Dienstag, 9. September 2014

Altweibersommer

„Das ist heute aber ein herrlicher Tag, die Sonne meint es noch einmal gut mit uns“, sagte die Frau neben mir auf dem Marktplatzt. „Ein richtig schöner Altweiber-sommer“, fügte sie dann noch hinzu. Den Ausdruck „Altweibersommer“ kannte ich zwar schon lange, aber ich habe nie näher drüber nachgedacht. Nun war jedoch mein Interesse geweckt. Gerade in einer Zeit, wie der unseren, wo es genau auf „political correctness“ ankommt, möchte man doch nicht ins Fettnäpfchen treten und den Zorn der Frauen auf sich ziehen, die an diesem Wort eventuell Anstoß  nehmen könnten.

Zudem ist es doch ein ziemlich unpassender Name für so einen schönen Tag. Was steckt denn hinter dieser Bezeichnung? Eins sei schon einmal vorab gesagt, der Name stammt aus einer Zeit, in der das Wort Weib noch als sehr ehrbarer galt. Also keineswegs abwertend und diskriminierend war.

Bei meiner Recherche fand ich als Erklärung für den Begriff Altweibersommer: „Bedingt durch  ein Hochdruckgebiet, das sich von Südwesten her über ganz Europa erstreckt, schenkt uns der Herbst von Mitte September bis Mitte/Ende Oktober eine trockene, warme Schönwetterperiode mit freundlichen ruhigen Tagen: Altweibersommer!“  
Charakteristisch sind dabei die die feinen Fäden, die durch die Luft fliegen und Pflanzen und Felder überziehen. Sie gleichen langen, silbernen Frauenhaaren und stammen von den Krabbenspinnen. Von diesen werden sie buchstäblich in die Luft geschossen, um sich an ihnen zu einem Winterquartier forttragen zu lassen.

Wir können in diesen Tagen erleben, dass sich die Natur noch einmal von ihrer schönsten Seite zeigt. Der alt und müde gewordene Sommer kommt zurück. Doch die Kraft der Sonne ist schon merklich schwächer geworden. Der schönste Herbsttag ist zudem wesentlich kürzer. Genauso ist es doch auch bei uns Menschen. Wer in die Jahre gekommen ist, erfährt immer deutlicher seine eigenen Grenzen. Das junge Mädchen kann noch die Nächte durchtanzen und feiern. Dem „alten Weibe“ geht schon bald die Puste aus.

Der Altweibersommer ist demnach eine Zeit der kürzer werdenden Tage, ein letztes Ausschütten von Farben und Licht, sehnsüchtige Erinnerungen an den vergangenen Sommer und Vorahnung von Herbst und Winter. Unser menschliches Leben ist dabei dem Verlauf der Jahreszeiten sehr ähnlich. Die Kindheit und Jugend ist der Frühling des Lebens, der Sommer die Zeit der Schaffenskraft und Stärke. Dagegen werden der Herbst und der Winter dem älter werdenden Menschen und letztlich dem alten zu gerechnet. Daher wird die sogenannte zweite Hälfte des Lebens heute für viele zum Problem. Denn die Überbetonung der Jugendlichkeit und der Tatkraft führen dazu, dass so manches davon unpassender Weisen in die zweite Hälfte hinüber gerettet werden soll. Doch kurze Hosen im Winter machen noch längst keinen Sommer!

Wer sich daher mit dem Duft der Blüten allein begnügt und seien sie noch so schön, der übersieht ihren eigentlichen Sinn, nämlich Reife und Frucht. Wenn wir die Augen öffnen und mit allen Sinnen wach durch die Natur gehen, dann spüren wir, dass jede Jahreszeit ihre schönen und bezaubernden Seiten hat. So ist es doch auch bei uns Menschen. „Alles hat seine Zeit“.

Ob nun jung oder alt, wir sollten uns hüten, das eine gegen das andere auszuspielen. Deshalb sagte wohl der dänische Denker Sören Kirkegaard so treffend: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“

In diesen Tagen des „Altweibersommers“, der uns an die Vergänglichkeit  des Lebens erinnert, dürfen wir uns noch einmal an der Sonne und der Wärme des Sommers freuen und ihn genießen, auch wenn wir um sein Ende wissen. Liegt doch in jedem Ende auch ein neuer Anfang!


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