Warum wollen nur noch Vier- und Fünfjährige Baggerfahrer werden?
Eine ganze Wand in seinem
Kinderzimmer sollte unbedingt mit der Baggertapete beklebt werden. Das musste
sein, das war der größte Wunsch des Vierjährigen. Sein Lieblingsspielzeug ist zurzeit
ein großer Bagger mit beweglicher Schaufel und sogar einem Anhänger für die
Erde und den Sand.
Aber er ist da wohl kein
Einzelfall in seiner Altersgruppe. Immer wieder beobachte ich an der Baustelle
in unserem Viertel, dass dort regelmäßig Väter und Mütter mit ihren Kleinen am
Rand der Baustelle verweilen müssen. Fasziniert beobachten die Kinder mit
großen, staunenden Augen die Bewegung der Kräne, verfolgen die Fahrt der
Baufahrzeuge und natürlich die Bagger bei der Arbeit. Da müssen die Eltern
schon eine große Portion Geduld aufbringen, um ihren Weg dann endlich fortsetzen
zu können. Mancher der Knirpse hat sogar seinen kleinen Bagger dabei und beginnt
sofort damit, das Gesehene auf dem schmutzigen Fußweg nachzuspielen, oft zum
Entsetzen der Eltern.
Und da kommt mir der
Gedanke, ob das nicht der Punkt ist, an dem Eltern beginnen, ihren Kindern den Beruf
des Bagger- oder Kranfahrer systematisch auszureden? Auf der Baustelle ist es
laut, staubig und die Arbeit auch heute noch ganz schön anstrengend. „Nein,
unser Kind soll es doch einmal besser haben“, meinen die besorgten Eltern. Wie ist es sonst möglich, dass gerade im
Baugewerbe und im Handwerk die Lehrlinge und die Fachkräfte fehlen? Überall
dort, wo noch richtig angepackt werden muss. Der frühe Wunsch der Kinder,
später einmal etwas Praktisches zu machen, zu bauen und zu gestalten, wird schon
bald als Kindertraum abgestempelt, beiseitegeschoben und als nicht realistisch
eingeschätzt und in die frühkindliche Märchenwelt verwiesen. Das war es dann auch
schon.
Die Schule setzt mit ihren
Lehrinhalten das Ganze später fort. Sie vermittelt jede Menge Wissensstoff,
Zahlen, Gleichungen und Analysen, die aber zu wenig bis keinen praktischen
Bezug zu einem späteren Beruf der Kinder haben. Handfestes Anpacken, ein Umgang
mit Hammer, Zange und Nägeln wäre gerade für die Jungen eine willkommene
Herausforderung. Doch Fehlanzeige! Da könnte es ja mal einen blauen Daumen
geben, oh je. So werden die meisten Kinder ganz schnell weichgespült und
verkopft. Und das zeigt schon bald Wirkung. Sehe ich an der gleichen Baustelle etwas
ältere Schüler vorbeigehen, so bemerken
diese nicht einmal mehr, dass hier gebaut wird. Sie schauen bloß noch auf das
Display ihrer Smartphone und tauschen Nachrichten aus. Worüber nur, frage ich
mich manchmal?
Ihre Vorstellungen vom
späteren Berufen sind nun, dank ihrer Erziehung, ganz andere geworden. Sie
wollen schnell reich werden, also am besten gleich Banker werden. Sie wollen etwas
erleben, also etwas mit Medien oder Tourismus machen. Es wäre toll etwas mit
Menschen zu machen, ja in die Richtung „Soziales“ solle es gehen, keine Ahnung.
Andere haben gleich gar keine Vorstellung, Hauptsache erst mal studieren. Ein
Zweit- oder Drittstudium ist keine Seltenheit.
Und mit 30 ist noch lange nicht Schluss. An einen engagierten Start ins
Berufsleben ist da nicht mehr zu denken.
Wie schafft es unsere heutige
Gesellschaft mit ihrem Bildungssystem nur, so viele junge Menschen in der
Schule heranzubilden, deren Köpfe mit Wissen, oder was andere dafür halten,
vollzustopfen, was oft so wenig für das Leben taugt? Heißt es nicht schon bei den Alten: „Non
scholae, sed vitae dicimus“ - „Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen
wir.“ Oder wie es schon Johann Wolfgang von Goethe sagt: „Ein Blick ins Buch
und zwei ins Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben.“
Wo aber diese Einblicke ins
wirkliche Leben den Heranwachsenden nicht mehr geboten werden oder sie ihnen
als „kindliche Flausen“ schnellstens
wieder ausgetrieben werden, da führt dies zu einer sehr eingeschränkten Wahrnehmung
der Wirklichkeit und macht echte und gute Entscheidungen immer schwieriger.
Ist es deshalb etwa zu
provokant zu sagen, manch junger Mensch
wäre sicher ein guter Handwerker oder
Baufachmann geworden, wenn er nur die Möglichkeit dazu bekommen hätte?
Wir brauchen dringend tüchtige
Baggerfahrer, zuverlässige Lockführer und mutige Feuerwehrleute, also Menschen, die Werte schaffen und
schützen. Und all diese Menschen, die sich um das Wohlergehen anderer Menschen
kümmern, die brauchen wieder unsere Anerkennung und Wertschätzung.
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