Der Weihnachtskaktus
Welch Erstaunen, welche
Freude, als sich in diesem November die ersten Knospen und dann die zarten
Blüten an unserem Weihnachtskaktus zeigten. Damit machte dieser seinem Namen
wirklich alle Ehre, der „Weihnachtskaktus“ oder botanisch auch „Schlumbergera“
genannt, denn er blüht und erfreut seine Betrachter vorwiegend in der vorweihnachtlichen
Zeit. Es ist gerade die dunkle Jahreszeit, in der der Mensch sich nach Licht,
Wärme und nach Farbe sehnt. Seine Blüten leuchten ganz besonders schön in ihrer
roten Farbenpracht.
Fast hätten wir seine
Blüten nicht mehr erlebt. Etliche Jahre stand der blaue Topf mit dem Kaktus mit
seinen eher unansehnlichen grünen, nahezu welken Blättern, einfach nur so im
Fensterbrett der Küche. Keiner schenkte
ihm viel Aufmerksamkeit. Ab und an bekam er ein paar Tropfen Wasser. Wir waren
schon nahe dran, ihn in der braunen Tonne zu entsorgen. Dann aber hatten wir
es, Gott sei Dank, doch wieder vergessen. So blieb der blaue Topf mit dem
Kaktus Woche für Woche und Monat für Monat dort fast unbeachtet stehen. Und
dann, dann ganz plötzlich in diesem Herbst, zeigten sich die ersten roten
Spitzen an den Blättern. Zuerst ganz unscheinbar, entwickelten sie sich zu den
wunderschönen roten Blüten. Der Kaktus beschenkte uns völlig unerwartet mit
seiner Blütenpracht.
Wir Menschen sind oft
ungeduldig. Ungeduldig mit uns, aber besonders mit den anderen. Alles muss
heute schnell gehen. Wie bei einem Automaten, soll auf Knopfdruck sofort das
Gewünschte herauskommen. Aber das Leben ist eben ganz und gar nicht so. Unser
Weihnachtskaktus hat es wieder einmal gezeigt, warum sich Warten lohnt. Die
Engländer sagen wohl: „Abwarten und Tee trinken“. Natürlich erledigt sich
längst nicht alles durch stures Aussitzen von Problemen, aber ein wenig mehr
Geduld im Umgang gerade mit anderen Menschen und Meinungen, kann nicht schaden
und beschert uns vielleicht auch noch manche schöne Überraschung.
Es bewahrheitet sich immer
wieder: „Gut Ding will Weile haben“. Wie oft beurteilen wir Sachverhalte, aber
auch Menschen nach dem ersten Augenschein, sehr halbherzig oder einseitig. Da
heißt es nur: „Das geht gar nicht, das ist wird sowieso nicht klappen“. Dabei
ist es nicht einmal versucht worden. Vorschnell wird die Lösung eines Problems
aufgegeben. Noch gravierender sind solche „Schnellschüsse“ in der Beurteilung
anderer Menschen. „Mit dem oder der hat das eh keinen Zweck, die werden sich
garantiert nicht ändern, die sind für mich erledigt“. Das sind keine bloßen Vorurteile
mehr, das sind richtig handfeste Verurteilungen. Damit ist der andere Mensch
oder die Gruppe Andersdenkender ein für allemal festgelegt und erledigt. Selbst
positive Dinge werden ihnen negativ ausgelegt. Nur recht wenige Menschen haben die Geduld und
nehmen sich die Zeit, das Anderssein und das Fremdartige zu verstehen. Schnelle
Festlegungen greifen aber sehr häufig zu kurz. Korrekturen sind dann fasst
unmöglich. Keiner will ja sein Gesicht verlieren.
Alles Wichtige und
Wertvolle im Leben und in den Beziehungen der Menschen kann sich aber nur gut entwickeln
und erblühen, wenn wir geduldig und empathisch miteinander umgehen. „Alles
kommt zu denen, die warten können“, ist eine Spruchweisheit und eine echte
Erfahrung, die aus Kanada stammt. Das sind schon lange unterentwickelte Lernfelder in
unserer heutigen Gesellschaft.
Die wunderschönen Blüten
unseres Weihnachtskaktus haben auf sich warten lassen. Umso mehr haben
sie uns dann überrascht und erfreut. Geduld trägt oft erst nach langer Zeit
ihre Früchte. Zu hohe Erwartungen an sich und die anderen, können jedoch sehr
schnell alles kaputt machen. Darum seien Sie alle geduldig und nachsichtig
mit einander, besonders an diesem Weihnachtsfest, dann wird es auch für Sie ein
Fest der Freude und des Friedens und es hält noch manche Überraschung für jeden
bereit.