Sonntag, 29. November 2015


Selbstgestrickt“

Stricken ist wieder „in“. Zwei links, zwei rechts, Masche für Masche entsteht so ein Unikat und bringt dem Träger Freude und Bewunderung. Stricken ist mehr als bloß ein Zeitvertreib oder eine Erwerbstätigkeit, Stricken ist inzwischen ein angesagter  Event für Frau und Mann. In den frühen 80iger Jahren konnten wir die „grünen“ Abgeordneten im Bundestag häufig mit Nadeln und Wollknäuel sehen. Nun ist es wieder schick, die Nadeln zu kreuzen, aber nicht nur um Mützen, Schals und Pullover zu stricken, sonder die „Strickrebellen“ von heute verschönern mit ihren Strick-kunstwerken: Straßenlaternen, Brücken-geländer, Denkmale und sogar Bäume. Im Internet findet man ihre Bilder von den Kunstwerken aber auch von bunten, selbstgestrickten Socken und bei ebay jede Menge Wollsachen im Angebot. 

Schöne alte/neue Strick- und Häkelwelt. Da  ist sicher für jeden etwas dabei. Was aber gerade diese Stricksachen ausmacht, ist ihre unangefochtene Originalität in Farbe, Muster und Form. Jeder gestaltet und fertigt sein unverwechselbares Unikat, selbst wenn dazu ein fertiges Strickmuster verwendet wurde, hat es doch die eigene „Note“. So soll es wohl auch sein, wer strickt, möchte  dafür  auch bewundert werden. Wenn auch nicht alle selbstgestrickten Stücke gelingen, macht  ja nicht, sie können wieder aufgeribbelt werden. Dann geht’s von vorne los. Dass die zwei Socken nicht so gleich aussehen, wie sie  eigentlich sollten, ist gar nicht so schlimm, ist  dann eben Ausdruck von Individualität.

Und genau um diese scheint es heutzutage auch in anderen Bereichen des Lebens für immer mehr Menschen zu gehen. Frei nach Pippi Langstrumpf: „Widdewiddewitt und Drei macht Neune! Ich mach mir die Welt widdewiddewitt wie sie mir gefällt…“, machen sich viele Menschen ihre eigene „selbstgestrickte“ Weltanschauung. 

Was einem da auf dem  Markt der Meinungen und Ansichten so alles begegnet, ist oft haarsträubend. Originalität und Individualität werden ganz großgeschrieben, ob es anderen passt oder nicht. Und so wird gestrickt und gehäkelt, was das Zeug hält. Hauptsache bunt und kuschelig, dafür etwas zipfelig und mit einigen Luftmaschen durchsetzt, für die einen und für die anderen eher in einer altertümlichen, strengen Form und dunkler Farbe. Von rot und grün über braun und schwarz bis hin zu den schillernden Regenbogenfarben, ist hier alles vertreten. Jeder aber hält seine Farbe und sein Muster nicht nur für das Schönste, sonder absolut für das einzig Richtige. 

Bei Widerspruch haut man/frau sich die Anschauungen rechts und links heftig um die Ohren, sodass die Maschen fliegen. Und wie praktisch, was heute passt, gilt morgen schon nicht mehr. Da wird das „Selbstgestrickte“ einfach aufgeribbelt. Ein paar Wollreste aus der Mottenkiste genommen und dazu ein Knäuel echte, handgesponnene nepalesische Wolle aus dem Ökoladen und fertig ist das neue Stück. 

Einfach „selbstgestrickt“ – das passt  schon! Oder  vielleicht doch nicht?




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