Mittwoch, 9. März 2016


Findlinge – Zeugen vergangener Jahrtausende


Sicher sind sie Ihnen auch schon einmal aufgefallen, die Findlinge. Sie liegen oft am Rande des Weges oder eines Ackerfeldes. Findlinge werden diese großen runden Steine genannt, die heute noch manchem Landwirt zu schaffen machen. Als würden sie aus dem Boden wachsen, tauchen sie an der Oberfläche auf. Sie sind  tonnenschwer und jeder wundert sich, wo sie eigentlich herstammen, denn in unmittelbarer Nähe lässt nichts auf ihre Herkunft schließen. Der Name „Findlinge“ macht gleichfalls auf die Unsicherheit über deren Ursprung deutlich. Diese erratischen Blöcke werden an Orten gefunden, wo sie gar nicht hingehören. So tragen sie zu recht noch heute den Namen, Findlinge!
Natürlich wissen wir inzwischen sehr genau, dass diese Kolosse uralte Zeugen der Eiszeit und ihrer Gletscher sind. Das meterhohe Eis der Gletscher hat diese Steine einst vor tausenden von Jahren aus den Bergen in das Vorland geschleppt oder sie von Skandinavien bis nach Norddeutschland transportiert. Über lange Zeiten und Distanzen wurden die Felsbrocken durch den enormen Druck unter dem Eis über das Geröll geschleift und dabei rundeten sich ihre Ecken und Kanten allmählich ab und sie erhielten ihre heutige runde Form.  Die enormen Eismassen haben so durch ihr Vordringen und das Zurückweichen in dieser unendlich langen Zeit ihre Spuren durch das Land gezogen, die wir in Form von Endmoränen und Flusstälern noch heute deutlich erkennen können.
Wir leben in  einer sehr schnelllebigen Zeit und können uns diese riesigen Zeiträume gar nicht richtig vorstellen. Bei uns muss alles immer schnell gehen und jeder Wunsch möglichst sofort erfüllt werden. Verglichen mit der schier unendlichen  Zeitpanne der Vorgeschichte unserer Erde und den Jahrtausenden der Geschichte der Menschen, ist natürlich das Leben des einzelnen Menschen ein kaum sichtbares Pünktchen auf dem Zeitstrahl der Entwicklung. Alles was außerhalb unserer eigenen Lebensspanne liegt, bleibt uns, bei allem theoretischen Wissen darum, doch irgendwie fremd und manches wirkt sogar unheimlich.

Findlinge üben auf mich eine ganz besondere Faszination aus. Sie erscheinen mir wie „fremde Wesen“ aus einer längst vergangenen Zeit. Aber sie erinnern mich auch an Menschen, die in sich ruhen und Gelassenheit ausstrahlen. Die in ihrem Leben so manches erlebt und erlitten haben. Die gleichsam all ihre Ecken und Kanten verloren haben auf ihrem Weg durch das Leben. Doch der Druck und die Lasten haben sie nicht zerstört, sondern gerundet und bewegt. Ihre Gedanken und Worte sind nicht oberflächlich und schnell vergänglich, sondern diese kommen aus einer großen Tiefe ihres Seins. Sie sind eher schweigsam und verhalten in unserer sonst so geschwätzigen Zeit, wenn sie aber sprechen, dann hat das Gesagte wirklich Gewicht. So manchem kommen sie eher fremd und etwas verloren in unserer heutigen Zeit vor, denn sie tauchen schon mal an Orten und zu Zeiten auf, wo sie keiner so recht erwartet. Sie sind dann einfach da und präsent und wirken deshalb für andere Menschen sogar eher störend.
Sie haben noch eine Ahnung davon, dass auch heute nicht alles schnell, schnell gehen muss, von jetzt auf gleich, sondern dass Vieles eben Zeit braucht. Sie denken in anderen Dimensionen und Zusammenhängen, weil eins oft nicht ohne ein anderes denkbar ist und schon gar nicht machbar. Solche Menschen sind für mich wie „Findlinge“ am Wege. Sie laden ein zum Ausruhen und zum Verweilen. Leider begegnen uns solche Menschen nicht oft an unseren Wegen, genau wie die Findlinge, werden sie immer seltener. Doch es lohnt sich, solche Menschen zu suchen und zu finden.
 
Wenn wir ihnen begegnen, sind sie nämlich für uns wie ein Geschenkt aus der Tiefe der Zeiten und des Lebens, wie die Findlinge auch, Zeugen einer anderen Wirklichkeit.

 

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