Freitag, 7. August 2015


Abstand halten …


das ist ein ganz wichtiger Grundsatz im Straßenverkehr  und gilt als eine ernst zu nehmende Regel auch in anderen Bereichen des Alltags. Das wissen wir alle. Wir werden immer wieder darauf hingewiesen. Die Umsetzung hingegen sieht oft ganz anders aus. 

Dichter Verkehr auf der Autobahn, eine PKW-Fahrer drängelt sich von der rechten Fahrspur zwischen zwei andere Fahrzeuge. Der Sicherheitsabstand wird knapp, plötzlich stockt der Verkehr auf dieser Fahrbahn, die Bremslichter leuchten auf, es wird eng, es kracht. Gott sei Dank, nur ein Blechschaden! Das ging noch einmal gut. Hätte schlimmer ausgehen können.

Es kommt eben immer auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand an. Nur so kann gut und richtig reagiert werden und das nicht nur im Straßenverkehr. Darum finden wir diesen Hinweis und entsprechende Schilder auch an anderen sensiblen Orten in unserem Alltagsleben. Vor Bankschaltern und Automaten ebenso wie in der Apotheke, steht der Hinweis: „Diskretion – bitte Abstand halten“.

Wer möchte denn schon gern beim Eingeben seiner PIN, dass ein anderer ihm über die Schulter schaut? Auch muss der nächste Kunde nicht gleich erfahren, welches Medikament ich gerade in der Apotheke abhole. Es gibt viele Lebensbereiche und Situationen, bei denen Diskretion und der richtige Abstand ganz wichtige Voraussetzungen sind für ein störungsfreies Miteinander der Menschen. Wo dies nicht akzeptiert wird, kann es schnell zum "Crash" kommen.

Abstand und Diskretion dienen der eigenen, besonders der seelischen Gesundheit.  Wir müssen nicht alles und jeden ganz nah an uns heran lassen. Ein gesunder Selbstschutz ist da von Nöten: „Das geht mir jetzt einfach zu nah, das verkrafte ich nicht!“ Jeder braucht den räumlichen Abstand zum anderen und ebenso einen inneren Abstand, um eine Situation richtig einzuschätzen, zu bedenken und zu bewältigen. In bestimmten Zeiten ist es sehr wichtig, einem anderen Menschen, um den wir uns ehrlich sorgen, nicht alles abnehmen zu wollen, sondern ihm seinen Freiraum und seine Entscheidung zu lassen. Allzu große Nähe kann für den anderen nämlich eher erdrückend wirken. Die Ausgewogenheit zwischen Distanz und Nähe sollte stets gewahrt sein.

Wenn mir jemand ständig mit  seinen Problemen, den kleinen und großen Sorgen oder auch mit seiner Euphorie auf die „Pelle rückt“, dann wird das einfach nur unerträglich. Auch die übertriebene Fürsorge eines anderen, kann mir die Luft zum Atmen und zur eigenen, freien Entscheidung nehmen. Zu große Nähe schlägt dann ganz leicht ins Gegenteil um. Dann wundert es nicht, wenn der andere genervt und entschieden auf Abstand geht. Danach folgt oft  der verräterische Satz: “Ich hab es doch nur gut gemeint“. Wissen wir doch inzwischen, das dieses „gut gemeint“ oft das Gegenteil von „gut“ ist.

Also nicht nur im Straßenverkehr, in Banken und Apotheken oder in anderen sensiblen Bereichen in unserem Leben ist es wichtig, Diskretion zu wahren und Abstand zu halten, sondern ganz besonders im Umgang mit anderen Menschen. Hier ist es gewiss nicht immer leicht, das richtige Maß zu finden zwischen einer kühlen Distanziertheit und einer anbiedernden Nähe. Menschen mit  einem übertriebenen „Helfersyndrom“ sind leicht in der  Gefahr, sich überall einzumischen und dabei ihre Grenzen zu überschreiten. Sie haben es nicht gelernt, dem anderen Raum zum eigenen Handeln zu lassen. Selbst auf die Gefahr hin, dass er sich anders entscheidet. Kollisionen sind da unvermeidlich. Menschen, die von vornherein auf Abstand gehen, werden in ihrer unterkühlten Distanz ebenso wenig der jeweiligen Situation gerecht. Beide Extreme verfehlen ihr eigentliches Ziel.

Das Ziel ist immer das Wohl des anderen Menschen. Einzig und allein um ihn geht es. Mein Ich und meine Person spielen dabei stets eine untergeordnete Rolle. Es gilt zu erkennen, was für den anderen gut und wichtig ist. Braucht er meine Nähe, die ihm gut tut oder ist es der diskrete Abstand, der ihm ermöglicht durchzuatmen und er selbst zu sein?

Die Aufforderung: „Abstand halten“ ist also nur die halbe Wahrheit. Richtiger muss es  wohl heißen: „Haltet den richtigen Abstand und sucht stets das richtige Maß zwischen Distanz und Nähe.“ 



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