Sonntag, 7. Februar 2016

Gedanken beim Verlegen von Fliesen



Neulich habe ich das Gäste-WC im Haus der Familie meiner Nichte neu gefliest. Ich muss ihr wohl irgendwann erzählt haben, dass ich so etwas schon einmal gemacht habe. Nun ja, das lag  jedoch schon lange zurück. Zudem bin ich auch kein gelernter Fliesenleger. Als mich dann meine Nichte verbindlich fragte, wollte ich keinen Rückzieher machen und habe zugesagt. 
 
„Ja, ich  schaffe das“, sagte ich zu ihr,  aber noch mehr zu mir selbst. Nachdem ich mir die Maße aufgeschrieben, das Material begutachtet und Fotos vom „Tatort“ gemacht hatte, begann sich  das Gedanken- Karussell schon bald auch noch im Schlaf zu drehen. Skizzen wurden gemacht und Berechnungen angestellt. Ich fühlte mich herausgefordert, was ich ja immer noch sehr mag, und natürlich bei meiner Handwerker- bzw. Heimwerker-Ehre gepackt. Gut ausgerüstet mit Werkzeug und Arbeitskluft, machte ich mich auf den Weg.
 
Wer nun aber denkt, dass meine Berechnungen und Überlegungen mit der Realität vor Ort übereinstimmen würden, der irrt gewaltig. Ich kannte zwar aus meiner Lehrzeit noch den Satz aus der Tischlerei: „Keine Rückwand eines Schrankes ist poliert“, aber es kam doch immerhin bei der Genauigkeit auf den Millimeter an. Im Bau scheint das aber nicht zu gelten. Mein Entsetzen war groß. Keine einzige Wand, ob gemauert oder als Trockenbau, war im rechten Winkel, der Fußboden war uneben und die Höhen stimmten nicht überein. Da kam eine Menge zusätzliche Arbeit auf mich zu. Doch, „Ich schaffe das“, war die Devise.
Und so ging es auch schon los. Mit  einem modernen Lasergerät wurde eine waagerechte Linie für die Oberkante der Fliesen markiert und die Senkrechte ausgelotet. Als die ersten Fliesen dann an der Wand waren, stellte sich auch bald wieder eine  gewisse Routine eine. Der Anfang war gemacht. Auf ihn  kommt es an. Wenn hier etwas, im wahrsten Sinne des Wortes, schiefgeht, dann wird alles schief.

Damit bin ich auch schon bei meinen Gedankengängen, die über das Fliesenlegen im Besonderen und das Leben der Menschen im Allgemeinen hinausgehen, angelangt. Ich musste zuerst abwägen, ob ich das wirklich schaffe. Die nächste Frage war, wie schaffe ich das und in welcher Zeit? Natürlich bleibt bei all dem ein gewisses Risiko, Unwägbarkeiten und Probleme können auftreten. Beim Fliesenlegen kommt es zu Beginn auf eine gerade Linie an, woran sich alles Weitere orientiert, wie ich es schon beschreiben habe. Das ist aber auch auf alle Bereiche in unserem Leben zu übertragen, egal ob es um persönliche oder um gesellschaftliche Fragen geht. Eine klare Linie ist das A und O. Wo die Geradlinigkeit fehlt, kommt  alles schnell in eine Schieflage. Oder  wie es ein wahres Wort sagt: „Der Anfang geht mit“, ob es nun ein guter oder ein schlechter ist.

Wie oft muss denn heute in der Tagespolitik zurückgerudert werden, gilt das nicht mehr, was gerade noch gestern gemeinsam beschlossen worden ist?  Oft wird eben einfach zu dick aufgetragen. Beim Verlegen von Fliesen kommt es entscheidend darauf  an, wie dick der Kleber aufgetragen wird. Für jedes Format gelten dabei unterschiedliche Stärken. Mit den entsprechenden Werkzeugen wird das sehr genau erreicht. Diese Kenntnis sollte man schon haben und sich zudem an die Richtlinien und Vorgaben der Branche halten. Nur so ist die Haftung der Fliesen an der Wand sicher gegeben. Ein zu dicker Auftrag führt dazu, dass der  Kleber aus den Fugen quillt, alles verschmutzt und die Arbeit zusätzlich erschwert. 

Beim Fußboden muss besonders darauf geachtet werden, dass er tragfähig ist und die Fliesen eine gute Bodenhaftung haben und eine solche gewährleisten. Diese Bodenhaftung vermisse ich  allerdings bei allzu vielen Menschen, gerade in der Öffentlichkeit,  immer mehr. Das wäre aber ein ganz eigenes Kapitel.

Das Fliesenlegen erfordert also eine ganze Menge handwerkliches Können, einen sach- und fachgerechten Umgang mit den unterschiedlichen Materialien, einen Blick für die konkrete Raumsituation und ein ästhetisches Gespür, um ein ansprechendes Gesamtbild zu schaffen, welches noch durch die Gestaltung der Fugen hervorgehoben wird. Fugen dienen aber nicht nur der Ästhetik, sonder haben als Dehnungsfugen gerade im Bodenbereich, die Aufgabe Spannungen auszugleichen und Übergänge zwischen verschieden Materialien zu gestalten. Die Fuge ist also mehr als eine Lücke zwischen zwei Fliesen. Auch zwischen zwei oder mehr Menschen kommt es auf  den entsprechenden Abstand an, damit  es weniger zu Spannungen und Verwerfungen kommt.

Nach Beendigung meiner Fliesenarbeiten bin ich richtig stolz auf mich. Die übernommene Aufgabe ist erledigt, ich hab es geschafft! Und nebenbei sind mir noch einige Gedanken über das Fliesen und das Miteinander der Menschen gekommen, die ich Ihnen heute nicht vorenthalten wollte. 

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