Samstag, 13. Dezember 2014


Sehnsucht nach  Licht

Die Tage im Monat Dezember werden immer noch kürzer. Nun ja, das stimmt zwar nicht ganz, aber wir haben alle das Gefühl, dass es so ist. Nicht die Tage werden kürzer, sondern es sind immer weniger Stunden am Tag, an denen es hell ist oder gar die Sonne sich sehen lässt. Trübe Tage, lange Nächte. Bereits am späten Nachmittag wird es jetzt schon dunkel. 
Die lange Dauer dieser Dunkelheit wirkt auf viele Menschen deprimierend und macht sie lustlos. Ihre Energie und ihre Leistungsfähigkeit lässt schnell nach. Eine große Müdigkeit lähmt auch so manche Aktivität. Selbst nach draußen mag man nicht so gerne gehen, denn es ist nass und kalt, einfach ungemütlich. Zudem ist alles düster und kahl in dieser Jahreszeit.

Die Sehnsucht der Menschen nach Licht und Wärme wächst und ist überall spürbar. Gehe ich  durch die dunklen Straßen der Stadt, dann schaue ich mir gern die erleuchteten Fenster der Häuser an. Balkone und Fassaden schmücken jetzt kleine Lichterketten, in den Vorgärten stehen beleuchtetet Büsche und Bäume. Sterne leuchten in den Fenstern und vor den Eingängen mancher Geschäfte sind Laternen mit dicken brennenden Kerzen aufgestellt. Auf dem Weihnachtsmarkt duftete es nicht nur köstlich nach Glühwein und gebrannten Mandel, sonder überall flimmern bunte Lichter.

All diese Lichter sind kleine Hoffnungszeichen in der Dunkelheit. Sie bringen Helligkeit und Wärme. Und das nicht nur in den Häusern und Straßen, sondern auch in den Herzen der Menschen. Gerade darum geht es doch, dass wir nicht die Hoffnung verlieren und vor dem Dunkel resignieren. Dass die Tage nach Weihnachten wieder länger und heller werden, wissen wir ziemlich genau, aber es gibt eine andere Dunkelheit, die viel mehr ängstigt. Sie erfüllt die Menschen mit Sorge und macht ihre Herzen schwer.   

Die häufigen Nachrichten von Gewalt, Hass, Krieg und Terror legen sich wie dunkle Schatten auf die Seelen der Menschen. Düstere Visionen werden an die Wand gemalt und Ängste geschürt. In einer globalen und medialen Welt dominieren oft die dunklen Seiten das gegenwärtige Geschehen. In der Palette dieser „Bildermaler“ scheint es keine hellen Farben mehr zu geben. Oft gibt es nur noch schwarz oder weiß auf dem Markt der Meinungen. Die Zwischentöne, die das Leben erst ausmachen, sind verschwunden. Es fehlt in unseren Tagen oft an Farbe, Licht und Herz. Konfrontation statt Kooperation bestimmt die Diskussionen. So mancher „Unheilsprophet“ und „Schwarzseher“ gibt dabei den düsteren Ton an.

Wäre es nicht besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen, wie es ein chinesisches Sprichwort sagt? Denn dass viele kleine Lichter eine übermächtige Dunkelheit vertreiben können, hat doch der „Herbst 89“ gezeigt. Viele kleine Kerzen, die die Menschen entzündeten, wurden zu einem Lichtermeer, vor dem letztendlich die Dunkelheit kapitulieren musste. Doch das aber geschieht nicht alle Tage und es muss schon Vieles zusammenkommen, damit es geschieht.

Kleine Lichtblicke im Alltag, die können wir uns viel leichter und öfter schenken. Ein freundliches Lächeln und ein herzliches Dankeschön für einen anderen, zaubern schnell ein Leuchten auf sein Gesicht und vertreiben so manche trübe Gedanken.






Mittwoch, 3. Dezember 2014


„Es war einmal“  oder  "Die Gans, die nicht sterben musste"

Das ist wieder einmal so eine Geschichte, die mit den Worten beginnen könnte: „Es war einmal.“ Sie liegt nämlich schon viele Jahre, inzwischen Jahrzehnte, zurück. Es war noch die Zeit, in der man stolz seinen Trabant fuhr und überglücklich war, wenn man nach gut 13 Jahren Wartezeit, so ein Gefährt sein eigen nennen konnte. Mit so einer  „Rennpappe“, wie der Trabi auch liebevoll ironisch genannt wurde, ging es dann in die „weite Welt“ hinaus. Na ja, nicht ganz soweit. Es gab nur eine Richtung, immer nach Osten, denn an der Westgrenze des Landes war ja bekanntlich an der Mauer bzw. am Stacheldrahtzaun abrupt Schluss. 
In diesen Zeiten sollten die  „fürsorglich behüteten“ DDR-Bürger nämlich auch vor jeglicher „Schmutz- und Schundliteratur“ und anderen "westlichen" Einflüssen bewahrt werden, wie die Staatsführung meinte. Genauso wie die DDR-Bürger nicht einfach in Richtung Westen über die Grenze durften, so durften auch Bücher und andere Druckerzeugnisse nicht bei uns einreisen. Nun, das stimmt auch nicht ganz. Über das Staatsgebiet der DDR hinweg, egal ob mit dem Flugzeug oder im Transitverkehr, konnten Bücher und Zeitschriften jedoch unbehelligt bis nach Polen reisen. Und das war gut so.

Dort, in Polen, gab es in einem kleinen Dorf im Kreis Neiße die alte Tante der Mutter eines meiner Kommilitonen. Diese erhielt eines Tages ein Paket aus Bielefeld.  Mit dem Inhalt wusste  sie nicht viel anzufangen, denn es waren nämlich nur Bücher. Diese hatten unbeschadet die Grenze überschritten, oder vielmehr überflogen. Egal, sie waren jedenfalls in Polen sicher angekommen. Es waren die Bücher, die uns Freunde aus dem Westen besorgt hatten. Nun hatten wir nicht nur ein Kommunikationsproblem mit der Tante in Polen, sondern auch das Problem, die „verbotenen Bücher“ zurück in die DDR zu schmuggeln. 

Die schwierige Verständigung mit der Tante hatte zur Folge, dass wir, mein Freund Matthias und ich, mit dem neuen Trabant meiner Schwester plötzlich und unerwartet in dem kleinen Dorf bei der Tante auftauchten. „Herr Je, Jungchen, hätte ich gewusst, dass ihr kommt, hätte ich doch die Gans geschlachtet“, war ihre Begrüßung. Uns lief gleichzeitig ein Schauer über den Rücken und der Schweiß von der Stirn bei über 30° Grad Celsius im Monat Juli. Gott sei Dank, kein Gänsebraten bei dieser Hitze. Das hätte noch gefehlt. So hatte  letztlich ein Kommunikationsproblem der amen Gans das Leben gerettet. Wenn ich jetzt daran denke, glaube ich zwar nicht, dass die Gans das nächste Weihnachtsfest heil überlebt hat., aber fürs erste hatte sie es überstanden. Sie schnatterte fröhlich weiter auf ihrem Hof und freute sich sichtlich des Lebens. 

Für uns zwei blieb aber noch das große Problem, wie wir die Bücher über die Grenze in die DDR bekommen? Doch wir hatten einen Plan! Wie gesagt, wir waren ja mit einem Trabant unterwegs. Das war ein Auto, an dem man noch selbst herum schrauben konnte. So lösten wir ohne große Schwierigkeiten die Innenverkleidungen an den Türen und den Seitenwänden und konnten dort unsere, gut in Plastetüten verpackten Bücher, verstauen. Zwar klebte alles ganz fürchterlich, denn der Wagen war zwecks Korrosionsschutz vor kurzem erst „hohlraumkoserviert“ worden. Eine gängige Methode, die den Fahrzeugen in Ostdeutschland eine lange Lebensdauer verleihen sollte. Diese war auch sehr notwendig bei den enormen Beschaffungsschwierigkeiten damals.

Kurz um, als alles wieder gut verschraubt war, verabschiedeten wir uns von der Tante und der schnatternden Gans, die nicht sterben musste. Wir fuhren mit klopfenden Herzen in Richtung DDR-Grenze bei Zittau. Uns stand der Angstschweiß auf der Stirn, als wir an den Schlagbaum kamen. Aber auch die Zöllner schwitzten bei immer noch mehr als 30° Grad Celsius und wollten schnell wieder in den Schatten. So fielen unsere schweißtriefenden Gesichter gar  nicht weiter auf. Glück gehabt, es war geschafft. Wir atmeten erleichtert auf. Das Abenteuer war geschafft und ich bin von Herzen froh, dass diese Zeiten nun vorbei sind.
„Das war einmal“, und das heißt, ich kann und will mir nicht vorstellen, dass sich heute und in Zukunft vernünftige  Menschen so eine geteilte Welt zurück wünschen.


Samstag, 22. November 2014


Was soll ich nur anziehen?

Er und sie wollen verreisen. In einer Stunde fährt der Zug. Sie steht aber immer noch vor ihrem vollen Kleiderschrank und sucht die passende Kleidung für die Reise. Und nun wird es schwierig. Das eine ist zu warm, das andere zu dünn, das eine zu kurz, das nächste zu lang. Irgendwie ist nichts das Richtige, kein Stück will farblich oder vom Schnitt her zum anderen passen. Er drängt sie ungeduldig immer wieder zur Eile. Schließlich wartet der Zug  nicht auf sie. Sie aber stöhnt und jammert: „Was soll ich nur anziehen? Ich kann mich einfach nicht entscheiden!“ Er bleibt ruhig, er kennt sie ja. Die Zeit vergeht, beide werden zunehmend nervöser und so ergibt ein Wort das andere. Letztendlich ist der Krach da und der Zug ist weg.

Wer sich nicht entscheiden kann, über den entscheiden halt andere. In unserem Fall ist es der Fahrplan. Das ist jedoch noch kein Beinbruch. Es fährt gewiss noch ein anderer Zug, wenn nicht gerade wieder einmal gestreikt wird.

Jeder Mensch muss sich täglich und in vielen kleinen aber auch in größeren Dingen entscheiden. Dabei sind so manche Entscheidungen bereits Routine geworden und fallen einem gar nicht mehr auf. Der Tagesablauf wird nicht jeden Tag aufs Neue verändert. Auch nimmt keiner jeden Tag einen anderen Weg zur Schule, ins Büro oder zum Einkaufen. Bei der Programmauswahl im Fernsehen am Abend sieht das schon anders aus. Da braucht es gewisse Kriterien, um sich für die richtige Sendung zu entscheiden oder einfach auszuschalten. Jeder hat dabei zahlreiche  Wahlmöglichkeiten. Viele zappen heute von einem Programm zum anderen. Dabei gehen die Bildsequenzen und Inhalte in rasanter Folge über den Bildschirm. Was kann davon noch den Zuschauer erreichen, wenn eine Information die andere jagt? Sich ein eigenes Urteil über das Gehörte und Gesehene zu bilden, ist von den Machern wohl gar nicht mehr gewünscht.

Ähnlich erscheint heute das Verhalten vieler Zeitgenossen in ihrem persönlichen und beruflichen Alltag. Sie zappen einfach hin und her. Bei Nichtgefallen nächstes Bild, nächster Ort, nächster Job, nächster Mensch und nächster Partner. Diese Unentschlossenheit ist aber nicht nur ein persönliches Problem des einzelnen, nein es tangiert ganz stark andere Menschen, die nicht mehr auf die Verlässlichkeit des andren zählen können. Es ist einfach schwer mit jemanden aus zu kommen, der sich einfach nicht entscheiden kann.

Lehrlinge brechen vorzeitig ihre Lehre ab, weil sie meinen, sich falsch entschieden zu haben oder die Anforderungen nicht erfüllen können oder wollen. Ein neuer Versuch wird gestartet, oft mit genauso  wenig Erfolg. Studenten wechseln mehrmals während ihrer Studienzeit das Studienfach, weil es immer wieder andere Möglichkeiten gibt, sich zu versuchen. Immer wenn es im Leben ernst wird, zeigt es sich, ob ein Mensch entschieden dazu  steht, was er ausgewählt hat.

Sich bloß nicht zu früh festlegen, sich ein Hintertürchen offen halten, man weiß ja nie, ob sich noch etwas besseres findet, das scheint für immer mehr Menschen die Devise zu sein. Sind sie nun "entscheidungsunfähig" oder nur "entscheidungsunwillig"? Ganz egal. Wer sich nicht entscheiden kann, macht es sich und anderen oft sehr schwer. Aber auch sogenannte "Spontanentscheidungen" haben so ihre Tücken. 

Darum gilt es hiebei, zuerst vernünftig abzuwägen, sich nicht drängen zu lassen, lieber noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen, dann aber eine begründete Entscheidung zu treffen. Das macht einem wieder den Kopf frei und nimmt das Grummeln im Bauch. Jetzt kann man wieder durchatmen, der Blick geht nach vorn, das Hin und Her ist vorbei. Die Entscheidung ist gefallen, denn die kann einem sowieso keiner abnehmen.  


Dienstag, 18. November 2014


Für alles die richtige Pille


„Der Tag fängt ja gut an, jetzt hab ich auch noch Kopfschmerzen“, klagt sie. Dabei hat sie gerade heute wieder einen an-strengenden Tag mit zwei Prüfungen. Da bleibt der rasche Griff zur Schmerztablette nicht aus. Was soll sie sonst auch tun? Die Klausur vermasseln, weil sie sich vor Kopfschmerzen nicht mehr richtig konzentrieren kann? Nein, da ist so eine Schmerztablette genau das Richtige. Sie lindert den Schmerz und gibt schnell die Leistungsfähigkeit zurück.

Toll, dass es diese gute Möglichkeit gibt, Schmerzen so einfach zu lindern. Natürlich hat dies auch eine Kehrseite, denn in einem zu häufigen und gedankenlosen Gebrauch liegen versteckte Gefahren. Viele Menschen haben den Eindruck, dass es für alles und zu jeder Zeit die richtige Pille gibt. Ich muss sie nur noch einwerfen, wie eine Münze in einen Automaten und schon stellt sich das gewünschte Ergebnis von ganz allein ein.

Beruhigungsmittel, Schlaftabletten, leistungssteigernde Mittel, „Glückspillen“, Schmerzmittel und vieles mehr wird auf diesem sehr einträglichen Markt der Pharmazie vertrieben. Es gibt heute viele Medikamente, mit denen man jeder Zeit ein vermeintliches Wohlbefinden herstellen kann. Immer mehr Menschen gehen davon aus, ihre Schwierigkeiten ohne diese „Pillen“ nicht mehr bewältigen zu können. Wenn aber die Einnahme der Medikamente zur Regel wird, entsteht eine Abhängigkeit. Und das ist nicht nur so dahin gesagt. Etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland sind medikamentenabhängig. Und das sind genau 1,4 Millionen zu viel!

Wie kommt es eigentlich zu diesem Missbrauch von Medikamenten und anderen  viel beschworenen „Wundermitteln“? In unserer heutigen Zeit wird ein gewisser Lifestyle für alle Bereiche des Lebens als absolute Norm vorgegeben. So entsteht für alle  ein hoher Leistungsdruck. Die Werbeikonen werden dabei oft zur Richtschnur für Aussehen und Verhalten. Wer da mithalten will, schafft das nicht mehr ohne Hilfsmittel und die richtigen Pillen.

Schon jüngere Schüler benötigen Präparate, damit sie den Schulstress bewältigen und die hohen Anforderungen erfüllen können. Damit sie am Abend endlich einschlafen, müssen sie Beruhigungsmittel oder gar Schlafmittel einnehmen. Gesund? Gewiss nicht! Ganz krass geht es auf dem Sektor der kosmetischen Mittel zur Sache. Nach dem Motto: „Schönheit kommt von innen“, werden jede Menge Pillen und Dragees dafür beworben. Um den überhöhten Ansprüchen zu genügen, die von der Werbung suggeriert werden, werden dann diese Produkte gekauft und konsumiert. Bleibt der Erfolg aus, wird die Dosis erhöht, bis dann ein Leben ohne Medikamente und teure Pillen gar nicht mehr geht. Der Glaube, auf diese Weise ein glücklicheres und unbeschwerteres Leben zu führen, ist naiv aber wohl ungebrochen. Der kindliche Glaube, es gibt für alles die richtige Pille, lässt die Produktion solcher Produkte auf Hochtouren laufen.

Dabei wird den Verbrauchern permanent suggeriert, jeder kann so weiter leben wie bisher. „Ich will so bleiben wie ich bin!“ oder „Du darfst“, klingt doch sehr verlockend. Du brauchst keinen regelmäßigen Schlaf, dafür gibt es doch die richtige Pille, um am Morgen wieder fit und leistungsstark zu sein. Deine Depressionen sind wie weggeblasen, wenn du schnell zu den „Glückspillen“ greifst. Kopfschmerzen, Übelkeit, kein Problem, da gibt es doch etwas dagegen. Und Dank der großen „Wundersucht“ vieler Menschen floriert das Geschäft und die Kassen klingeln. 

Fachleute sagen längst, Power-Drinks für "Supermänner" und diverse Schönheitsmittel für glänzendes Haar und feste Fingernägel für die "Dame von Welt", gehören eher in den Müll. Vieles davon ist gar nicht  nötig und sogar auf Dauer schädlich, denn nicht die Symptome müssen zuerst beseitigt werden, sondern die Ursachen und die liegen oft viel tiefer.

Damit das Geschäft mit Wunderpillen auch weiterhin klappt, werden uns heute immer neue Defizite und Probleme einredet, die wir ansonsten gar nicht hätten, um sie dann für viel Geld und unter Gefährdung der körperlichen und seelischen Gesundheit mit den dafür angepriesenen Mitteln zu bekämpfen.

Darum gilt auch hier die alte Weisheit: „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“. Oder:„Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“.





Freitag, 14. November 2014


 Seilschaften oder Seilschaften?


Wer an der künstlichen Kletterwand oder an einem senkrechten Felsen im Hochgebirge steil nach oben will, der braucht nicht nur eine gute Kondition und eine perfekte Ausrüstung, sondern vor allem eine zuverlässige Seilschaft. Die erst gibt ihm Halt und Sicherheit. Jeder Alleingang kann tödlich sein. Beim Bergsteigen gehört das absolute Vertrauen zu jedem Mitglied der Gruppe dazu, denn jeder unüberlegte und unvorsichtige Schritt gefährdet immer auch die anderen Teilnehmer. Einer hängt also buchstäblich am anderen und  vom anderen ab und alle am sicheren Seil. Das nennt man beim Bergsteigen eine Seilschaft.

Nach der politischen Wende 1989 und in den darauf folgenden Jahren kam dieser Begriff „Seilschaft“ stark in Verruf. Seilschaften wurden nun eher negativ gedeutet im Sinne von alten „Stasiverbindungen“ und politischen Verstrickungen. Diese Seilschaften waren  unmittelbar mit dem Unrechtssystem der DDR leiert. Denn es galt, wer nicht am gleichen Strick der SED zog, der war ein Gegner des Sozialismus, den ließ man einfach fallen. Die Partei zog also die Fäden und knüpfte das Netz von Überwachung und Verfolgung. Sie sorgte durch die entsprechenden Organe für Sicherheit, ja für eine absolute „Staatssicherheit“. Da durfte keiner aus der Reihe tanzen, das konnte ihn und andere gefährden.

So ist das schöne und bildhafte Wort von der Seilschaft sehr schnell in Misskredit geraten und in sein Gegenteil verkehrt worden. Heute bewegen wir uns alle wieder in sogenannten "Netzwerken" und sind miteinander vernetzt. Das gibt ein Gefühl von Verbundenheit. Aber auch diverse Netzwerke haben wohl ihre  dunklen Seiten. Hier können anonyme „Strippenzieher“ die Fäden ziehen und andere unbedarfte Mitmenschen manipulieren und für ihre eigenen Interessen missbrauchen. Aus Gutgläubigkeit oder Unachtsamkeit kann einem da schnell ein „Strick gedreht“ werden. Nicht jedes Netz fängt einen Stolpernden auf und gibt ihm Sicherheit vor dem Sturz in die Tiefe, sondern in manchen Netzen sollen sich andere unentrinnbar verfangen.

Seilschaften und Netzwerke in diesem Sinne sind unheilvolle Verbindungen von Menschen und Systemen, die andere  in undurchsichtige Geschäfte und Handlungen, aber auch in unüberlegte Äußerungen  verstricken, um sie so zu Fall zu bringen. Sich selbst aber geben diese Akteure durch vielfältige Verknüpfungen eine fast absolute Sicherheit. Solche Seilschaften sind oft lebenslange, unheilvolle Verbindungen, die ein schier undurchdringliches Netzt aus Lüge, Betrug, Bestechung und Gewalt zusammen hält. Darum können sich solche Seilschaften oft lange Zeit dem Zugriff der Justiz entziehen.

Gute Seilschaften und tragende Netzwerke sind dagegen für alle transparent und sie werden sich  immer dem Wohlergehen aller verpflichtet fühlen und auf die Schwächsten besonders achten. Das Seil wird zum Halt und nicht zur Fessel. 

Samstag, 8. November 2014


Der Fliegenpilz – ein Pilz, der gar nicht fliegen kann

Wenn Kinder einen Pilz malen, dann malen sie meistens zuerst einen weißen Stängel und darauf einen knallroten Schirm mit weißen Punkten. Fertig ist der Fliegenpilz. Als Glückssymbol ziert sein Bild viele Glückwunschkarten, Geburtstagskerzen, Servietten und anderes mehr. In  vielen Kinderliedern und Märchen hat der Fliegenpilz seinen festen Platz. Für manche Menschen gehört der geheimnisumwitterte Fliegenpilz zum unverzichtbaren Hand-werkzeug von Hexen und Zauberern. 
Was hat es nun aber wirklich auf sich mit seinem sonderbaren Namen und seiner ungebrochenen Faszination?

Eines steht jedenfalls fest, fliegen kann der Fliegenpilz von sich aus nicht. Er ist auch als Fliegenfalle, wie einige meinen, eher ungeeignet. Aus dem Reich der Mythen stammt wohl die Erklärung, der Pilz besitze die Kraft, Menschen fliegen zu lassen. Ja, was vielleicht daher kommt, dass der Verzehr neben einer gehörigen Übelkeit auch einen gewissen Rausch auslösen kann. Dann kann man sich natürlich vieles vorstellen.

Wie es auch sei, für mich gehört der Fliegenpilz zu den schönsten Pilzen, die ich kenne. Weil das andere Menschen auch so sehen, ist er wohl zum Urbild eines Pilzes geworden. Das aber weiß ja bekanntlich schon jedes Kind und malt diesen Pilz mit einem  leuchtend roten Schirm und weißen Punkten in sein Zeichenheft.

Um im Leben aufzufallen und etwas mehr darzustellen, als man ist, muss man sich schon besonders prächtig herausputzen. Bizarre Formen und grelle Farben wecken in der Natur bei Pflanzen und Tieren die Aufmerksamkeit anderer Lebewesen. Warum sollte das bei den Menschen anders sein? Darum legen viele Menschen sehr großen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Da heißt es dann: „Auffallen um jeden Preis“. Wer möchte schon eine graue Maus sein?

Soviel ich mich auch an der Schönheit und an der Farbenpracht in der Natur erfreuen kann, so frage ich mich doch, was steckt hinter der äußeren Fassade? Ist es vielleicht wie beim Fliegenpilz, der durch sein auffälliges Aussehen sofort die Aufmerksamkeit aller weckt, aber trotzdem ungenießbar ist? Der mir auf keinen Fall gut bekommt und gut tut. Jeder Pilzsammler weiß das natürlich und lässt ihn lieber im Wald stehen.

Es ist doch so, nicht alles und jedes, was einen wohlklingenden Namen hat,  kann auch die Erwartungen erfüllen. Oft trügt doch der Schein. Dann ist mehr Schein als Sein. Frustration und Enttäuschungen sind das Resultat. Der Kenner schaut da lieber etwas genauer hin. Es sind nämlich die inneren Werte bei den Pilzen und genauso bei den Menschen. Auf diese kommt es an. Diese  erst machen sie selbst genießbar und tun uns allen wirklich gut!





Die Trauerweide, die nicht traurig wirkt

Irgendetwas auf diesem Bild passt nicht so recht zusammen. Eine Trauerweide vor einem blauen Himmel mit weißen Wolken und Sonnenschein. Meine Vorstellungen, sind da etwas anders. In mir taucht ein Bild von einer mächtigen Trauerweide mit ihren weit herabhängenden Zweigen an einem dunklen Teich oder am Ufer eines träge dahinfließenden Flusses auf. Dazu ein grauer und trüber Himmel. Ein solch trauriges Bild bestimmt meine Imagination. Dieses hier irritiert.

Vielleicht hat das etwas mit dem eigentümlichen deutschen Namen „Trauerweide“ zu tun. Botanisch heißt dieser Baum salix alba tristis oder auch salix babylonica. Sein Ursprung liegt in den östlichen Breiten dieser Erde.

Einige meinen gar, der Name könnte auf den Psalm 137 zurück gehen, in dem das Schicksal des Volkes Israel im babylonischen Exil beschrieben wird. Dort heißt es: „An den Strömen von Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die Weiden in jenem Land“.Trauer über den Verlust der eigenen Freiheit und den Tod und das Leid naher Angehöriger bestimmen das Leben des Volkes Israel in der Gefangenschaft. Es lebte dort im Ghetto und unter Repressionen. 40 Jahre lang dauerte das Exil letztendlich.

Trauer hat immer etwas mit Verlust zu tun. Die Trennung von einem Menschen macht andere niedergeschlagen und traurig, großer Schmerz erfüllt sie. Der Mensch lässt den Kopf hängen. Der klare Blick ist getrübt. Alles scheint an Bedeutung verloren zu haben. Die Gedanken gehen zurück an das Vergangene, an das, was einmal war. Die Zukunft erscheint in weite Ferne gerückt, in einen trüben Nebel getaucht, unwirklich  und  unerreichbar.

Haben wir nicht von Vielem im Leben eine vorgefasste Meinung und ein festes Bild? Da irritiert uns natürlich eine Trauerweide, die gar nicht traurig wirkt. Genauso wie ein trauernder Mensch, der uns aber sehr gefasst begegnet. Sollte er nicht mit Tränen überströmten Gesicht und tief gebeugt, in dunkelstes Schwarz gehüllt, daherkommen? Es verunsichert uns zu tiefst, wenn unsere Vorstellungen sich nicht mit der realen Wirklichkeit decken.

Wir schauen oft zu sehr auf das äußere Erscheinungsbild und schließen allzu leichtfertig auf das Innere. Wir meinen zu wissen, wie etwas sein muss oder auch nicht. Trauer und Schmerz sind sehr starke Gefühle. Sie haben eine Außenseite und eine Innenseite und diese gestalten sich bei jedem Menschen sehr unterschiedlich. Es steht keinem von uns zu, das eine gegen das andere auszuspielen und zu bewerten oder gar abzuwerten. Wissen wir denn, aus welchen Tiefen ein Mensch lebt und aus welchem Wurzelgrund er seine Kraft zieht? Auch ein Mensch mit einem offenen und frohen Gesicht kann in seinem Herzen tiefe Trauer tragen, genau wie ein anderer, der in  Tränen fast zerfließt.

Eine Trauerweide muss nicht düster und traurig wirken. Sie ist und bleibt auch im Sonnenschein eine Trauerweide. Ebenso kann ein Mensch, der Trauer in seinem Herzen trägt, gelöst und offen in die Zukunft gehen, denn die Sonnen scheint ja auch für ihn und das Leben geht weiter als manch einer heute denkt.