Gedanken beim Verlegen von Fliesen
Neulich habe ich das
Gäste-WC im Haus der Familie meiner Nichte neu gefliest. Ich muss ihr wohl irgendwann erzählt haben, dass ich so etwas schon einmal gemacht habe. Nun ja, das lag jedoch schon lange zurück. Zudem bin ich auch
kein gelernter Fliesenleger. Als mich dann meine
Nichte verbindlich fragte, wollte ich keinen Rückzieher machen und habe
zugesagt.
„Ja, ich schaffe das“, sagte
ich zu ihr, aber noch mehr zu mir
selbst. Nachdem ich mir die Maße aufgeschrieben, das Material begutachtet und Fotos vom „Tatort“ gemacht
hatte, begann sich das Gedanken- Karussell
schon bald auch noch im Schlaf zu drehen. Skizzen wurden gemacht und Berechnungen
angestellt. Ich fühlte mich herausgefordert, was ich ja immer noch sehr mag,
und natürlich bei meiner Handwerker- bzw. Heimwerker-Ehre gepackt. Gut
ausgerüstet mit Werkzeug und Arbeitskluft, machte ich mich auf den Weg.
Wer nun aber denkt, dass
meine Berechnungen und Überlegungen mit der Realität vor Ort übereinstimmen
würden, der irrt gewaltig. Ich kannte zwar aus meiner Lehrzeit noch den Satz aus der Tischlerei: „Keine Rückwand eines Schrankes ist poliert“, aber es kam doch
immerhin bei der Genauigkeit auf den Millimeter an. Im Bau scheint das aber
nicht zu gelten. Mein Entsetzen war groß. Keine einzige Wand, ob gemauert oder als Trockenbau, war im rechten
Winkel, der Fußboden war uneben und die Höhen stimmten nicht überein. Da kam
eine Menge zusätzliche Arbeit auf mich zu. Doch, „Ich schaffe das“, war die
Devise.
Und so ging es auch schon los.
Mit einem modernen Lasergerät wurde eine
waagerechte Linie für die Oberkante der Fliesen markiert und die Senkrechte
ausgelotet. Als die ersten Fliesen dann an der Wand waren, stellte sich auch bald wieder
eine gewisse Routine eine. Der Anfang
war gemacht. Auf ihn kommt es an. Wenn
hier etwas, im wahrsten Sinne des Wortes, schiefgeht, dann wird alles schief.
Damit bin ich auch schon bei
meinen Gedankengängen, die über das Fliesenlegen im Besonderen und das Leben der Menschen im Allgemeinen hinausgehen, angelangt. Ich
musste zuerst abwägen, ob ich das wirklich schaffe. Die nächste Frage war, wie
schaffe ich das und in welcher Zeit? Natürlich bleibt bei all dem ein gewisses
Risiko, Unwägbarkeiten und Probleme können auftreten. Beim Fliesenlegen kommt es
zu Beginn auf eine gerade Linie an, woran sich alles Weitere orientiert, wie
ich es schon beschreiben habe. Das ist aber auch auf alle Bereiche in unserem Leben
zu übertragen, egal ob es um persönliche oder um gesellschaftliche Fragen geht.
Eine klare Linie ist das A und O. Wo die Geradlinigkeit fehlt, kommt alles schnell in eine Schieflage. Oder wie es ein wahres Wort sagt: „Der Anfang geht
mit“, ob es nun ein guter oder ein schlechter ist.
Wie oft muss denn heute in der Tagespolitik
zurückgerudert werden, gilt das nicht mehr, was gerade noch gestern gemeinsam
beschlossen worden ist? Oft wird eben einfach
zu dick aufgetragen. Beim Verlegen von Fliesen kommt es entscheidend
darauf an, wie dick der Kleber
aufgetragen wird. Für jedes Format gelten dabei unterschiedliche Stärken. Mit
den entsprechenden Werkzeugen wird das sehr genau erreicht. Diese Kenntnis
sollte man schon haben und sich zudem an die Richtlinien und Vorgaben der Branche halten.
Nur so ist die Haftung der Fliesen an der Wand sicher gegeben. Ein zu dicker
Auftrag führt dazu, dass der Kleber aus
den Fugen quillt, alles verschmutzt und die Arbeit zusätzlich erschwert.
Beim Fußboden muss besonders
darauf geachtet werden, dass er tragfähig ist und die Fliesen eine gute
Bodenhaftung haben und eine solche gewährleisten. Diese Bodenhaftung vermisse ich allerdings bei allzu vielen Menschen, gerade in der Öffentlichkeit, immer
mehr. Das wäre aber ein ganz eigenes Kapitel.
Das Fliesenlegen erfordert also eine ganze Menge handwerkliches Können, einen sach- und fachgerechten Umgang
mit den unterschiedlichen Materialien, einen Blick für die konkrete
Raumsituation und ein ästhetisches Gespür, um ein ansprechendes Gesamtbild zu schaffen, welches noch durch die Gestaltung der Fugen hervorgehoben wird. Fugen dienen aber nicht nur der Ästhetik, sonder haben als Dehnungsfugen gerade im Bodenbereich, die Aufgabe Spannungen auszugleichen und Übergänge zwischen verschieden Materialien zu gestalten. Die Fuge ist also mehr als eine Lücke zwischen zwei Fliesen. Auch zwischen zwei oder mehr Menschen kommt es auf den entsprechenden Abstand an, damit es weniger zu Spannungen und Verwerfungen kommt.
Nach Beendigung meiner Fliesenarbeiten bin ich richtig stolz auf mich.
Die übernommene Aufgabe ist erledigt, ich hab es geschafft! Und nebenbei sind mir noch
einige Gedanken über das Fliesen und das Miteinander der Menschen gekommen, die
ich Ihnen heute nicht vorenthalten wollte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen