Der kleine Muck – nur ein Märchen
Märchen haben bei den
meisten Menschen keinen großen Stellenwert. Es sei denn bei den ganz Kleinen
oder bei älteren Leuten, die sie wieder entdeckt haben, weil sie die Schönheit
der Märchen und die tiefere Wahrheit darin schätzen gelernt haben. Die anderen
tun sie leicht als Kinderkram ab. Für sie ist bestenfalls in ihrem
Sprachgebrauch einmal ein schönes Wochenende „märchenhaft“, weil es sie der
Realität des Alltags enthoben hatte und sie sich wie im „siebenten Himmel“
gefühlt haben.
Und genau das ist es ja gerade,
was die Märchen tun. Sie führen uns auf ihre Weisen durch das Leben. In ihnen
werden die Wünsche und Hoffnungen aller Menschen sichtbar.
In einem alten
Märchenbuch aus meinen Kindertagen wird von dem Märchenschreiber Wilhelm Hauff vom kleinen Muck
erzählt. Muck ist nicht gerade vom
Schicksal verwöhnt. Er ist kleinwüchsig und hat einen viel zu großen
Wasserkopf, den der riesige Turban noch größer erscheinen lässt. Die Leute
verlachen ihn und seine Herrschaft ist sehr streng zu ihm. Nach einem
Missgeschick in seinem Dienst befürchtet er harte Strafen. Er will lieber fliehen. In einer Kammer des Hauses entdeckt er überdimensionale Pantoffeln und ein kleines Stöckchen mit einem
Knauf. Für seine Flucht nimmt er beides mit.
Erst später merkt er, was
es mit den Pantoffeln auf sich hat. Mit ihnen kann er sogar fliegen. Seine
ungewöhnliche Schnelligkeit macht ihn zum hochgeschätzten Boten des Königs und
damit erfährt er die Missgunst der anderen Höflinge. Mit seinem Stöckchen kann
er verborgene Schätze finden und er wird dadurch reich. Doch der Neid der
anderen ist groß, sie bezichtigen ihn des Diebstahls. So muss er wieder
einmal schleunigst die Stadt verlassen.
Unterwegs findet er einen Feigenbaum, wenn jemand von seinen Früchten isst,
dann wachsen ihm regelrechte Eselsohren und eine lange Nase.
Von diesen Feigen ließ der
kleine Muck den treulosen König und seine Günstlinge essen, als er verkleidet
als hoch gelehrter Weiser, unerkannt in die Stadt und den Palast gelangte. So
strafte er die Verleumdung und alle ungerechte Behandlung, die er hier erfuhr.
Noch ehe der König begriffen hatte, dass er für sein schändliches Verhalten
zeitleben mit hässlichen Eselsohren gestraft wurde, war der kleine Muck auch
schon verschwunden. Fortan lebte dieser in großem Wohlstand aber zurückgezogen von
den Menschen, denn er hatte sie alle kennen gelernt und durch seine Erfahrungen mit ihnen war er
weise geworden.
Der kleine Muck war wie so
viele Menschen auf der Suche nach Glück, Anerkennung und Frieden, aber er fand
nur Unrecht, Neid, Missgunst und Lüge am Königshof der Welt. Dort wo die Mächtigen
herrschen, werden andere unterdrückt und verraten. Die Aufrichtigen und
Ehrlichen aber ziehen immer noch den Kürzeren. „Man muss mit den Wölfen heulen,
die Fahne nach dem Wind drehen“, das ist dort ein ungeschriebenes Gesetzt zum Erhalt der eigenen Macht. Lügen, Korruption,
hinterhältige Verleumdungen, Hetzkampagnen
und Diffamierungen sind dabei nicht selten. Wer zwischen diese
Mahlsteine gerät, ist kurz über lang verloren. Und das ist fürwahr kein
Märchen, das ist selbst in unserer Zeit noch so.
Im Märchen vom kleinen Muck
erhielten alle diese Übeltäter ihre wohl verdiente Strafe und mussten mit den
großen Eselsohren herumlaufen. So waren sie öffentlich zeitlebens gebrandmarkt.
Leider nur ein Märchen?!
Da möchte ich gern wieder an
Märchen glauben, in denen das Böse bestraft wird und das Gute siegt. Und ich
sehe schon ganz genau in einem aktuellen Bericht der Tagesschau all die
Mächtigen und Großen mit riesigen Eselsohren und langen Nasen gestraft über den
Bildschirm flimmern. Weg wäre ihr überhebliches Grinsen, ihr permanentes
Geschwafel und ihr zur Schau gestelltes Gehabe.
Und Sie können mir glauben,
es sind gewiss viel mehr als Sie und ich meinen und für möglich halten. Da
würden nicht einmal die Feigen einer ganzen Ernte reichen!
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