„Grün ist beautiful“
Das, was hier wie ein
euphorisches Parteitagsmotto der „Grünen“ klingen könnte, ist es aber bei
Weitem nicht. Es handelt sich auch nicht um einen Werbeslogan der Vegetarier
und Veganer, die für grüne Kost oder andere grüne Produkte werben, sondern es
ist ein Ausruf des reinen Entzückens beim Blick in die unendlich grüne
Landschaft, von der das Foto leider nur einen ganz kleinen Teil wiedergeben
kann. Grün soweit das Auge reicht.
Nicht ohne Grund wird deshalb
Irland ja auch die „grüne Insel“ genannt. Gerade im Monat Mai, wenn alles Grün
noch ganz jung und frisch ist, wird jeder Betrachter von dieser grünen Vielfalt
fast überwältigt. Er stellt mit Erstaunen fest, dass grün eben nicht gleich
grün ist. Die Anzahl der Farbnuancen scheint schier unendlich zu sein. Blätter,
Büsche, Bäume und immer wieder die saftigen Weiden, alles prangt im satten
Grün. Je nach Lichteinfall und Sonnenschein wechseln die verschiedenen Grüntönungen
von einem Augenblick zum anderen ihr Aussehen. Und doch wirkt dieses
Farbenspiel nicht etwa unruhig, sondern es schenkt dem Auge des Betrachters
Ruhe und führt zum inneren Frieden.
Abgesehen von der
Hauptstadt Dublin und den wenigen größeren Städten Irlands, strahlt das ganze
Land eine besonders ruhige und friedliche Atmosphäre aus. Das Leben geht in den
ländlichen Gebieten noch immer langsam und beschaulich zu. Hier wird der
gestresste Besucher schnell zu Ruhe kommen, wenn er sich darauf einlassen kann.
Und doch hatte gerade dieses
Land in seiner langen Geschichte selbst so wenig Frieden und Ruhe. Die „grüne
Insel“ war oft eher rot vom Blut der Menschen, die immer wieder ums blanke Überleben
und gegen Unterdrückung von außen kämpfen mussten. Bis in die jüngste Zeit hinein
gab es die schlimmsten Auseinandersetzungen zwischen dem britisch dominierten
Norden und dem Süden der Insel. Die
Folgen von Bomben, Terror und Trennung sind bis heute noch besonders in Belfast
in Nordirland zu sehen und werden den Besuchern dort gezeigt. Wie viel Blut ist
doch auf beiden Seiten in diesem Land vergossen worden? Und noch immer sind
Ungleichheit und die Trennung nicht restlos überwunden. Noch längst sind nicht
alle Iren einander „grün“, wie wir es zu sagen pflegen, wenn einer mit dem
anderen nicht zurechtkommt.
Zwar ist der lange Irlandkonflikt,
der in der jüngsten Geschichte 3600 Terroropfer kostete und unendlich viel Leid
über die Betroffenen brachte, aus den Schlagzeilen der Presse und den
Nachrichten verschwunden und seit 1998 weitgehend befriedet, aber Gras ist noch
lange nicht über alles gewachsen und wenn, dann ist die Grasnarbe sehr dünn und
verletzlich. Noch heute werden in Belfast die von Katholiken und die von
Protestanten bewohnten Stadtviertel von einer acht Meter hohen Mauer getrennt
und die schweren Eisentore zwischen ihnen werden nachts immer noch geschlossen.
Als wir beim unserem Besuch in Belfast davon hörten, konnten wir das fast gar nicht
glauben. Wir mussten aber erfahren, dass die Angst vor Übergriffen noch tief
sitzt und sehr real ist. Leider wird diese Trennung noch von Hardlinern auf
beiden Seiten künstlich aufrecht erhalten. Die Gräben sind tief und die Mauern
hoch. Abgrenzung kann aber auf Dauer keine Lösung sein.
Auch wenn es bei der
jüngeren Generation jetzt Zeichen der Hoffnung und der Gemeinsamkeit gibt, denn
sie haben im 21. Jahrhundert ganz andere Sorgen und Herausforderungen, als
diese jahrhundertealte Konflikttradition zu pflegen, so wird ihnen doch von den
älteren Genrationen diese schwere Last immer wieder auferlegt. Es kostet viel
Kraft und guten Willen, sich davon zu befreien. Was für ein schweres und
schmerzliches Erbe können doch die Taten früherer Generationen für die heute
Lebenden sein?
Schuld und Versagen, Hass
und Streit der Menschen sind also nicht nur persönliche Verfehlungen, sondern
haben immer eine strukturelle Dimension. Sie sind wie ein Erbe, dass der
Einzelne nicht einfach ablehnen könnte. Alles Handeln der Menschen bringt eine
Nachhaltigkeit mit sich, die entweder als drückende Last erfahren wird oder sie
schenkt Freiheit und Frieden.
Mauern aufzurichten,
Stacheldrahtzäune zu ziehen oder Gräben
auszuheben ist verhältnismäßig leicht und geht oft sehr schnell. Sie aber wieder
abzubrechen und zuzuschütten ist dagegen schwer, denn sie hinterlassen ihre
Spuren ganz tief im Denken und Fühlen
der Menschen. Darum stellt es für jede Generation eine große Herausforderung
für alle Verantwortlichen dar, was sie den nachfolgenden Generationen ins Herz
pflanzen; Hass und Streit, der die Zukunft vergiftet und Leben zerstört oder
Versöhnung und Liebe. Das Letztere sollte immer das Ziel jeden Handelns sein.
Diese Hoffnung schenkt Leben
und diese Hoffnung ist so „beautiful grün“ wie Irland selbst, die „Grüne
Insel“.
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