Die
einen jubeln und freuen sich auf das Treffen, andere verdrehen die Augen und
meinen: „Da sind doch nur noch alte Leute“. Sei´s drum. In diesem Jahr wurde der Termin direkt mit mir
abgestimmt, da konnte ich schlecht nein sagen. Also ja, da kam auch schon der
Haken. Die Frage, eher eine rhetorische Frage: „Du hältst doch gewiss eine
kleine Rede?“ Da blieb mir gar keine
Wahl, als ein paar Wort zu verlieren. Diese mussten aber erst einmal gefunden
werden. Und prompt folgte noch der überaus hilfreiche Hinweis: „Du kannst ja
etwas aus der Schule plaudern“.
Na,
danke auch, was denn sonst? Doch das war jedoch gar nicht so leicht, denn ich musste
wirklich gut überlegen, wann und wie das damals in der Schule so war? Im September
1956 fand die Einschulung statt. Ein fester Termin in der DDR. Alles zentral
geregelt. Mit der Zuckertüte im Arm, aber ohne weiteres Brimborium, ging es gleich
los. In unserer Zuckertüte waren nur ein paar Buntstifte und einige Süßigkeiten, Halloren Kugeln oder eine Tafel
Vollmilchschokolade vom „VEB-Rotstern“. Was es eben gerade im Konsum gab. Manche von uns ABC-Schützen hatten bereits den
Pionierfüller Marke „Heiko“ in ihrer Schultüte. Aber den brauchten wir noch gar
nicht.
Wir
fingen nämlich noch mit einer Schiefertafel, Griffel, Schwamm und Lappen an. Die
ersten Buchstaben wurden mit dem Schieferstift auf die Tafel geschrieben.
Eigentlich sehr ökologisch. Danach einfach wisch und weg. Heutzutage haben die
Kids, wie man sie neudeutsch nennt, oft schon ein Smartphone in der prallgefüllten
Schultüte.
Für
uns begann also der sogenannte „Ernst des Lebens“, wie oft betont wurde. Doch Schule
war manchmal auch cool. Das hieß zu der Zeit noch nicht so, denn das Wort
„cool“ gab es im Osten noch nicht. Ein
Problem gab es jedoch für uns Schüler schon damals, das waren die Stunden
zwischen den Pausen. Die vergingen oft mühsam und zäh. Oder es herrschte eine
große Anspannung, wenn eine Leistungskontrolle angesagt war. Da war jeder froh,
der weiter vorn saß, denn die Lehrer blickten einfach über sie hinweg. Alle
saßen im Klassenraum noch brav in festen Bankreihen. Das wird heute abschätzig als
„Frontalunterricht“ bezeichnet, aber kooperative Lernformen, selbst organisiertes
Lernen oder projektorientierten Unterricht kannten wir damals nicht.
Wir
gingen 10 Jahre zur Schule und das ist wörtlich zu nehmen, denn keiner wurde in
unserer Kindheit mit dem „Elterntaxi“ kutschiert. Mit dem Tornister auf dem
Rücken ging es zu Fuß oder später mit dem Fahrrad zur Schule. Jeden Montag fand
ein Fahnenappel statt. Das bedeutete, antreten auf dem Schulhof mit blauem
Pionierhalstuch. Feierlich wurde die Fahne gehisst, alle mussten strammstehen. Einfach
schaurig schön, wenn man heute daran denkt. Ich jedenfalls stand während des Fahnenapell manchmal vor dem verschlossenen Schulhoftor und bekam einen Tadel. Wer zu spät kam, den bestrafte damals nicht das Leben, sondern der
Klassenlehren.
Im
Unterricht begann das Hoffen und Bangen. Die einen hofften, zur Leistungskontrolle
dran zu kommen, weil sie gerade gelernt hatten, andere bangten, mit ihren
Wissenslücken erwischt zu werden. So ging das Jahr ein und Jahr aus. Neulich
las ich, dass ein Schüler etwa 12.000 Stunden die Schulbank drückt bis zum
ersehnten Abschluss. Immerhin ist während dieser Zeit in der Polytechnischen
Oberschule, doch etwas aus dem Unterricht hängen geblieben. Obwohl so manches hatte nicht unbedingt etwas mit dem späteren
Leben zu tun. Wer von uns kann denn noch Russisch? Das war fünf Jahre lang ein
Pflichtfach. Denn die Russen, zu der Zeit noch Sowjetbürger, waren ja unsere
Brüder. Das wurde in der DDR immer wieder
stark betont. Doch jeder wusste, Freunde kann man sich aussuchen, Brüder nicht!
Das durfte natürlich nicht allzu laut geäußert werden. Obwohl, ein paar russische Wörter sind selbst bei mir hängen
geblieben. Es waren „Mir“ und „Druschba“, also Frieden und
Freundschaft. Doch daran mangelt es gerade in den Ländern der damaligen
Sowjetunion besonders.
Zum Schulalltag gehörte auch, dass bei Klassenarbeiten immer
schon Schüler geschummelt haben. Es wurden kleine Spickzettel heimlich von Reihe zu Reihe weitergereicht.
Die Lösung kam dann auf dem gleichen Weg zurück. Das war recht riskant, man
durfte sich nicht erwischen lassen. Heutige Schüler haben es viel leichter, sie
benutzen dazu ihr Smartphone. Per Whats App werden damit die Ergebnisse ausgetauscht. Es besteht auch
keine Gefahr, dass der Lehrer diese Nachrichten entziffern könnte, denn durch
die „individuelle“ Rechtschreibung der
Schüler sind diese ausreichend verschlüsselt.
Am Schluss steht wohl fest, nie ist alles nur schlecht, was einmal
war und nicht alles ist einfach nur gut, weil es neu und anders ist. Übrigens, waren wir „aufgeweckte“ Schüler, wenn der
Lehrer plötzlich laut wurde oder schon mal ein Schlüsselbund durch den
Klassenraum flog. Soll schon mal vorgekommen sein. Als Schüler waren wir nicht faul.
Wie manche Lehrer gern behauptet haben. Wir hatten nur auf den Energiesparmodus
umgeschaltet, wie man heute so schön sagt. Wer es damit überrieben hat, der
wurde am Schuljahresende einfach auf „Reset“ gesetzt. Das hieß, nicht versetzt.
Unsere Schulzeit liegt jetzt schon lange hinter uns.
Im Blick zurück können wir feststellen, es gab schon damals Stress, nicht alles
war leicht, aber es gab auch acht Wochen Sommerferien. Da dachte keiner an die
Schule.
Noch manch andere Storys werden bei
Klassentreffen erzählt und wen wundert es, dass nach so langer Zeit allmählich eine gewisse Legendenbildung einsetzt..
Vielleicht ist das gerade ein Grund, warum manche so gern an diesen Treffen teilnehmen?
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