"Sie werden platziert!"
Erinnern Sie sich noch? Zu
DDR-Zeiten stand vor dem Eingang der meistens überfüllten Gaststätten ein
Schild mit der Aufschrift: „Sie werden platziert!“. Wurde dann nach längerem
Warten ein Tisch frei, so wurden die Gäste zu diesem geführt. Wahlfreiheit gab es kaum. Wohl oder übel blieb einem nichts anderes übrig, als die
zugewiesenen Plätze zu belegen. Trotzdem war jeder froh, einen Platz gefunden
zu haben.
Auch zu einem festlichen
Anlass werden häufig Tischkarten mit den Namen der Gäste auf die geschmückte
Tafel gestellt und den Gästen so ein Platz zugewiesen. Das erspart dem
Einzelnen zwar die Qual der Wahl, aber wo man seinen Platz bekommt, das bleibt
oft ein Geheimnis der Gastgeber, die gerade diese Sitzordnung festgelegt haben.
Man kann sich nun fragen, ob dahinter eine gewisse Rangordnung steckt? Oder ob
vermieden werden soll, dass Gäste nebeneinander sitzen, die partout nicht
zusammen passen? Sei es wie es sei. Meistens ist es bei Tisch und im wirklichen
Leben das Gleiche, viele Menschen fühlen sich immer deplatziert und sind
deshalb permanent unzufrieden und genervt.
Und schon geht das Gezeter
los. Wieso sitzt der andere auf diesem Platz. Was hat er, was ich nicht habe?
Natürlich schaut dabei jeder mit großem Frust nur auf die oberen und besseren
Plätze im Leben, die grundsätzlich immer die Falschen besetzen. Dass andere vielleicht einen schlechteren Platz bekommen haben, interessiert da wenig. Solche Menschen
fühlen nur sich selbst immer und überall benachteiligt und zu kurz gekommen.
Das scheint aber ein
zunehmendes Problem in unserer sogenannten „Neidgesellschaft“ zu sein. Das
Schielen auf die lukrativsten Plätze, das Drängeln danach und das Schieben und
Verschieben solcher ist an der Tagesordnung. Und wer es nicht geschafft hat,
ist derartig frustriert und genervt, dass er vor Neid nicht mehr richtig aus
den Augen schauen kann. Dann ist alles nur noch ungerecht und grottenschlecht
in unserem Land. Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft und im
persönlichen Leben nicht gefunden haben oder ihn nicht akzeptieren können,
werden zu nörgelnden und aggressiven Querulanten. Ein willkommenes Reservoir
für alle extremen Strömungen und Parteien in unserm Land und zudem Gift für die ganze Gesellschaft. Unzufriedenheit, ob berechtigt oder nicht, führt leicht zu
Unfrieden und Streit.
Im Leben geht es aber nicht in
erster Linie um Ehrenplätzen oder einen „Platz an der Sonne“ zum Nulltarif,
sondern jede Gemeinschaft und jede Gesellschaft funktioniert nur, wenn alle
ihren Platz eigenen finden und alles dafür tun, ihn gut und richtig auszufüllen
zum eigenen und zum Wohle aller.
Das ständige Schielen auf
die besseren Plätze der anderen macht jeden nur noch missmutiger und zieht
ihn weiter nach unten. Genau dorthin, wo er gerade nicht hin will, auf den
untersten Platz.
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