Der Stau oder die begrenzte Strategie
Kaum
auf der Autobahn und an der ersten Abfahrt vorbei, plötzlich rote Bremslichter und
Warnblinkleuchten vor mir auf beiden Fahrspuren. Stau! Alles steht. Der Verkehrsfunk
meldet, leider zu spät: 8 km Stau auf der A 14 wegen eines umgekippten LKW. Was
kann ich machen? Links Leitplanken und rechts die Böschung, vor mir
Riesenschlangen von Autos jeder Größe. Welche Strategie ist nun richtig? Eine
Abfahrt kommt nach etwa 4 km. Also wieder auf die rechte Spur zwischen die
Brummis. Später kann es mit den dicht auffahrenden LKW schwierig werden,
dazwischen zu kommen. Falsch, die linke Spur bewegt sich einfach schneller.
Wieder auf die Überholspur, schwierig, aber es geht. Jetzt stockt es aber hier und die LKW ziehen
vorbei. Keine Strategie scheint zu funktionieren, ich bin immer auf der
falschen Spur.
Da
komme ich mir mal wieder vor, wie letztens im Supermarkt. Auch da stehe ich oft an der
falschen Kasse. Ich hatte noch die Einkaufswagen an den einzelnen Kassen
gezählt. Nur einer vor mir, Gott sei Dank, das ist O. K., da geht es heute
schnell. Da ruft die Kassiererin auch schon in ihr Mikrophon: „Was kosten die
Brötchen von gestern?“. Ehe die Antwort von der Backwarenabteilung kommt, ist
die Nachbarkasse längst wieder frei. Zurück geht nicht mehr, alle Waren schon
auf dem Laufband. Und dann findet die Kundin vor mir zu allem Überdruss auch
noch ihre EC-Karte nicht und muss das letzte Kleingeld zusammen suchen. Das kann
dauern!
Zum
Glück rollt die Blechlawine auf der Autobahn nun wieder einige hundert Meter
weiter. Aber das kann dauern! Das einzige, was jetzt noch hilft, ist wohl Geduld
und positiv zu denken. Verlorene Zeit oder geschenkte Zeit? Ich schaue mir in
aller Ruhe die Wolkenformationen am Himmel an und lasse meine Gedanken
schweifen. Zeit habe ich ja nun. Und so
kommen mir Bilder und Vergleiche in den Sinn.
Wie
vieles im Leben der Menschen ähnelt doch der Situation des Staus. Dieser kommt
meistens unerwartet. Er bringt unsere Pläne und Zeiten gehörig durcheinander
und das bedeutet Stress und erhöht zudem die Unfallgefahr. Für ihr Leben machen
sich die Menschen viele Gedanken und entwickeln tolle Strategien, wie sie rasch
und problemlos vorwärts kommen. Wie oft aber gehen diese menschlichen Pläne
eben nicht auf. Was dann, wenn es heißt:
Abfahrt verpasst, kein Platz auf der Überholspur, alles so zäh fließend, „stopp
and go“, Stillstand? Nichts geht mehr oder nur sehr langsam. Das gesamte bisherige
Leben kommt ins Stocken. Wie kann es dann weitergehen? Dann gilt es vor allem, seine Spur finden und halten,
nicht hektisch werden, zur Ruhe kommen, das hilft neue Möglichkeiten zu entdecken.
Eine so genannte „Auszeit“ ist eine Zeit des Innehaltens. Sie kann den Blick erweitern
und helfen, das Wesentliche zu erkennen und Dinge und Menschen neu zu sehen. So
eine Zeit der „Entschleunigung“ ist eine Chance, wieder bewusster zu leben. Dazu müssen wir heutigen
Menschen buchstäblich den Fuß vom Gas nehmen und wenigsten einen oder zwei Gänge
herunterschalten. Und das nicht erst, wenn wir die roten Bremsleuchten und die
Warnblickleuchten am Stauende sehen. Wie oft hören wir, dass diese auf der
Autobahn übersehen werden und es zu tragischen Auffahrunfällen kommt.
Noch
häufiger werden aber im Zusammenleben der Menschen solche Warnsignale nicht wahr oder ernst genommen und das mit fatalen Folgen in unserer so schnelllebigen Zeit. Nur rechtzeitiges
Reagieren hilft hier, noch Schlimmeres zu verhindern.