Sonntag, 4. Dezember 2016


„Dann bin ich ganz glücklich…“

Freitagabend. Kurz noch in den Back-Shop. Schnell ein leckeres Cranberry-Walnuss-Brot erstanden und ein paar Brötchen. Beim Einpacken höre ich hinter mir die Bestellung einer älteren Dame: „Kann ich bitte auch ein halbes Cranberry-Walnuss-Brot bekommen?“ „Selbstverständlich, gern“, antwortet der Verkäufer freundlich. „Wenn Sie mir dann noch drei Scheiben davon abschneiden könnten, dann bin ich ganz glücklich“ meinte die Kundin noch.  Als ich mich nach ihr umschaute, sah ich in ihr glücklich lächelndes Gesicht. Das tat richtig gut.

Wie wenig doch zum glücklich sein genügt? Daran musste ich dann beim Abendessen wieder denken. Ein knackiger Salat und dazu eine Scheibe von dem köstlichen Cranberry-Walnuss-Brot mit Butter. Ein wahrer Genuss. „Es muss nicht immer Kaviar sein“, wie schon Mario Simmel vor vielen Jahren einen seiner Romane betitelte. Damit hatte er doch wirklich recht. 

Wie kommt es bloß, dass gerade in diesen Tagen und Wochen der Vorweihnachtszeit die Menschen meinen, sie müssten immer größere und teurere Geschenke zum Weihnachtsfest kaufen? Dabei werden doch nur die Geldbörsen und Bankkonten über alle Maße strapaziert. „Ach, es ist doch nur einmal Weihnachten im Jahr“, heißt es dann ganz schnell. Damit beruhigt sich jeder wieder selbst. Je höher der Einsatz, je größer der Gewinn.

In diesen Wochen kramt so mancher in seiner Erinnerung nach oder er hat es sich sogar notiert, was er im letzten Jahr den anderen geschenkt hat und besonders, was er im Gegenzug bekommen hat. Es darf ja auf keinen Fall jemand vergessen werden oder nur ein unscheinbares Präsent bekommen. Ein gutes und spannendes Buch, das einem selbst gefallen hat und das dem anderen sicher auch Freude machen würde, reicht da schon längst nicht mehr aus. Neueste Elektronik, teure Designerklamotten, exquisite Delikatessen, alles vom Feinsten, die Messlatte wird von Jahr zu Jahr höher gelegt. Man will sich ja nicht lumpen lassen und vor allem keinem etwas schuldig bleiben. Das große Geschenke-Spiel: "Das schenk ich Dir - was schenkst Du mir?" läuft wieder auf Hochtouren. "Alle Jahre wieder...."

Ob sich dann am Weihnachtsfest tatsächlich jeder über all die sündhaft teuren Geschenke auf dem Gabentisch freuen wird, das bleibt letztendlich abzuwarten. Können denn diese Geschenke, hinter denen solche und ähnliche Überlegungen stehen, die anderen wirklich glücklicher machen? Potenziert sich etwa das Glück automatisch mit dem Preis oder der Menge und Größe der Geschenke? Diesem Trugschluss erliegen immer noch viele Menschen und meinen ernsthaft, wenn sie dieses oder jenes endlich hätten oder bekämen, dann wären sie glücklich.

Genau das stimmt aber eben nicht, denn Glück hat nichts mit Besitz zu tun. Jemand hat einmal gesagt: „Reich ist der Mensch, der arm an Wünschen ist.“ Wer also wunschlos ist, ist glücklich. Wer es schafft, sich dem ständigen Streben nach immer mehr und größeren materiellen Dingen bewusst zu entziehen, der wird nicht unglücklich, sondern der wird die kleinen Dinge im Leben als wahre Geschenke schätzen und sich freier und glücklicher fühlen. Sein Sinnen und Trachten ist nicht mehr so sehr vom ständigen "Habenwollen" bestimmt. Das ist genau so, als ob eine Last von seinen Schultern genommen würde. Warum sollten wir einander nicht diese Freiheit schenken?

Die Kundin im Back-Shop sah nicht gerade danach aus, als ob sie alle materiellen Reichtümer dieser Welt besitzen würde. Doch sie strahlte eine Ruhe und Zufriedenheit aus, und genau das, war ihr Reichtum. Nun brauchte sie nur noch ein halbes Brot und dann war sie wirklich glücklich.







 

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