Donnerstag, 17. Juli 2025

Klassentreffen

 

Die einen jubeln und freuen sich auf das Treffen, andere verdrehen die Augen und meinen: „Da sind doch nur noch alte Leute“. Sei´s drum.  In diesem Jahr wurde der Termin direkt mit mir abgestimmt, da konnte ich schlecht nein sagen. Also ja, da kam auch schon der Haken. Die Frage, eher eine rhetorische Frage: „Du hältst doch gewiss eine kleine Rede?“  Da blieb mir gar keine Wahl, als ein paar Wort zu verlieren. Diese mussten aber erst einmal gefunden werden. Und prompt folgte noch der überaus hilfreiche Hinweis: „Du kannst ja etwas aus der Schule plaudern“.

Na, danke auch, was denn sonst? Doch das war jedoch gar nicht so leicht, denn ich musste wirklich gut überlegen, wann und wie das damals in der Schule so war? Im September 1956 fand die Einschulung statt. Ein fester Termin in der DDR. Alles zentral geregelt. Mit der Zuckertüte im Arm, aber ohne weiteres Brimborium, ging es gleich los. In unserer Zuckertüte waren nur ein paar Buntstifte und einige  Süßigkeiten, Halloren Kugeln oder eine Tafel Vollmilchschokolade vom „VEB-Rotstern“. Was es eben gerade im Konsum gab.  Manche von uns ABC-Schützen hatten bereits den Pionierfüller Marke „Heiko“ in ihrer Schultüte. Aber den brauchten wir noch gar nicht.

 Wir fingen nämlich noch mit einer Schiefertafel, Griffel, Schwamm und Lappen an. Die ersten Buchstaben wurden mit dem Schieferstift auf die Tafel geschrieben. Eigentlich sehr ökologisch. Danach einfach wisch und weg. Heutzutage haben die Kids, wie man sie neudeutsch nennt, oft schon ein Smartphone in der prallgefüllten Schultüte.

 Für uns begann also der sogenannte „Ernst des Lebens“, wie oft betont wurde. Doch Schule war manchmal auch cool. Das hieß zu der Zeit noch nicht so, denn das Wort „cool“  gab es im Osten noch nicht. Ein Problem gab es jedoch für uns Schüler schon damals, das waren die Stunden zwischen den Pausen. Die vergingen oft mühsam und zäh. Oder es herrschte eine große Anspannung, wenn eine Leistungskontrolle angesagt war. Da war jeder froh, der weiter vorn saß, denn die Lehrer blickten einfach über sie hinweg. Alle saßen im Klassenraum noch brav in festen Bankreihen. Das wird heute abschätzig als „Frontalunterricht“ bezeichnet, aber  kooperative Lernformen, selbst organisiertes Lernen oder projektorientierten Unterricht kannten wir damals nicht.

 Wir gingen 10 Jahre zur Schule und das ist wörtlich zu nehmen, denn keiner wurde in unserer Kindheit mit dem „Elterntaxi“ kutschiert. Mit dem Tornister auf dem Rücken ging es zu Fuß oder später mit dem Fahrrad zur Schule. Jeden Montag fand ein Fahnenappel statt. Das bedeutete, antreten auf dem Schulhof mit blauem Pionierhalstuch. Feierlich wurde die Fahne gehisst, alle mussten strammstehen. Einfach schaurig schön, wenn man heute daran denkt.  Ich jedenfalls stand während des Fahnenapell manchmal vor dem verschlossenen Schulhoftor und bekam einen Tadel. Wer zu spät kam, den bestrafte damals nicht das Leben, sondern der Klassenlehren.

Im Unterricht begann das Hoffen und Bangen. Die einen hofften, zur Leistungskontrolle dran zu kommen, weil sie gerade gelernt hatten, andere bangten, mit ihren Wissenslücken erwischt zu werden. So ging das Jahr ein und Jahr aus. Neulich las ich, dass ein Schüler etwa 12.000 Stunden die Schulbank drückt bis zum ersehnten Abschluss. Immerhin ist während dieser Zeit in der Polytechnischen Oberschule, doch etwas aus dem Unterricht hängen geblieben.  Obwohl so manches hatte nicht unbedingt etwas mit dem späteren Leben zu tun. Wer von uns kann denn noch Russisch? Das war fünf Jahre lang ein Pflichtfach. Denn die Russen, zu der Zeit noch Sowjetbürger, waren ja unsere Brüder.  Das wurde in der DDR immer wieder stark betont. Doch jeder wusste, Freunde kann man sich aussuchen, Brüder nicht! Das durfte natürlich nicht allzu laut geäußert werden. Obwohl, ein paar  russische Wörter sind selbst bei mir hängen geblieben. Es waren „Mir“ und „Druschba“, also Frieden und Freundschaft. Doch daran mangelt es gerade in den Ländern der damaligen Sowjetunion besonders.

 Zum Schulalltag  gehörte auch, dass bei Klassenarbeiten immer schon Schüler geschummelt haben. Es wurden kleine Spickzettel heimlich von Reihe zu Reihe weitergereicht. Die Lösung kam dann auf dem gleichen Weg zurück. Das war recht riskant, man durfte sich nicht erwischen lassen. Heutige Schüler haben es viel leichter, sie benutzen dazu ihr Smartphone. Per Whats App werden damit die  Ergebnisse ausgetauscht. Es besteht auch keine Gefahr, dass der Lehrer diese Nachrichten entziffern könnte, denn durch die „individuelle“  Rechtschreibung der Schüler sind diese ausreichend verschlüsselt.

 Am Schluss steht wohl fest, nie ist alles nur schlecht, was einmal war und nicht alles ist einfach nur gut, weil es neu und anders ist. Übrigens, waren wir „aufgeweckte“ Schüler, wenn der Lehrer plötzlich laut wurde oder schon mal ein Schlüsselbund durch den Klassenraum flog. Soll schon mal vorgekommen sein. Als Schüler waren wir nicht faul. Wie manche Lehrer gern behauptet haben. Wir hatten nur auf den Energiesparmodus umgeschaltet, wie man heute so schön sagt. Wer es damit überrieben hat, der wurde am Schuljahresende einfach auf „Reset“ gesetzt. Das hieß, nicht versetzt. Unsere  Schulzeit liegt jetzt schon lange hinter uns. Im Blick zurück können wir feststellen, es gab schon damals Stress, nicht alles war leicht, aber es gab auch acht Wochen Sommerferien. Da dachte keiner an die Schule.

Noch  manch andere Storys werden bei Klassentreffen erzählt  und wen wundert es, dass nach so langer Zeit allmählich eine gewisse Legendenbildung einsetzt.. Vielleicht ist das gerade ein Grund, warum manche so gern an diesen Treffen teilnehmen?

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