Samstag, 8. November 2014


Die Trauerweide, die nicht traurig wirkt

Irgendetwas auf diesem Bild passt nicht so recht zusammen. Eine Trauerweide vor einem blauen Himmel mit weißen Wolken und Sonnenschein. Meine Vorstellungen, sind da etwas anders. In mir taucht ein Bild von einer mächtigen Trauerweide mit ihren weit herabhängenden Zweigen an einem dunklen Teich oder am Ufer eines träge dahinfließenden Flusses auf. Dazu ein grauer und trüber Himmel. Ein solch trauriges Bild bestimmt meine Imagination. Dieses hier irritiert.

Vielleicht hat das etwas mit dem eigentümlichen deutschen Namen „Trauerweide“ zu tun. Botanisch heißt dieser Baum salix alba tristis oder auch salix babylonica. Sein Ursprung liegt in den östlichen Breiten dieser Erde.

Einige meinen gar, der Name könnte auf den Psalm 137 zurück gehen, in dem das Schicksal des Volkes Israel im babylonischen Exil beschrieben wird. Dort heißt es: „An den Strömen von Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die Weiden in jenem Land“.Trauer über den Verlust der eigenen Freiheit und den Tod und das Leid naher Angehöriger bestimmen das Leben des Volkes Israel in der Gefangenschaft. Es lebte dort im Ghetto und unter Repressionen. 40 Jahre lang dauerte das Exil letztendlich.

Trauer hat immer etwas mit Verlust zu tun. Die Trennung von einem Menschen macht andere niedergeschlagen und traurig, großer Schmerz erfüllt sie. Der Mensch lässt den Kopf hängen. Der klare Blick ist getrübt. Alles scheint an Bedeutung verloren zu haben. Die Gedanken gehen zurück an das Vergangene, an das, was einmal war. Die Zukunft erscheint in weite Ferne gerückt, in einen trüben Nebel getaucht, unwirklich  und  unerreichbar.

Haben wir nicht von Vielem im Leben eine vorgefasste Meinung und ein festes Bild? Da irritiert uns natürlich eine Trauerweide, die gar nicht traurig wirkt. Genauso wie ein trauernder Mensch, der uns aber sehr gefasst begegnet. Sollte er nicht mit Tränen überströmten Gesicht und tief gebeugt, in dunkelstes Schwarz gehüllt, daherkommen? Es verunsichert uns zu tiefst, wenn unsere Vorstellungen sich nicht mit der realen Wirklichkeit decken.

Wir schauen oft zu sehr auf das äußere Erscheinungsbild und schließen allzu leichtfertig auf das Innere. Wir meinen zu wissen, wie etwas sein muss oder auch nicht. Trauer und Schmerz sind sehr starke Gefühle. Sie haben eine Außenseite und eine Innenseite und diese gestalten sich bei jedem Menschen sehr unterschiedlich. Es steht keinem von uns zu, das eine gegen das andere auszuspielen und zu bewerten oder gar abzuwerten. Wissen wir denn, aus welchen Tiefen ein Mensch lebt und aus welchem Wurzelgrund er seine Kraft zieht? Auch ein Mensch mit einem offenen und frohen Gesicht kann in seinem Herzen tiefe Trauer tragen, genau wie ein anderer, der in  Tränen fast zerfließt.

Eine Trauerweide muss nicht düster und traurig wirken. Sie ist und bleibt auch im Sonnenschein eine Trauerweide. Ebenso kann ein Mensch, der Trauer in seinem Herzen trägt, gelöst und offen in die Zukunft gehen, denn die Sonnen scheint ja auch für ihn und das Leben geht weiter als manch einer heute denkt.


                                                   


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen