Na so was – eine Glocke erzählt
Eine Sonntagsgeschichte
Das
gibt es doch nicht? Ist das noch zu fassen? Was man sich heutzutage alles
bieten lassen muss. Schaut Euch doch diesen Dreikäsehoch an, der pinkelt mich
ungeniert an! Dabei habe ich schon Rost
angesetzt. Na, ist ja auch klar, wenn man aus seiner luftigen Höhe
heruntergeholt und achtlos auf der Wiese abgestellt wird. Ich bin vielleicht
sauer! Nun stehe ich hier nutzlos herum. Ich darf gar nicht daran denken, wie
alles anfing. Da kamen doch der Pfarrer und ein Glockenexperte eines Tages zu mir auf den
Turm geschnauft. Das freut mich ja immer noch, dass sie sich wenigsten
anstrengen mussten. Von oben bis unten hatten sich die beiden mit Staub und
Spinngeweben beschmutzt. Geschieht ihnen recht. Nachdem der Experte mich mit
seinen Messgeräten gründlich untersucht hatte, schüttelte er den Kopf und
sagte: „Oh, oh Herr Pfarrer, das sieht gar nicht gut aus!“ „Das hab ich mir
schon gedacht“, nickte der Pfarrer. Viel hatte er allerdings von der Expertise
nicht verstanden, nur so viel, dass die alte Glocke nicht mehr geläutet werden
darf, denn es besteht sonst Einsturzgefahr für den Turm.
Das
war es dann für mich, meine letzte Stunde hatte geschlagen. Ich war so
erschüttert, dass der Klöppel noch einmal kurz anschlug. Verwundert schauten
ein paar Passanten nach oben. Das war sozusagen mein letzter Ton, mein
Abgesang.
Wenn
ich an all die vielen Jahre zurückdenke, wird mir ganz schwer ums Herz. Glauben
Sie nur, auch Glocken haben ein Herz und Gefühle. Wie schön war es, wenn ich
zur Hochzeit geläutet wurde. All die schönen Kleider, die Braut ganz in weiß
und mit Schleier. Einfach traumhaft. Die
Männer machten nicht ganz so frohe Gesichter, ob sie den Ernst der Lage früher
erkannten? Sonntags rief ich die Gemeinde zur Kirche. Jung und alt kamen damals
noch in Scharen. Zuletzt kamen fast nur noch ein paar alte Leute. Am Morgen,
mittags und am Abend konnte man mein Läuten hören, so half ich den Menschen im Ort
dabei, ihren Tag gut einzuteilen. Wenn ich außer der Reihe geläutet wurde,
fragten die Leute: „Was ist los? Ist jemand gestorben?“ Auch das gehörte zu
meinen Aufgaben, die Menschen auf ihrem letzten Gang zu begleiten. In früheren
Zeiten hatte ich noch eine weitere wichtige Aufgabe. Wenn Gefahr drohte, wurde ich
„Sturm geläutet“. Dann brachten sich alle
schnell in Sicherheit. Ach ja, mein Dienst war schon abwechslungsreich und ich
hab ihn gern getan. Mir schwillt jetzt noch die Brust, wenn ich an die Advents-
und Weihnachtszeit denke. Zu den Roratemessen wurde ich schon in aller Frühe um
5.00 Uhr geläutet. Das wird sicher nicht jedem Schläfern gefallen haben. Am
schönsten klang mein Geläut zur Christmette, wenn ich den Weihnachtsfrieden
verkünden durfte. Vom Turm aus konnte ich all die fröhlichen Menschen sehen,
wie sie sich ein gesegnetes Fest wünschten. Nun stehe ich hier und träume von den
vergangenen Zeiten.
Die
Tage des Advent und um Weihnachten herum sind ganz besondere Tage. Es ist eine
geheimnisvolle Zeit, in der noch Wunder und Zeichen geschehen können.
Vielleicht erlebe auch ich so ein Wunder und werde zum nächtlichen Himmel empor
gehoben. Wenn ihr ganz still seid, könnt ihr vielleicht mein fröhliches Läuten
hören und sagt: „Na so was – eine Glocke im Himmel“.
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