Freitag, 14. November 2014


 Seilschaften oder Seilschaften?


Wer an der künstlichen Kletterwand oder an einem senkrechten Felsen im Hochgebirge steil nach oben will, der braucht nicht nur eine gute Kondition und eine perfekte Ausrüstung, sondern vor allem eine zuverlässige Seilschaft. Die erst gibt ihm Halt und Sicherheit. Jeder Alleingang kann tödlich sein. Beim Bergsteigen gehört das absolute Vertrauen zu jedem Mitglied der Gruppe dazu, denn jeder unüberlegte und unvorsichtige Schritt gefährdet immer auch die anderen Teilnehmer. Einer hängt also buchstäblich am anderen und  vom anderen ab und alle am sicheren Seil. Das nennt man beim Bergsteigen eine Seilschaft.

Nach der politischen Wende 1989 und in den darauf folgenden Jahren kam dieser Begriff „Seilschaft“ stark in Verruf. Seilschaften wurden nun eher negativ gedeutet im Sinne von alten „Stasiverbindungen“ und politischen Verstrickungen. Diese Seilschaften waren  unmittelbar mit dem Unrechtssystem der DDR leiert. Denn es galt, wer nicht am gleichen Strick der SED zog, der war ein Gegner des Sozialismus, den ließ man einfach fallen. Die Partei zog also die Fäden und knüpfte das Netz von Überwachung und Verfolgung. Sie sorgte durch die entsprechenden Organe für Sicherheit, ja für eine absolute „Staatssicherheit“. Da durfte keiner aus der Reihe tanzen, das konnte ihn und andere gefährden.

So ist das schöne und bildhafte Wort von der Seilschaft sehr schnell in Misskredit geraten und in sein Gegenteil verkehrt worden. Heute bewegen wir uns alle wieder in sogenannten "Netzwerken" und sind miteinander vernetzt. Das gibt ein Gefühl von Verbundenheit. Aber auch diverse Netzwerke haben wohl ihre  dunklen Seiten. Hier können anonyme „Strippenzieher“ die Fäden ziehen und andere unbedarfte Mitmenschen manipulieren und für ihre eigenen Interessen missbrauchen. Aus Gutgläubigkeit oder Unachtsamkeit kann einem da schnell ein „Strick gedreht“ werden. Nicht jedes Netz fängt einen Stolpernden auf und gibt ihm Sicherheit vor dem Sturz in die Tiefe, sondern in manchen Netzen sollen sich andere unentrinnbar verfangen.

Seilschaften und Netzwerke in diesem Sinne sind unheilvolle Verbindungen von Menschen und Systemen, die andere  in undurchsichtige Geschäfte und Handlungen, aber auch in unüberlegte Äußerungen  verstricken, um sie so zu Fall zu bringen. Sich selbst aber geben diese Akteure durch vielfältige Verknüpfungen eine fast absolute Sicherheit. Solche Seilschaften sind oft lebenslange, unheilvolle Verbindungen, die ein schier undurchdringliches Netzt aus Lüge, Betrug, Bestechung und Gewalt zusammen hält. Darum können sich solche Seilschaften oft lange Zeit dem Zugriff der Justiz entziehen.

Gute Seilschaften und tragende Netzwerke sind dagegen für alle transparent und sie werden sich  immer dem Wohlergehen aller verpflichtet fühlen und auf die Schwächsten besonders achten. Das Seil wird zum Halt und nicht zur Fessel. 

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