Geduld, mehr als eine
Tugend für den Warteraum
Die heutige Leistungsgesellschaft fordert ihren Preis. Das ist die Leistung, die täglich
von allen erbracht werden muss. Nur wer etwas leistet, wer in seinem Beruf
und im Leben tüchtig ist, der kann sich auch etwas leisten. Ganz klar! Nun
haben aber die Götter „vor den Erfolg den Fleiß gesetzt“, wie man so schön
sagt. Und das stimmt genau. Darum muss jeder, der etwas leisten will, sich die
nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen. „Dem Tüchtigen gehört die Welt“. Das
zahlt sich ja auch aus. Um dieses Ziel zu erreichen, muss viel Fleiß und
Energie aufgewendet werden. Bis hier hin ist das wohl allen völlig einsichtig.
Doch
es gibt noch eine andere Tüchtigkeit oder auch Tauglichkeit genannt, die den
ganzen Menschen betrifft. Es sind all die Fähigkeiten, die einen Menschen erst
ausmachen, will er nicht als „Taugenichts“ dastehen. Auf einige dieser Tugenden
möchte ich nun etwas näher eingehen. Das Wort Tugend klingt in den heutigen
Ohren etwas antiquiert und wird leicht belächelt. Es gibt moderne Tugenden, die
auch heute ihre Bedeutung haben. Das alte Wort Tugend kommt von taugen, etwas
taugen, zu etwas nütze sein. Diese Tugenden befähigen den Einzelnen dazu, ganz
Mensch zu werden. Wie nun das Tun eines Menschen aussieht, hängt wohl oder übel
von diesen Grundhaltungen ab, die er
sich im Laufe des Lebens erworben hat. Auch diese fallen ihm nicht einfach in den Schoss. Genau so
wie fachliches Wissen durch Anstrengung erworben werden muss, gilt das erst
recht für das Miteinander aller Menschen. Hier sind heute besonders viele
Defizite zu beklagen. Durch einen übersteigerten Egoismus gerät der Mitmensch
leicht aus dem Blick. Für ein gutes Miteinander sind deshalb in unserer heutigen
Zeit einige Tugenden einfach unverzichtbar. Sie können uns helfen, dass es nicht ständig im
Getriebe unseres Zusammenlebens knirscht.
Es
wäre hier als erstes das Verantwortungsbewusstsein
zu nennen, das heißt, Bereitschaft zu zeigen, Verantwortung für andere zu übernehmen. Die Toleranz ist eine zweite Tugend, die
anerkennt und erträgt, dass andere das Recht haben, anders zu denken, zu fühlen und zu
handeln. Das bedeutet aber nicht, dass auch alles für gut befunden wird, aber es wird ertagen und erduldet, denn das heißt Toleranz. Auch die Friedensliebe wäre
hier zu nennen. Sie ist stets bereit,
Kompromisse zu schließen, um den Frieden zu erhalten oder neu zu stiften. Dabei verzichtet
jede Seite großzügig auf den eigenen Vorteil.
Die Vorurteilslosigkeit dient als
Brücke zu anderen Menschen, die jeden anerkennt, wie er ist und ihn gelten
lässt. Die Tugend der Aufgeschlossenheit ist
ein Zeichen für geistiges Jungsein und Frische. Die Diskretion ist eine Tugend, die nicht groß von sich Reden macht und
die keinen bloßstellt. Sie verzichtet darauf, Negatives über einen anderen
Menschen anzuhören oder weiterzugeben. Ebenso ist die Tugend der Wiedergutmachung ein wichtiger Versuch, der zur gerechteren
Gestaltung dieser Welt beiträgt. Schieflagen werden durch sie wieder ins rechte
Lot gebracht. Ganz wichtig in unserer oft so freudlosen Zeit ist die Freundlichkeit. Sie versteht sich als
eine ganz menschliche Geste im Alltagsleben und führt zu einem entspannten Miteinander.
Die Dankbarkeit ist schließlich viel
mehr, als nur ein dahingesagtes Dankeschön. Sie ist ein dankbares Denken und
Bewahren des erfahrenen Guten. Zum Schuss sei noch die Geduld genannt, denn sie ist nicht nur eine Tugend für alle Knobler
oder für den überfüllten Warteraum und im Stau auf der Autobahn. Geduld lässt
den Menschen in unerwarteten Situationen ruhig und besonnen reagieren.
Alle
diese Tauglichkeiten oder nennen wir sie ruhig weiterhin Tugenden, können uns allen helfen,
unser alltägliches Zusammenleben menschlicher und schöner zu machen.
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