfach anhalten, zurückgehen und dieses Foto machen. Ein historisches Bild, das mir gerade in diesen Tagen nach so vielen Jahren wieder in die Hände fiel. Die Erinnerungen waren plötzlich wieder ganz lebendig. Mir wurde bewusst, dass Freiheit eben keine Selbstverständlichkeit ist, wie so viele heute meinen. Sie ist ein sehr hohes Gut.
Das Geschehen vom Herbst 89 ist nun Geschichte. Meine, unsere Geschichte aus einem geteilten Land. Mehrere Millionen Bürger unseres Landes aber, die noch keine 25 Jahre alt sind,  haben diese Zeit der Trennung und Unfreiheit nicht mehr erleben müssen. Für sie sind ihre alltäglichen Probleme und Sorgen aber auch die vielfältigen Möglichkeiten von heute doch um vieles wichtiger und interessanter, als die „alten Geschichten“ ihrer Eltern und Großeltern. Für die historische Aufarbeitung aber liegen die Fakten und Daten einfach zeitlich noch zu nah.
Wir aber, die wir diese Zeit erlebt und teilweise erlitten haben, sind dazu berufen, sie nicht zu vergessen oder zu verdrängen. Wir dürfen daran denken, manche voll Wehmut andere auch voller Entsetzen. „Nicht alles war schlecht“, so höre ich es immer wieder. Das mag sicher stimmen, aber es sollte schon differenziert werden, was damit gemeint ist und wer es so sieht.

„Grenzerfahrungen“ gehen stets  an die Substanz des Menschen. Sie bedeuten Trennung, Schmerz und Unfreiheit. Darüber sollte keiner leichtfertig hinweg gehen. Der Fall der Mauer war und ist  durchaus mehr als ein „Durchbruch“ durch Beton und Stacheldraht.  Sich daran zu erinnern und zu denkendas heißt auch immer,  dafür zu danken.

Edelsteine und Menschen


„Menschen sind wie Edelsteine: Man lernt sie am besten kennen, indem man sie aus der Fassung bringt“. Vielleicht haben Sie diesen Spruch schon einmal gehört. Ich meine jedenfalls, da ist viel Wahres dran. Denn erst, wenn der Juwelier den Stein aus der Fassung eines Ringes nimmt, kann er ihn begutachten, sein Gewicht und  seine Größe feststellen, unter der Lupe betrachten und ihn ins Licht halten, um seine Reinheit zu erkennen. Solange der Stein in der Fassung steckt, ist er geschützt und es bleiben eventuelle Fehler und Kratzer verborgen. Nach all diesen Prüfungen kann erst sein Wert bestimmt werden und ob es überhaupt ein echter Edelstein ist.

Genau so ist es mit einem Menschen. Solange die Fassung des Alltags ihn umgibt, hat er seinen Halt und seine Sicherheit. Wird er aber plötzlich aus dieser Fassung gebracht, weil z.B.  Kinder seinen Briefkasten an Halloween mit Ketschup beschmiert haben, dann wird aus dem liebenswürdigen  Nachbarn plötzlich ein ungenießbarer Zeitgenosse. Aus der höflichen Mitarbeiterin wird eine zänkische und missgünstige Kollegin, weil sie meint, der Chef würde alle anderen im Büro bevorzugen.
Diese Empörung über vermeintliche oder echte Ungerechtigkeiten lässt manchen schnell die Fassung verlieren. Er oder sie zeigen sich dann, wie sie wirklich sind. „Wer schreit, hat schon verloren“, darum gilt es heute die „Contenance“ zu bewahren, denn wer zu viel von sich preisgibt, macht sich angreifbar. Darum erscheint es so, als ob die meisten Menschen nichts mehr aus der Fassung bringen könnte. Die schrecklichsten Meldungen in den Nachrichten von Terroranschlägen, von den ertrunkenen Bootsflüchtlingen vor Lampedusa, von Hungernden in Afrika, von Kindersoldaten oder anderen Katastrophen werden mit einem Schluck Bier herunter gespült und die Bilder von anderen Bildsequenzen schnell überblendet. Tage später, das weiß doch jeder, redet sowieso keiner mehr darüber. Außer einer künstlich hochgespielten Empörung z. B. über Limburg und seinen Bischof, sind es doch oft nur „Eintagsfliegen“. In unserer schnelllebigen Zeit besteht daher die Gefahr, dass Menschen sehr oberflächlich werden, keiner echten Empörung über wirkliche Ungerechtigkeiten mehr fähig und gleichgültig dem Leid anderer gegenüber. Was aber, wenn ihnen durch persönliche Schicksalsschläge ihr Halt und ihre Fassung genommen werden? Dann bricht ihnen wirklich eine, ja, ihre Welt zusammen.

Wer gibt den Menschen Halt, wenn ihre künstlichen Sicherungssysteme ausfallen, ihre Fassaden bröckeln? Da bin ich schon der Meinung, dass es gut wäre, seinen Schutzpanzer aufzubrechen und sich aus der Fassung bringen zu lassen. Einmal „fassungslos“ ohne Selbstschutz  auf sein eigenes Leben zu schauen und zu fragen: „Wer bin ich, was hält mich, was bin ich Wert ohne all die Äußerlichkeiten von Besitz, Schönheit, Jugend und Ansehen?“ Diese offenen Fragen könnten doch wohl den einen oder anderen dazu führen, zu erkennen, es muss darüber hinaus noch einen „anderen Halt“ im Leben geben, der allem Äußeren standhält. In ihm ist jeder Mensch gut und sicher „eingefasst“, wie ein kostbarer Edelstein.

Mittwoch, 6. November 2013

Ein Ballon, der vom Himmel fiel

Da leuchtete plötzlich etwas Blaues aus dem Gebüsch. Es muss wohl über fünfzig Jahre her sein. Damals war ich noch ein Kind. Aufgeregt gingen wir näher heran. Ein blauer Luftballon hatte sich mit seiner Schnur an einem Zweig verheddert. Unser Glück, denn sonst hätten wir ihn nie gefunden. An der Schnur war ein Stückchen Pappe befestigt. Aufgeregt brachten wir unseren Fund nach Hause. Auf dem Anhänger stand eine in Druckbuchstaben geschriebene und schon ein wenig durch die Feuchtigkeit des Regens verwischte Adresse.
An den Namen kann ich mich nach all den Jahren nicht mehr erinnern. Der Ort aber hat sich mir eingeprägt. Er klang etwas eigenartig: Wanne-Eickel. Wo aber lag diese Stadt mit dem seltsamen Namen? Wie weit mag wohl der Luftballon geflogen sein? Das war alles so aufregend. Und die Absender baten um Nachricht, weil auch sie sicher gespannt waren, wann und wo ihr blauer Ballon wohl gefunden worden war und natürlich von wem. Im Atlas fanden wir schnell die Lösung. Quer über ganz Westdeutschland vom Ruhrgebiet her war er vom Westwind getragen bis zu uns in den Osten getragen worden.
Natürlich wurde schnell eine Nachricht per Briefpost nach Wanne-Eickel geschickt. Die Freude war sicher auf beiden Seiten groß. Über viele Jahre hinweg erhielten wir nun immer zu Weihnachten ein „Westpaket“ von der unbekannten Familie aus Wanne-Eickel. Ein Schuhkarton voller Kaffee, Schokolade und andere leckere Sachen, besonders für uns Kinder eine  große Freude.
Eine „Luftbrücke“ war so von West nach Ost über die sonst undurchlässige Grenze, die die beiden Teile Deutschlands zerschnitt, geschlagen worden. Ein großes Dankeschön an all die vielen namenlosen Menschen, die auf unterschiedlichste Weisen einander ihre Verbundenheit gezeigt haben und Freude schenkte. Auch wenn es lange zurückliegt, es waren lebendige Zeichen der Freundschaft, die nicht vergessen sind.
Wenn ich heute bei Kinderfesten, Hochzeiten oder anderen Gelegenheiten Luftballons aufsteigen sehe, stelle ich mir immer wieder vor, wie solche Grüße und Wünsche bei anderen ankommen.  Es  verbindet sich  doch die Hoffnung der Menschen damit,  dass ihre Bitten, ihre Wünsche und Botschaften ein unbekanntes Ziel erreichen und einen Adressaten finden.

Erinnert das nicht an Menschen, die weltweit ihre Gebete und Bitten zum Himmel schicken und darauf vertrauen, dass diese einen „Adressaten“ erreichen? Immer hoffend, dass Gutes auf sie herab kommt.

Sonntag, 3. November 2013

Durchkreuztes Leben

Auffallend viele sind es inzwischen geworden. Sie stehen an den Straßen, in Kurven, auf geraden Strecken und zwischen uralten Bäumen der Alleen. Es sind die Kreuze aus Holz mit den Namen und Daten eines meist kurzen Lebens eines verunglückten Todesopfers. Geschmückt mit Blumen und Kerzen sehen sie aus wie kleine Gräber. Es sind aber keine Grabstellen, in denen die Toten nun in Frieden ruhen. Es sind Orte des Todes von Menschen, die mitten aus dem Leben gerissen worden. 
Orte des Gedenkens und Orte der Trauer für Menschen, die einen schweren Verlust erleiden mussten. Diese Kreuze sind eine Mahnung, eine Erinnerung und sie stehen für das unbegreifliche  Geschehen an diesem Ort. Hier sind die Pläne, Hoffnungen, Wünsche und letztlich das Leben von Menschen von einem Augenblick zum anderen buchstäblich durchkreuzt worden.
Für mich wirken diese Kreuze, die sicher nicht in erster Linie aus religiösen Gründen gewählt worden, ein wenig wie schreiende Fragezeichen an unseren Wegen, die sich in den grauen Himmel bohren. Sie stehen für das Unfassbare und die Fragen der betroffenen Familien, die einen Sohn, eine Tochter oder einen nahen Verwandten oder Freund verloren haben. Warum?  Warum gerade er oder sie? Wie konnte das geschehen? Wer weiß die Antwort? Wer kennt den Sinn? Warum sind seine, sind unsere Pläne so brutal durchkreuzt worden. Ja darum stehen die Kreuze an den Straßen, weil sie für die meisten Zeichen eines schrecklichen Todes sind. Nicht zu fassen. Alles menschliche Verstehen übersteigend.
In  diesen Kreuzen sehe ich auch so etwas wie Ausrufungszeichen hinter einem oft nur stummen Hilfeschrei: „Ist denn da keiner, keiner der mir  hilft! Zu wem kann ich in meiner Not kommen?“ Es ist die Not derer, die den Verlust eines Menschen zu beklagen haben. Mit ihnen fühlen wir uns zuerst verbunden und schenken ihnen unsere Anteilnahme. Deshalb brennen immer wieder neue Lichter an den Kreuzen am Weg und zeigen den vom Leid betroffenen, ihr seid nicht allein. Wir trauern mit euch. Aber auch diejenigen, die den Unfall verursacht haben oder gar den Tod eines anderen verschuldet haben, auch sie müssen eine schwere Last tragen und brauchen sicher genau so Hilfe und unser Gebet.
Darum sind  für mich die Kreuze an unseren Straßen ein sehr sprechendes Zeichen. Mit ihm wird der Tod eines Menschen beklagt. Dafür steht das Kreuz als Zeichen des Todes. Es  ist ein Zeichen, dem widersprochen wird damals wie heute. „Warum, warum hast du mich verlassen?“
Wenn ich nun die mit Blumen und Kerzen geschmückten Kreuze sehe, weiß ich auch, dass unendlich viel Hoffnung dahinter steht und eine unstillbare Sehnsucht nach Leben, das niemals enden soll. Als Zeichen der  Hoffnung und des Lebens sind diese Kreuze ebenso Hinweis und Bitte an uns alle, mit dem eigenen und dem fremden Leben behutsamer umzugehen, denn wir haben nur dieses eine!




Tod durch Beziehungslosigkeit


Von Kaiser Friedrich II. (1212-1250) wird über sein grausames Experiment berichtet, in dem er herausfinden wollte, welches die ursprüngliche Sprache der Menschen sei. Er ließ dazu mehrere neu geborene Kinder ihren Müttern wegnehmen und sie von Ammen aufziehen. Es sollte ihnen nichts fehlen, doch jede menschliche Zuwendung, Nähe oder gar Zärtlichkeit blieb ihnen verwehrt. Auch sollte niemals, das war Bedingung, ein Wort mit ihnen gesprochen werden. Sie sollten nie eine menschliche Stimme hören. Unbeeinflusst sollten sie ihre eigene Sprache finden. Das Experiment dauerte über Jahre. Der Erfolg blieb aus. Die Kinder sprachen überhaupt nicht. Sie stießen nur Schreie und tierähnliche Laute aus. Kein menschliches Wort kam je über ihre Lippen. Zudem wurde keines dieser Kinder älter als 15 Jahre.
Das grausame Experiment des Kaisers scheiterte, es zeigte aber ein für allemal, dass kein Mensch ohne Beziehung wirklich leben kann. Wir Menschen sind auf Gemeinschaft angelegt. Keiner lebt für sich allein. Leben ist Nehmen und Geben! Im Blick auf ein gesundes und lebendiges Gemeinwesen spricht man da heute gern vom „Generationenvertrag“. Die Eltern sind für ihre Kinder da und sorgen für sie. So kann sich später die ältere Generation auf die jüngere verlassen. In früheren Zeiten war das eine Selbstverständlichkeit. Heute stellt die auf den Kopf gestellte „Alterspyramide“ und eine wachsende Individualisierung und der Drang zur Selbstverwirklichung ein großes Problem dar, so dass die Solidarität von „jung und alt“ immer häufiger in Frage gestellt wird. Wo zunehmend Menschen nur noch an sich denken, persönliche Kontakte und Beziehungen zu anderen immer weniger gepflegt werden, trotz der viel größeren Möglichkeiten in Bezug auf Mobilität und der Verfügbarkeit von Kommunikationsmittel, dort vereinsamen immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft und die psychischen Erkrankungen nehmen drastisch zu. Vielleicht sind das gerade die  Nebenfolgen der ständigen Präsens und Erreichbarkeit, dass Menschen sich in einer virtuellen Welt verlieren, ohne den anderen wirklich an sich heran zu lassen und seine Nähe hautnah zu spüren. Sie können jederzeit den „Chat“ und die Verbindung abbrechen und zu anderen Dingen übergehen. Echte Beziehungen entstehen so erst gar nicht  mehr.
Ein persönlicher Besuch bei einem Freund oder ein gemeinsames Bier nach Feierabend in der Eckkneipe  ist doch wohl wichtiger, als hunderte  so genannter „Freunde“ auf facebook zu haben.

Unbeabsichtigt hatte Kaiser Friedrich II. den Beweis erbracht, dass es ohne „An-Sprache“ auch keine „Ant-Wort“ geben kann. Ohne wirkliche Nähe und Zuwendung, ja ohne echte Beziehung und Liebe der Menschen zueinander, wird das Leben schnell zu einer toten Steinwüste, in der das Leben verkümmert und stirbt. Ein Leben ohne Beziehung zu anderen und ohne Verantwortung füreinander führt unweigerlich zum "Tod" trotz aller materiellen Absicherungen in unserer Wohlstandsgesellschaft. Beziehungslosigkeit bedeutet doch: Mehr Dunkel als Licht, Steine statt Brot und Disteln statt Rosen. Es sind oft nur kleine Schritte, aber sie müssen getan werden, damit das Leben gelingt!

Freitag, 1. November 2013

November-Gedanken

Der Monat November ist ein recht trauriger Monat. Da  reicht es wohl noch nicht, dass die Bäume und Büsche fast gespenstisch ihre kahlen Äste in den Himmel recken, dass graue Nebelschwaden sogar den Tag verdüstern, die zunehmende Kälte und die Feuchtigkeit sich aufs  Gemüt legen, da reiht sich auch noch  ein düsterer Gedenktag an den anderen. Allerseelen, Volkstrauertag,  Buß- und Bettag und auch noch der Totensonntag stehen da im Kalender. Alles Dinge, die so gar nicht zum Lebensgefühl in unserer Zeit zu passen scheinen.

Wir wollen viel lieber optimistisch und froh in die Zukunft schauen und nicht traurig auf Vergangenes blicken. Wer möchte schon trauern, büßen und beten oder sogar an diesen Tagen im trostlosen November an den Tod, vielleicht noch das eigene Sterben, erinnert werden?  Das hat doch gewiss noch Zeit? Oder etwa doch nicht?
Auch wenn die meisten Menschen das Denken an den Tod und das Sterben gern verdrängen möchten, holt uns nicht nur der Gedanke, sondern auch die Realität des Todes ein. Immer wieder, ob wir es wollen oder nicht, stoßen wir auf Zeichen des Todes. Nach einem Unfall das Blaulicht des Rettungswagen, in der Zeitung die Todesanzeigen, der Leichenwagen auf der Straße, wenn auch jetzt im dezenten Design, nicht mehr im düsteren schwarz, gehören  nun mal zum Bild einer Stadt. Wegschauen und Ignorieren bleiben da ein vergeblicher Versuch. Friedhöfe sind für so manche Menschen Orte, an die sie freiwillig keine zehn Pferde ziehen könnten, jedenfalls nicht lebendig.
Wie kommt es, dass das einzige Faktum im Leben eines Menschen, sein Sterben und sein Tod, so viele so stark verunsichern? Aber auch der Umgang mit dem Tod und der Trauer anderer ist den meisten fremd geworden. Die Trauergäste bei einer Trauerfeier sind oft unsicher und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Die Rituale früherer Zeiten sind ihnen unbekannt. Was einst Halt und Stütze gab, gibt es nicht mehr. Bei einem Gang über den Friedhof kann man das sehr gut beobachten. Hier weichen manche einem Trauerzug mit einem Sarg lieber weiträumig aus, andere vertiefen sich in ihre Grabpflege ohne auszuschauen, die nächsten gehen einfach an dem Trauerzug vorbei, nicht einmal die Zigarette wird aus dem Mund genommen. Nur ganz wenige bleiben stehen und verneigen sich vor dem Toten im Sarg und begleiten ihn und seine Angehörigen mit ihrem Gedenken. Stehen bleiben, innehalten und sich den Gedanken an Sterben und Tod zu stellen, das ist die Einladung der eingangs genannten Gedenktage.
Der Tod gehört zum Leben des Menschen, er ist ein lebendiger Teil eines jeden von uns. Ihn nicht auszublenden, bewusst daran zu denken, galt seit alten Zeiten als die „ars moriendi“, die Kunst zu Sterben. Das ist eine aktive Lebensaufgabe und eine Kunst, die zum Leben hilft! 
Das „memento mori“ - gedenke des Todes, ist nicht nur Mahnung, sondern ganz besonders Einladung zu einem bewussten  Leben. Manche Entscheidung der Menschen würde sicher anders ausfallen, wenn sie vom Ende des Lebens her bedacht und mehr Gelassenheit ihr Handel bestimmen würde. Mancher Streit würde schneller beendet und die Hand zur Vergebung ausgestreckt, wenn sich jeder erinnern würde, dass es schon morgen  zu spät sein könnte. Wenn wir unser Ende nicht mehr verdrängen, begreifen wir auch wieder, dass jede Minute unseres Lebens unwiederbringlich und kostbar ist und dass es unendlich wertvoller ist,  Freude und Blumen zu schenken, als sie später auf die Gräber der Toten zu stellen.