Warum ich keinen Wahl-O-Mat brauche
Was, Sie wissen nicht was
ein Wahl-O-Mat ist? Nun, das ist so etwas Ähnliches wie eine elektronische
Partnervermittlung. Sie beantworten durch Anklicken am Computer Fragen zu
bestimmten Themen. Aus diesen Antworten sucht der Computer die Partei heraus, mit
der Sie in den meisten Fragen übereinstimmen. So einfach ist das. Ob es
natürlich mehr Klarheit schafft und mehr Wähler an die Urnen bringt, bleibt
noch dahin gestellt.
Als ich vor einigen
Jahrzehnten das Wahlalter erreichte, gab es erstens noch keinen Wahl-O-Mat und
zweitens hatten wir in der DDR nur die Wahl zu gehen oder nicht zu gehen. Wobei
das Letztere ernsthafte Konsequenzen nach sich zog, die die allermeisten zu
Recht scheuten. Da kam schon ab Mittag des Wahltages eine Abordnung mit der
Urne direkt zum potentiellen Nichtwähler. Wer hatte dann noch einen Wahl? Schon
gar keine freie Wahl!
Meine ersten Erfahrungen
beim „Falten“, so nannte man salopp den „Wahlvorgang“, habe ich während der
Armeezeit gemacht. Wir wurden kompanieweise ins Wahllokal abkommandiert und mussten im Vorbeimarsch die riesigen Wahlzettel falten und in die Urne stecken.
Fertig! Wahlergebnis 99,9%, das war schon vorher klar!
Später als Theologiestudent habe ich mir diese Farce ersparen können,
denn für den sozialistischen Staat war ich eh schon abgeschrieben und hatte
damit eine gewisse „Narrenfreiheit“. So ließ ich mich in meinem Heimatort gar
nicht erst sehen. Im Dorf kennt aber jeder jeden und meine Mutter war
verunsichert und wollte mich im Wahllokal entschuldigen, dass ich nicht da bin.
„Ach, das macht doch nichts, gib mal die Wahlbenachrichtigung Deines Sohnes
her. Hier hast du einen Wahlzettel, den kannst Du für Ihn gleich mit in die
Urne stecken“, sagte der Wahlleiter zu meiner Mutter. Ob das vielleicht doch
schon so etwas war wie ein „Wahlautomat“?
Etwas ganz besonderes war
dagegen die erste freie Wahl im Frühjahr 1990. Ich hatte das Haus voller Besuch
aus dem Westen, Freunde und Kollegen. Alle waren sehr gespannt auf die
Ergebnisse der Wahl. Zum ersten Mal eine Wahl mit wirklicher Bedeutung für die
Zukunft der "Noch-DDR" und ein zukünftig geeintes Deutschland. Es wurde also eine
lange Nacht für alle. Wir hatten einen Geruch von Freiheit in der Nase. Am nächsten Tag kauften wir im Konsum-Kaufhaus die letzten
DDR-Fähnchen auf. Eine Erinnerung an einen abgewählten Staat, der genau wusste,
warum es in ihm keine freien Wahlen geben durfte.
Viele haben dafür gestritten und manche sogar gelitten. Darum können wir nicht hoch genug schätzen, dass es bei uns freie Wahlen gibt. Ob nun mit oder ohne
Wahl-O-Mat, Wahlen sind wichtig! Wer nicht wählt, hat schon gewählt. Er weiß
nur nicht was. Damit müssen dann aber alle leben!