Donnerstag, 11. September 2025

Wie ich ein Blogger wurde ...

Im Oktober vor fast dreizehn Jahren habe ich meine ersten Texte im Internet veröffentlicht. Es waren Texte und kleine Geschichten, die im Laufe der Jahre entstanden waren, Humorvolles und Nachdenkliches. Die Möglichkeit dazu bot ein sogenannter Blog. Was ist das und wie geht das? Das wusste ich damals noch nicht so genau. Natürlich hatte ich schon auf einem Block geschrieben, wer hätte das nicht? Aber in einem Blog? Doch Versuch macht klug. Das Blog oder auch der Blog, das bleibt schon mal offen, ist eine Art öffentliches Tagebuch oder auch Logbuch, in dem ein Blogger, der Schreiber eines Blogs, seine Einträge veröffentlicht und regelmäßig ergänzt.

Nachdem ich also meinen Blog im Internet eingerichtet hatte und der erste Text im Netz erschienen war, da war ich ein  Blogger. So genau weiß ich das selbst nicht. Darum ging es mir eigentlich gar nicht und mit dem regelmäßigen Schreiben hat es dann auch  nicht so geklappt. Nur sporadisch stellte ich Texte ins Netz. Meine Erfahrungen und verschiedene Beobachtungen sind nun in meinem Blog „Worte und Wege“ zu finden. Worte sind wie Wege, die eine Verbindungen von Menschen zu Mensch schaffen. Sie dienen dem Verstehen und führen zum besseren Verständnis. Worte eröffnen Wege zu einander und sind gleichsam wie Brücken, die menschliche Abgründe überwinden helfen. Gute Worte wirken Gutes, böse Worte werden schnell zu Mauern und zu unüberwindlichen Barrieren zwischen einzelnen und ganzen Gruppen von Menschen.

Genau darin liegt das Problem zu vieler Worte. Es gibt doch heute eine unüberschaubare Flut von Worten und Bilden, die täglich auf uns einstürzen. Dazu kommt noch die uneingeschränkte Möglichkeit, diese millionenfach weltweit zu verbreiten. Einmal ausgesprochen, lassen sie sich kaum wieder rückgängig machen. Wer weiß denn heute noch, was  richtig oder falsch?  Wichtiges und Absurdes fluten die Medien. Wer fragt  noch danach, ob seine Worte guttun und aufbauen oder ob sie andere Menschen verletzen und zerstören?

Welche Wahrheiten oder Meinungen stecken hinter den vielen Worten? Was wird gesagt und was verschwiegen? Worte können leicht missbraucht und so zu perfiden Waffen werden. Abgeschossen wie Giftfeile aus dem Hinterhalt. Solche Worte beschädigen oder zerstören  die Existenz anderer Menschen.. Die Anonymität im Netz setzt bei allzu vielen Schreibern die Hemmschwelle auf null. 

Darum mein Fazit: Mit guten Worten kann ich einen anderen, wie in eine schützende, warme Decke einhüllen, die ihm guttut oder ihm harte und kalte Worte, wie einen nassen Lappen ins Gesicht schlagen, oder Schlimmeres. Jeder Blogger, Redner, Influencer und wer auch immer sich auf dem Markt tummelt und seine Botschaften in Wort oder Bild verbreitet, sollte das in größter Verantwortung vor anderen tun oder es einfach lassen.

 

Dienstag, 2. September 2025

 


Die Boomer sind schuld…

Wer sind eigentlich die Boomer? Klingt ein wenig nach Außerirdischen, oder? Diese Bezeichnung haben Soziologen einer Gruppe von Menschen verpasst, die zwischen Mitte 1940 und Mitte 1960 geboren wurden. Inzwischen sind die Boomer in die Jahre gekommen und die meisten sind bereits Rentner. Da aber scheint gerade das gesellschaftliche  Problem zu liegen, denn die Lebens-erwartung steigt und die Rentenkassen leeren sich zusehends. Die „Blümsche“ Aussage, „Die Rente ist sicher“, die vom früheren Sozialminister Norbert Blüm stammt, steht schon lange auf wackligen Füßen.

Da muss es nicht verwundern, wenn dafür Ursachen und Schuldige gesucht werden. Und diese wurden scheinbar schnell gefunden. Die Boomer sind schuld! Plötzlich geistert das Gerücht von einem  „Boomer-Soli“ durch die Medien und empört sogleich die Beschuldigten. Die reichen Rentner sollen gefälligst etwas für die ärmeren Rentner abgeben, heißt es sehr fordernd. Sie hätten es sich lange genug gutgehen lassen. Klingt doch ganz einfach. Ist jedoch ziemlich simplifiziert. Haben die Kritiker etwa das Rentensystem nicht verstanden? Ihre Zauberlösung ist wie ein Schuss ins Blaue und heißt Umverteilung.

Doch es wird noch besser, denn sogar von einem „Pflichtjahr für Rentner“ wird schwadroniert. Dabei nichts davon ausgegoren oder gar spruchreif. Auch wenn das ganze Gerede wie eine Seifenblase zerplatzen wird, so werden damit  Generationen gegen einander ausgespielt. Das ist ganz und gar nicht fair.  Ist solche Einteilung der Menschen in X, Y und Z wirklich angemessen? Denn sehr schnell kommt natürlich auch Kritik an den nachfolgenden Generationen. Zum Beispiel gilt die Generation Z als weinig leistungsbereit und oft unwillig. Da gilt „Privat geht vor Katastrophe“. Ein Spruch, der gewiss den Boomern zu-geschrieben wird. Das nennt sich heute „Work-Life-Balance“. Weniger Arbeit und mehr Freizeit bei gleichem Gehalt. 

Da wird schnelle klar, Schuldzuweisungen haben noch nie geholfen und kein einziges Problem gelöst. Solche polarisierenden Vorschläge dienen letztlich keinem. Sie sollten nicht „wie eine Sau durchs Dorf getrieben werden“, sprich durch die Medien. Konkrete Vorschläge, auch kontroverse, gehören in die zuständigen Gremien und ins Kabinett, um beraten und mehrheitlich beschlossen zu werden. Das aber hat etwas mit einem großen Verantwortungsbewusstsein und mit gesundem Menschenverstand zu tun. 

Donnerstag, 17. Juli 2025

Klassentreffen

 

Die einen jubeln und freuen sich auf das Treffen, andere verdrehen die Augen und meinen: „Da sind doch nur noch alte Leute“. Sei´s drum.  In diesem Jahr wurde der Termin direkt mit mir abgestimmt, da konnte ich schlecht nein sagen. Also ja, da kam auch schon der Haken. Die Frage, eher eine rhetorische Frage: „Du hältst doch gewiss eine kleine Rede?“  Da blieb mir gar keine Wahl, als ein paar Wort zu verlieren. Diese mussten aber erst einmal gefunden werden. Und prompt folgte noch der überaus hilfreiche Hinweis: „Du kannst ja etwas aus der Schule plaudern“.

Na, danke auch, was denn sonst? Doch das war jedoch gar nicht so leicht, denn ich musste wirklich gut überlegen, wann und wie das damals in der Schule so war? Im September 1956 fand die Einschulung statt. Ein fester Termin in der DDR. Alles zentral geregelt. Mit der Zuckertüte im Arm, aber ohne weiteres Brimborium, ging es gleich los. In unserer Zuckertüte waren nur ein paar Buntstifte und einige  Süßigkeiten, Halloren Kugeln oder eine Tafel Vollmilchschokolade vom „VEB-Rotstern“. Was es eben gerade im Konsum gab.  Manche von uns ABC-Schützen hatten bereits den Pionierfüller Marke „Heiko“ in ihrer Schultüte. Aber den brauchten wir noch gar nicht.

 Wir fingen nämlich noch mit einer Schiefertafel, Griffel, Schwamm und Lappen an. Die ersten Buchstaben wurden mit dem Schieferstift auf die Tafel geschrieben. Eigentlich sehr ökologisch. Danach einfach wisch und weg. Heutzutage haben die Kids, wie man sie neudeutsch nennt, oft schon ein Smartphone in der prallgefüllten Schultüte.

 Für uns begann also der sogenannte „Ernst des Lebens“, wie oft betont wurde. Doch Schule war manchmal auch cool. Das hieß zu der Zeit noch nicht so, denn das Wort „cool“  gab es im Osten noch nicht. Ein Problem gab es jedoch für uns Schüler schon damals, das waren die Stunden zwischen den Pausen. Die vergingen oft mühsam und zäh. Oder es herrschte eine große Anspannung, wenn eine Leistungskontrolle angesagt war. Da war jeder froh, der weiter vorn saß, denn die Lehrer blickten einfach über sie hinweg. Alle saßen im Klassenraum noch brav in festen Bankreihen. Das wird heute abschätzig als „Frontalunterricht“ bezeichnet, aber  kooperative Lernformen, selbst organisiertes Lernen oder projektorientierten Unterricht kannten wir damals nicht.

 Wir gingen 10 Jahre zur Schule und das ist wörtlich zu nehmen, denn keiner wurde in unserer Kindheit mit dem „Elterntaxi“ kutschiert. Mit dem Tornister auf dem Rücken ging es zu Fuß oder später mit dem Fahrrad zur Schule. Jeden Montag fand ein Fahnenappel statt. Das bedeutete, antreten auf dem Schulhof mit blauem Pionierhalstuch. Feierlich wurde die Fahne gehisst, alle mussten strammstehen. Einfach schaurig schön, wenn man heute daran denkt.  Ich jedenfalls stand während des Fahnenapell manchmal vor dem verschlossenen Schulhoftor und bekam einen Tadel. Wer zu spät kam, den bestrafte damals nicht das Leben, sondern der Klassenlehren.

Im Unterricht begann das Hoffen und Bangen. Die einen hofften, zur Leistungskontrolle dran zu kommen, weil sie gerade gelernt hatten, andere bangten, mit ihren Wissenslücken erwischt zu werden. So ging das Jahr ein und Jahr aus. Neulich las ich, dass ein Schüler etwa 12.000 Stunden die Schulbank drückt bis zum ersehnten Abschluss. Immerhin ist während dieser Zeit in der Polytechnischen Oberschule, doch etwas aus dem Unterricht hängen geblieben.  Obwohl so manches hatte nicht unbedingt etwas mit dem späteren Leben zu tun. Wer von uns kann denn noch Russisch? Das war fünf Jahre lang ein Pflichtfach. Denn die Russen, zu der Zeit noch Sowjetbürger, waren ja unsere Brüder.  Das wurde in der DDR immer wieder stark betont. Doch jeder wusste, Freunde kann man sich aussuchen, Brüder nicht! Das durfte natürlich nicht allzu laut geäußert werden. Obwohl, ein paar  russische Wörter sind selbst bei mir hängen geblieben. Es waren „Mir“ und „Druschba“, also Frieden und Freundschaft. Doch daran mangelt es gerade in den Ländern der damaligen Sowjetunion besonders.

 Zum Schulalltag  gehörte auch, dass bei Klassenarbeiten immer schon Schüler geschummelt haben. Es wurden kleine Spickzettel heimlich von Reihe zu Reihe weitergereicht. Die Lösung kam dann auf dem gleichen Weg zurück. Das war recht riskant, man durfte sich nicht erwischen lassen. Heutige Schüler haben es viel leichter, sie benutzen dazu ihr Smartphone. Per Whats App werden damit die  Ergebnisse ausgetauscht. Es besteht auch keine Gefahr, dass der Lehrer diese Nachrichten entziffern könnte, denn durch die „individuelle“  Rechtschreibung der Schüler sind diese ausreichend verschlüsselt.

 Am Schluss steht wohl fest, nie ist alles nur schlecht, was einmal war und nicht alles ist einfach nur gut, weil es neu und anders ist. Übrigens, waren wir „aufgeweckte“ Schüler, wenn der Lehrer plötzlich laut wurde oder schon mal ein Schlüsselbund durch den Klassenraum flog. Soll schon mal vorgekommen sein. Als Schüler waren wir nicht faul. Wie manche Lehrer gern behauptet haben. Wir hatten nur auf den Energiesparmodus umgeschaltet, wie man heute so schön sagt. Wer es damit überrieben hat, der wurde am Schuljahresende einfach auf „Reset“ gesetzt. Das hieß, nicht versetzt. Unsere  Schulzeit liegt jetzt schon lange hinter uns. Im Blick zurück können wir feststellen, es gab schon damals Stress, nicht alles war leicht, aber es gab auch acht Wochen Sommerferien. Da dachte keiner an die Schule.

Noch  manch andere Storys werden bei Klassentreffen erzählt  und wen wundert es, dass nach so langer Zeit allmählich eine gewisse Legendenbildung einsetzt.. Vielleicht ist das gerade ein Grund, warum manche so gern an diesen Treffen teilnehmen?

Montag, 18. Juli 2022

 

Konzertkarten

Was soll man nur zu Weinachten schenken? Ein Blick ins Internet und schon ist etwas Passendes gefunden. Ja, Konzertkarten gehen immer. Toll, die Oldie-Band City gastiert gerade auf ihrer Abschlusstour in Halle an der Saale im Steintor-Variete´, einem der ältesten Variete´s
Deutschlands, denn diese Spielstätte kann auf einen über 120-jährigen Spielbetrieb verweisen. Na, das ist doch schon mal etwas, oder?

Auch wenn ich kein Fan solcher Musikgruppen bin, ich musste letzte Woche mit ins Konzert. Schließlich hatten wir die Karten doch geschenkt bekommen. Selbst in jüngeren Jahren war mir City und Co. reichlich unbekannt. Deshalb hab ich mich erst einmal im Internet über die Band etwas informiert. Gegründet 1972 in der tiefsten DDR-Zeit. Von diesem Ost-Charme vermeinte ich im Laufe des Abends im Konzert immer noch etwas zu spüren.

Dann machten wir uns auf den Weg. Mein Gott, ich traute meinen Augen kaum, als ich die riesige Schlange auf dem Vorplatzt am Steintor sah. Langsam bewegten sich die Besucher des Konzerts auf den Eingang zu. Das konnte dauern, war mein erster Gedanke. Na, dann. Beim Einlas hatte nämlich die moderne Technik Einzug gehalten. Die Eintrittskarten musste jeder selbst scannen, was wohl nicht immer klappte und zur Staubildung führte. Als wir endlich unsere Plätze im schon dunklen Saal erreichten, für einen Drink vorher war natürlich nun keine Zeit mehr gewesen, da stiegen bereits die ersten Bühnennebel auf und die bunten Scheinwerfer zuckten durch den Saal.

Auf der Bühne  spielten zum Auftakt die Musiker der Berliner Symphoniker. Das stimmte mich wieder etwas milder. Und dann sprangen vier kleine, alte Männer mit ihren Instrumenten auf die Bühne und wurden vom Publikum frenetisch begrüßt, was mich etwas verwunderte. Ja, diese Begeisterung für die Band müssen die meisten bereits seit Jahrzehnten gehabt haben. Viele waren in etwa der gleiche Jahrgang, also um die 70 Jahre. Aber auch einige Dreißig- und Vierzigjährige waren gekommen. Direkt vor mir kriegte sich einer von diesen kaum noch ein, er sprang von seinem Sitz auf und verrenkte sich begeistert zu der lautstarken Musik. Nicht ganz mein Ding.

Mit den bekannten Plattitüden begrüßte der Sänger lautstark und enthusiastisch das Hallenser Publikum als sein Lieblingspublikum und bot ihm auch gleich das „DU“ an. Wieder stürmischer Applaus. Die Brücke zum Publikum war geschlagen und nun konnte es richtig losgehen.

Es folgten, diverse Songs aus den 50 Jahren von City, immer elektronisch verstärkt und deshalb sehr laut. Nichts für jemand, der eher leise Töne liebt. Jetzt kamen die Musiker und besonders der Sänger so richtig in Fahrt. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass er wie Rumpelstilzchen über die Bühne hüpft, in seine etwas zu klein geratene Lederjacke gezwängt, die scheinbar noch aus den 70iger Jahren aus dem Intershop stammte. Sollte ich etwa auch aufzuspringen und ebenso euphorisch herum hüpfen? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Also abwarten, was kommt. Der Abend war ja noch lang.

Doch dann kamen recht unerwartet einige besinnliche Gedanken und Texte, die für die angespannte Weltsituation sehr passend schienen. Dadurch wurde die ausgelassene Stimmung etwas gedämpft und es kam sogar bei dem Lied von Bettina Wegner, „Sind so kleine Hände“, eine gewisse Besinnlichkeit auf. Genauso  beim darauf folgenden Lied, „Sag, mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben“, da gingen die Gedanken gewiss am Schluss des Liedes hin zu dem Menschen in den Kriegsgebieten in der Ukraine und besonders zu den Soldaten an der Front, die ihr Leben verloren haben. Dabei stellten sich genau diese Fragen: „Sag, wo die Soldaten sind, wo sind sie geblieben? Was ist gescheh´n? Über Gräbern weht der Wind. Wann wird man je versteh´n?“  Den Irrsinn des Krieges und der grausamen Gewalt wird man wohl nie verstehen. Gab es da nicht einmal den Ausspruch: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“. Doch auch das wird nicht geschehen, denn es wird immer willfährige Befehlsempfänger und Mittläufer geben.

Aber auch in diesen schlimmen Zeiten muss das Leben weitergehen. Darum ging auch das Konzert an diesem Abend weiter. Die Augenblicke der Nachdenklichkeit waren schnell verflogen. Das Publikum war ja schließlich gekommen, um seine Kultband City noch einmal hören und sich mitnehmen zu lassen von ihrer altbekannten Musik und sie zu feiern. Von der Band  waren da wohl die Augenblicke der Nachdenklichkeit gut gemeint, aber eher ein Stilbruch. Deshalb wechselte die Stimmung nun wieder ganz rasch, als es weiterging und die Bässe dröhnten. Das Publikum wurde ziemlich angeheizt und ging so richtig mit und aus sich heraus. Da fühlte ich mich wie im „BIERKÖNIG“ auf Mallorca mittags um halb eins. 

Ein bisschen DDR-Nostalgie und die Erinnerungen an 50 Jahre, der inzwischen zur Kultband avancierten Band City, war für das Publikum im ausverkauften Saal des Steintor-Variete´s doch das Wichtigste an diesem Abend im Juli 2022. Darum waren sie ja gekommen.

So wie das Konzert endete, so enden hier auch meine doch recht subjektiven Gedanken und Eindrücke über diesen Konzertabend im Steintor-Variete´ in Halle, mit dem klaren Resümee, dass ich mir beim nächsten Mal lieber Karten für ein Klassisches Konzert wünschen sollte.

Freitag, 1. April 2022

Die Sanduhr

Wie der Sand in einer Sanduhr durch eine winzig kleine Öffnung rinnt, so verrinnt auch die Lebenszeit des Menschen. Im Augenblick des Todes läuft das letzte Körnchen des Lebens durch diese enge Öffnung. Deshalb ist seit alters her die Sanduhr ein Sinnbild für die Vergänglichkeit allen Seins. In der Kunst und der Literatur taucht sie daher als Symbol immer wieder auf. So heißt es in einem Gedicht: „Die Sanduhr des Lebens kann keiner drehen. Für jeden von uns bleibt sie irgendwann stehen.“ Eigentlich eine simple Wahrheit, dass jedes Leben zeitlich begrenzt ist. Gewiss ist aber nur, dass es irgendwann einmal geschieht. Das Wann ist unbekannt. Doch es gibt dabei erhebliche Unterscheide, denn der eine wird über 90 Jahre alt, ein anderer muss bereits mit 32 Jahren gehen.

Bei der Sanduhr des Lebens, um im Bild zu bleiben, ist im Gegensatz zu einer normalen Sanduhr das obere Glas für den Betrachter nicht sichtbar. So ist es auch mit der Anzahl der Lebensjahre eine Menschen. Sie kennt keiner.  Sichtbar und erkennbar sind  nur die vergangen Jahre und Jahrzehnte, die wie der Sand durch die Uhr gelaufen sind. Das Zukünftige ist und bleibt dem Menschen verborgen. Mit dem zunehmenden Lebensalter kommt häufig das Gefühl auf, dass der Sand in der Uhr scheinbar immer schneller verrinnt. Zogen sich doch die Tage und Wochen in der Kindheit oft nur träge dahin und wollten manchmal kaum vergehen. Die Zeit-Körnchen tröpfelten quasi nur mühsam durch die enge Öffnung. Schon bald aber merkt man, dass die Zeit  knapp wurde und der Zeitdruck zunahm. Ja, die Zeit bekam förmlich Flügel und rauschte nur so dahin. Dann wächst auch die Erkenntnis, dass die Zahl der bereits vergangenen Jahre zunimmt, die Anzahl der zu erwartenden Jahre sich immer mehr verringert. Solche Gedanken an die Vergänglichkeit und die Endlichkeit, sowie die Ungewissheit, was das Morgen bringen wird, dass verunsichern und ängstigen  sehr häufig die Menschen. Gerade diese Wahrheit, dass alles Leben sterblich und  zeitlich begrenzt ist, ist aber die einzige Wahrheit, die ein Mensch wirklich haben kann. Alles andere im Leben ist fragil und äußerst ungewiss.   

Klingt es da nicht geradezu wie unmündiger Trotz, wenn der griechische Philosoph Epikur sagt: "Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht."  Oder etwas zeitgemäßer ausgedrückt: „Jetzt leben wir, lasst uns das Leben genießen, alles andere soll uns nicht kümmern, daran müssen wir heute nicht denken, das hat später noch Zeit." Zielen nicht auch die Bemühungen der Medizin und der Forschung in diese Richtung, ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, das Stundenglas, wie die Sanduhr auch genannt wird, wieder zu drehen und neu in Gang zu setzen oder wenigsten möglichst lange am Laufen zu halten? Und das um jeden Preis.

Wenn dann der Tod einen geliebten Menschen trifft, wenn dessen Leben im Sterben zu Ende geht, wenn die letzten Körnchen durch die Uhr gelaufen sind, dann muss sich der Mensch unweigerlich der Tatsache des Todes stellen. Diese Grenzerfahrung ist für viele deshalb auch eine enorm große Herausforderung, die so manchen überfordert. Sie berührt nämlich einen Bereich, der ansonsten häufig verdrängt wird. Streben und  Tod kommen, außer auf dem Bildschirm, im Alltag der meisten Menschen nicht mehr vor, sie sind sozusagen outgesourct.  Das geschieht meistens abseits vom alltäglichem Leben.  

Der bildhafte Vergleich des menschlichen Lebens mit einer Sanduhr, macht hier vielleicht deutlich, dass jeder Mensch nur eine gewisse Menge an Sand, sprich Lebenszeit, zu Verfügung hat. Keiner aber weiß, wie viele Lebensjahre ihm geschenkt sind. Das ist sicher auch gut so. Die Gewissheit des Ungewissen bleibt so jedoch eine permanente Herausforderung, die manchen mit Unruhe oder gar Angst erfüllt.

Der Blick auf das eigene Leben, zeigt dem Menschen stets nur das, was vergangen ist, was also hinter ihm liegt an Gutem wie an Schwerem. Das kann froh und dankbar machen oder auch traurig und bitter. Trauer über die glücklichen Zeiten in seinem Leben, dass sie so schnell vorüber waren. Doch Dankbarkeit erfüllt ihn, dass sie gewesen. Außerdem bleibt die Hoffnung, oder es wird selbstverständliche Annahme, dass die Zeitmenge im eigenem Stundenglas noch lange Zeit ausreicht für all das, was ein Mensch noch erleben und erreichen möchte. 

Derjenige aber, der sich frühzeitig seiner Endlichkeit bewusst ist, der seine eigene Begrenztheit kennt und akzeptiert, dem wird sehr deutlich, dass jede Minute, jede Stunde und jeder Tag unwiederholbar und damit unendlich wichtig und wertvoll sind. Deshalb ist für jeden Menschen, ob er jung oder alt ist, gerade der Augenblick die Zeit, die er hat, etwas zu tun oder es nicht zu tun. All das wird gleichsam sichtbar und messbar im unteren Glas der Sanduhr seines Lebens. Das Gute und Geleistete genauso wie das Unterlassene und Schlechte. Deshalb ist das Leben immer wieder, zu jeder Zeit und in jedem Augenblick eine Herausforderung für jeden Menschen, das zu tun und zu sein, worauf es ankommt. Ob also ein Leben gelingt, hängt nicht von seiner Länge ab, sondern davon, aus welcher Tiefe ein Mensch gelebt hat. 

 

Sonntag, 14. November 2021

 Bilder, die Erinnerungen wecken

Buchstäblich wie von Geisterhand tauchen die winkenden Kinder eines Kinderheims in Brasilien, das ich vor Jahren besucht habe, auf dem Bildschirm meines Computers wieder auf. Dieses und viele andere Fotos, die im Laufe der letzten zwanzig Jahre bei meinen Reisen durch zahlreiche Länder und bei anderen Gelegenheiten entstanden sind, füllen inzwischen zu Tausenden die Dateien auf dem PC.

Ein „Zufallsgenerator“ holt sie unsortiert aus den Tiefen des Rechners auf meinen Bildschirm. Dort erscheinen sie kurzeitig als Hintergrundbilder auf dem Schirm. Manchmal bin ich selbst überrascht, was da alles wieder auftaucht. Das weckt viele Erinnerungen an Ereignisse, die häufig lange zurückliegen. Es erscheinen wunderschöne Landschaften, gewaltige Gebirgs-regionen in den Anden oder lange, einsame Stände am Pazifik, exotische Blüten in all ihrer Farbenpracht und Vielfältigkeit, aber auch Elefanten an einem  Wasserloch in Botswana oder ganze Herden von Antilopen und Zebras in der Etosha-Pfanne in Namibia. Da sind Fotos von Fahrten auf endlos erscheinenden Highways durch die Wälder Kanadas und Alaskas sowie durch den roten Sand im Outback von Australien. Natürlich taucht auch der berühmte  „Ayers Rock“, heute „Uluru“ genannt, ein gigantischer Monolith, im leuchtenden Rot der Abendsonne auf. Es folgen Bilder von einer Radtour an der Ems, von  Wanderung im heimischen Harz, Fotos von Familienfeiern und vielen anderen Ereignissen, die hier gar nicht alle genannt werden können. Das zu sehen, erstaunt mich immer wieder selbst. All diese Bilder werden wie in einem riesigen Fotoalbum vor meinen Augen sichtbar. Mit allen Bildern verbinden mich viele Erinnerungen. Auch nach langen Jahren kann ich mich oft noch genau erinnern, wie und wo das jeweilige Bild entstanden ist. Die meisten Fotos sind dabei Momentaufnahmen, die etwas von den Orten und dem Augenblick des Geschehens einfangen, festhalten und sichtbar machen.

Dazu gehören zahlreiche Fotos von Menschen, die mir im Laufe der Jahre begegnet sind oder mit denen ich unterwegs war. Sie alle erzählen eine kleine Geschichte und erinnern sowohl an alltägliche, als auch an besondere Ereignisse. Diese Momente sind in den Bildern festgehalten, förmlich eingefroren. Nun werden sie gleichsam wieder aufgetaut und lebendig. Am deutlichsten wird mir das bei Bildern, die recht abenteuerliche Situationen festgehalten haben. Da steckt zum Beispiel unser Auto bis zu den Achsen im unwegsamen Gelände in der Mongolei im Dreck fest. Auch der geplatzte Reifen unsers Jeeps in der Afrikanischen Savanne ist auf einem Foto zusehen. Der eingegipste Arm eines Reisegefährten, den wir ins Hospital am Rande der Wüste im Sultanat Oman bringen mussten, erscheint im nächsten Bild. Ja, an solche und ähnliche Situationen erinnern viele der Fotos.

Beim Anschauen atme ich noch heute förmlich auf und denke: „Gott sei Dank, dass wir das alles bewältigt haben. Es gleicht im Nachhinein fast einem Wunder, dass wir selbst in abgelegen Gegenden immer Menschen fanden, die uns geholfen haben. Es hätte auch anders ausgehen können. Danke.“

Die ständig wechselnden Hintergrundbilder auf meinem PC lösen damit Freude und Erleichterung, aber auch Dankbarkeit aus. Dankbarkeit dafür, dass wir das alles  erleben durften. Das ist wirklich ein großes und bleibendes Geschenk. In Gedanken fühle ich mich allen sehr verbunden und freue mich beim Betrachten der Bilder. Die etwas älteren Fotos zeigen aber auch sehr deutlich, wie die Zeit vergangen ist und wie wir uns alle verändert haben.

Leben bedeutet eben Veränderung. Ob Orte oder Menschen, alles verändert sich. Altes vergeht, Neues entsteht. Wo noch vor ein paar Jahren ein verfallenes Haus in der Straße nebenan als hässliche Ruine stand, erstrahlt jetzt ein liebevoll restauriertes Gebäude. Das kleine Bäumchen im Garten ist zu einem stattlichen Baum herangewachsen. Aus dem spielenden Kind im Sandkasten ist ein junger Mann geworden, der selbstbewusst in die Kamera schaut. Man hält es oft kaum für möglich. Verwundert und erstaunt frage ich mich: „Hab ich mich auch so verändert?“ Es wird wohl so sein. Auch wenn man es nicht wahrhaben möchte, die anderen haben es schon längst gemerkt, auch wenn sie es rücksichtsvoll nicht so deutlich zeigen.

Tauchen aber Fotos von inzwischen Verstorben auf, dann macht mich das jedes Mal sehr betroffen. Mir wird dann schmerzlich bewusst, dass es den guten Freund, meine Eltern und andere Menschen, mit denen mich so vieles im Leben verbunden hat, nicht mehr gibt. Ihre Fotos zeigen sie noch in ihrer Lebendigkeit und Lebensfreude. Ihre Gesichter, ihr Lachen und ihre vertrauten Gesten erfüllen mich deshalb heute mit umso größerer Dankbarkeit. Mir wird sehr bewusst, was ich ihnen alles zu verdanken habe. Lange Gespräche kommen mir wieder in den Sinn. Stunden gelöster Geselligkeit bei einer Flasche Wein. Gute Ratschläge und praktische Hilfe. Da mag wohl etwas Wehmut aufkommen. Doch gilt nicht etwas anderes viel mehr? 

Die gemeinsame Zeit ist zwar vorbei und das mach wirklich sehr traurig, aber die Erinnerung daran lässt mich auch sehr dankbar und froh sein. Froh und dankbar, weil jeder von ihnen, auf seine ganz eigene Weise ein Teil meines Lebens war und es auch bleiben wird. Darum bin ich immer wieder aufs Neue gespannt, wenn ich  meinen Computer einschalte, welche Bilder auf dem Bildschirm erscheinen und welche Erinnerungen mich mit ihnen verbinden. 

 

 

 

Samstag, 15. Mai 2021

 

Kein  Kommentar 

„Kein Kommentar“, das ist das Einzige, was die wartenden Journalisten und Reporter dem Politiker, der vorzeitig die Nachsitzung verlässt, entlocken können. Dafür haben sie nun seit Stunden vor dem Sitzungsgebäude die Stative mit ihren Kameras mit den überdimensionalen Teleobjektiven aufgebaut. Als die Tür sich endlich einmal öffnet, kommt Bewegung und Unruhe auf. Aufgeregt und hektisch werden nun gefühlt hundert Mikrophone in die Höhe gehalten, um eine sensationelle Aussage des Politikers aufzuschnappen. Jede verräterische Regung in seinem Gesicht wird heran gezoomt und akribisch im Bild festgehalten. Er aber drängt sich durch die Meute, wie er sie schon oft erlebt hat, und er sagt nur ganz lapidar: „Kein Kommentar“.

Wozu auch, fragt sich der geübte Fernsehzuschauer, der solche Szenen ja schon oft auf dem Bildschirm gesehen hat und zur Genüge kennt. Immer wieder das gleiche Spiel und ein neuer Versuch. Jeder weiß, dass die Verhandlungen noch längst nicht abgeschlossen sind und sich noch Stunden hinziehen können. Um viele Details muss noch gerungen werden, bis es zu einem Ergebnis kommt. Darum, kein Kommentar!

Das aber will man nicht einfach abwarten. Und schon tritt in der nächsten Nachrichtensendung die Kommentatorin in gewohnter, allwissender Weise vor die Kamera und gib ihren Kommentar ab. Aber auch das kennt man schon, ein ständig wiederkehrendes Ritual. Es gibt noch gar nichts, was es zu kommentieren gäbe, aber sie kommentiert auch das. „Es sind schwierige Gespräche, die Fronten haben sich verhärtet, alle Seiten müssen ihr Gesicht wahren und dürfen ihre Wähler und die Lobbyisten nicht verunsichern.  Doch so viel steht jetzt schon fest, es wird wieder ein Ergebnis sein, dass nach unserer Meinung keinesfalls befriedigend ausfallen wird. Soweit der heutige Kommentar. Ich gebe zurück zum Sender.“

Ja, soweit der äußerst erhellende Kommentar. Da möchte man doch glatt sagen: „Bitte, keine Kommentare, jedenfalls nicht solche.“ Oder wie es Martin Luther, der hier wieder einmal als Zitatengeber gut ist, es ausgedrückt haben soll: „Kümmere dich nicht um ungelegte Eier“. Aber gerade darum scheint es in der heutigen, medialen Welt und in den sogenannten sozialen Medien hauptsächlich zu gehen. Da werden auch schon mal Ergebnisse kommentiert, die es noch gar nicht gibt. Und wenn es mal an „News“ mangelt, dann bleiben ja immer noch die „ungelegten Eier“ und die alternativen Fakten. Wer solche Kommentare hört oder liest, der braucht wirklich starke Nerven, denn jedes Ereignis oder auch Nichtereignis wird sehr subjektiv und kontrovers kommentiert.

In den Kommentarspalten bei Facebook und Co. scheint es nur weiß oder schwarz, links oder rechts zu geben. Und jede Seite kämpft verbissen und immer häufiger unfair und bösartig für die eigene Sichtweise, die natürlich die einzig richtige und wahre ist. Diesem Gemetzel von Pro und Contra fallen da zuerst die Orthographie und die Grammatik zum Opfer. Dem folgen zugleich die Wahrheit, der Anstand und die Würde des Anderen. Gnadenlos wird polemisiert, verurteilt, verunglimpft, beleidig und hasserfüllt ganz offen gedroht. Was da an, gelinde gesagt, Unsinn und Unrat in den Kommentaren zu lesen ist, wenn man es denn überhaupt noch lesen kann, was oft nur schwer möglich ist, das alles würde sicher ganze Mülldeponien füllen.

Kommentare aber sollen erhellen, ergänzen und so zum besseren Verständnis beitragen. Kommentatoren, die mit ihrer eigenen, vorgefassten Meinung oder der einer bestimmten Gruppierung, ihre Kommentare abgeben und sie auch noch als objektive Wahrheit verkaufen, die sollte man sich sparen. Die braucht kein Mensch. Sie dienen nämlich nicht einem besseren Verständnis, sondern sie polarisieren und tragen nicht zur Verständigung unter den Menschen bei. Da kann ich nur sagen: „Bitte, kein Kommentar!“