Man weiß ja nie…
„Ich brauche eine
Trauerkarte“, sagte Tante Rita, „die Nachbarin ist gestorben“. Im Dorf kennt
man sich halt noch und nimmt Anteil am Geschick der anderen. Jedenfalls ist das
so bei den älteren und ortsansässigen Bewohnern. „Ach bringt doch gleich fünf
Karten mit, man weiß ja nie“, fügte sie dann nach einer Weile noch hinzu.
Das stimmt natürlich, man
weiß es wirklich nie, ob und wann der nächste Todesfall im Bekanntenkreis
eintritt und schon gar nicht, wen es trifft. Mit Gewissheit wissen wir
natürlich, dass jeder einmal sterben muss. Auch wir selbst.
Doch herzliches Beileid
wünschen, was soll das eigentlich heißen? Wem gilt es? Dem Verstorbenen sicher
nicht, denn er ist ja tot. Für ihn ist es unerheblich, ob andere Menschen um
ihn weinen, ihn bemitleiden oder trauern. Und in den Augen vieler Zeitgenossen bedeutet das Ende des
Menschen ja sowieso nur: „tot ist tot,
aus und vorbei.“ Was soll´s also?
Der Tod eines Menschen,
eines Angehörigen oder eines lieben Freundes bedeutet doch immer Verlust. Einen
Verlust, den die Lebenden erleiden. Ihnen gilt mein Mitgefühl, ihnen spreche ich mein herzliches
Beileid aus. Das sollte aber keine bloße Floskel sein, nur so dahingesagt oder in einem
Kondolenzbrief schriftlich zum Ausdruck gebracht. Einem Hinterbliebenen, der
einen so schmerzlichen Verlust erlitten hat, der Mann der seine Frau verloren hat oder die
Frau, die ihren Mann oder gar ihr eigenes Kind beerdigen musste, diesen
Menschen gilt mein „Herzliches Beileid“. Das aber heißt doch nichts anderes als:
„In deinem Leiden und deinem Schmerz bin ich bei Dir, das sage ich Dir heute
von ganzem Herzen zu“. Und wenn das nicht nur leere Worte sind, dann spürt der
Trauernde auch, dieser Trost hat wirklich Hand und Fuß.
Beileid wünschen bedeutet
Anteil nehmen und Anteil geben, dem Tod und der Trauer nicht auszuweichen. Der Tod
eines Menschen, sowie der Schmerz und die Trauer der Hinterbliebenen
verunsichern aber oft selbst Freunde und Bekannte. Sie wissen dann nicht, was
sie sagen sollen und das entstehende Schweigen ist
ihnen eher peinlich und bedrückend. Man beschränkt sich bei einer Begegnung,
wenn es gar nicht anders geht, auf Vordergründiges oder weicht einer Begegnung
lieber aus.
Der Tod und was er mit den Menschen macht, bleibt uns sehr suspekt. Er
stellt uns selbst in Frage. Da fehlen uns die Antworten, die wir sonst so schnell und selbstbewusst überall
parat haben. Die Aussage - tot ist tot - ist deshalb für einen Trauernden nicht sehr
tröstlich. Ebenso ist die Allerweltsaussage, „die Zeit heilt alle Wunden“, nur
ein hilfloser Versuch das eigene Unvermögen zu verschleiern, den man sich
getrost sparen kann.
Dagegen eröffnet der so
banal klingende Satz, „das Leben geht weiter“, wenn dieser nicht nur
eindimensional gemeint und verstanden wird, eine ganz andere Dimension, die
über den Tod hinausweisen kann und so manch einem die Einsicht entlockt: „Man
weiß ja wirklich nie…“
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