Brasilien - abseits der Touristenpfade
Nicht
der Zuckerhut und die Copacabana, nicht die gewaltigen Wasserfälle des Foz do
Iguacu oder der Karneval in Salvador waren das Ziel meiner Reise zusammen mit meinem
Freund Charly, sondern diese Reise führte buchstäblich an die Ränder der brasilianischen
Gesellschaft.
Am
Flughafen in Sao Paulo erwartete uns unser Freund Padre Arnoldo. Seit 25 Jahren
arbeitet er in Brasilien als Seelsorger und bemüht sich unaufhörlich, etwas
gegen die himmelschreiende Armut und für die Ärmsten der Armen zu tun.
Besonders die Kinder liegen ihm dabei sehr am Herzen. So hat er im Laufe der
letzten Jahre an verschieden Orten am Rande von Sao Paulo, in Itapeceritca da
Sierra, welches zum Großraum Sao Paulos gehört, in dem rund 20 Millionen
Menschen auf engsten Raum leben, Kindergärten gebaut, sogenannte „creches“.
Dort können die Kinder lernen und fröhlich miteinander spielen. Die rund 400
Kinder in der größten creche „St. Theresinha“ erhalten dort täglich vier Mahlzeiten
und die Zuwendung der Mitarbeiterinnen. Das gleiche gilt auch für die anderen
kleineren Einrichtungen und Projekte, die wir mit ihm besuchten und immer
herzlich und laut von den Kindern und den Erzieherinnen begrüßt wurden.
Wir
waren mit Padre Arnoldo ständig unterwegs. Er zeigte uns stolz, was schon
geschafft wurde. Aber wir sahen auch so viele Menschen, die in Armut leben
mussten und unter menschenunwürdigen Verhältnissen. In einer Favela, einem
Armenviertel in St. Pedro, lernten wir ein weiteres Projekt kennen. Beim Besuch
einiger der ärmsten Familien in dieser Favela verschlug uns der Gestank dort
fast den Atem. Schmutz und Unrat waren überall. Dazwischen lebten auf engsten
Raum oft mehrere Personen. An sie wurde
einmal im Monat eine „cesta basica“ ein Paket mit Grundnahrungsmitteln und
Hygieneartikeln verteilt. Wenn uns auch die äußeren Umstände oft auf den Magen
schlugen, so entschädigten uns doch die Freude und die Dankbarkeit der
Menschen. Immer wieder hörten wir zum Abschied ihr „muito obrigado“, vielen
herzlichen Dank, denn all diese Projekte werden von Spenden aus Deutschland finanziert.
Nun
konnten wir Padre Arnoldo auch besser verstehen, der mit seinen 73 Jahren noch
längst nicht ans Aufhören denkt, denn die Not ist unendlich groß. Auch wenn
seine Hilfe und sein persönlicher Einsatz nur ein Tropfen auf den heißen Stein
sind, so bringt dieser doch wenigsten für einen kurzen Augenblick etwas
Linderung für die Ärmsten und es keimt wieder neue Hoffnung auf.
Desweiteren
lernten wir ein beeindruckendes Projekt der Schwestern von „Belem“ (Bethlehem)
in Sao Paulo kennen. Das ist eine „Gemeinschaft von Frauen für Frauen“, die sich
ganz besonders bemüht, Schwangere und Frauen mit Kindern von der Straße und den
Drogen wegzuholen und ihnen dafür einen Ort der Geborgenheit zu geben. Drogen
gehören allerorten zur unheilvollen Wirklichkeit für so viele in Brasilien.
Diese Frauen von Belem haben früher oft selbst das Schicksal der Frauen auf der
Straße geteilt und kennen deren Situation genau. Mit großem Engagement bemühen
sie sich deshalb, wenigstens Einigen von ihnen die soziale Integration zu
ermöglichen. Leider ist auch hierbei nicht jedes Bemühen mit Erfolg gekrönt.
Danach
fuhren wir mit dem Überlandbus von Sao Paulo nach Rio de Janeiro. Das Ziel
unserer Fahrt lag in der größten und gefährlichsten Favela „morro del aleman“,
in der am Tag vor unserer Ankunft die Gewalt zwischen den Drogenbanden und der
Polizei wieder einmal eskalierte. Ein Einsatzkommando der Polizei stürmte mit
Unterstützung von Hubschraubern dieses Viertel. Schüsse fielen und
Blendgranaten wurden abgefeuert. In der dortigen creche versteckten die
Helferinnen die 20 Kinder in den Toiletten und Waschräumen. Alle hatten
furchtbare Angst, von den Kugeln getroffen zu werden, denn die Wellblechdächer
bieten keinen Schutz dagegen, so berichteten sie uns immer noch ganz verstört. Violencia, Gewalt, beherrscht weithin das Leben der Menschen in Brasilien.
Nach
unserem Großeinkauf für die Armen in einem Supermercado brachten private Autos
die Einkäufe und uns durch die engen und verwinkelten Gassen in die Favela. Wir
duckten uns im Auto, denn Fremde sind dort nicht gern gesehen. Das „Comando“,
das sind die Drogenbosse, beherrscht die ganze Favela, es gelten dort ihre
eigenen Regeln. Einschüchterung und Angst, Drogen, Prostitution und Gewalt
bestimmen das Leben der Menschen. Schon Kinder werden als Drogenkurier rekrutiert. Schwerbewaffnete Polizisten haben vor der Favela Posten bezogen, halten sich aber
ansonsten lieber heraus. In Rio leben rund 1,3 Millionen Menschen unter solchen
Bedingungen in zahlreichen Favelas. Wie zum Hohn für die Bewohner führt die
neue Seilbahn über dieses Armenviertel. Auf einer zwanzig minütigen Fahrt können
die Touristen in einer Gondel über die Köpfe der Bewohner schweben und diese wie
Exoten in einem Zoo betrachten. So kam mir das jedenfalls vor.
Immer
wieder trafen wir dort Menschen, die sich nicht einfach mit diesem Schicksal abfinden.
So zum Beispiel die Gruppe „sal do terra“, das heißt: „Salz der Erde“. Wir
erfuhren von ihrer Arbeit und ihrem Engagement für die Ärmsten der Armen in der
Favela und lernten auch einige von ihnen kennen. Die zehn ehrenamtlichen Mitglieder der Gruppe bringen monatlich zu 25 Familien,
die schon erwähnten „cesta basica“ und kümmern sich um ihre Probleme. Das
Engagement und der Mut dieser Frauen und Männer haben uns sehr beeindruckt.
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