„Im Winter wächst das Brot“
Es
tut einfach gut, einmal aus der Stadt herauszukommen. Die Straßen und Plätze
voller Leute und mit vielen Autos voll gestopft, der Krach und die Hektik, die
können einen regelrecht krank machen. Der Blick ist stets eingeschränkt und
endet meistens an der gegenüber liegenden Häuserzeile. Von Himmel und Weite keine
Spur.
Ganz
anders auf dem Lande. Dort kann der Blick noch in die Ferne schweifen. Die
Augen können sich erholen, gleichsam spazieren gehen auf grünen Feldern. Selbst im Winter gibt es noch eine Spur von
neuem Leben. Und man kann erahnen, was Wachsen
und Reifen bedeutet. Bei einem Gang über die Felder Ende Dezember (siehe Bild) fiel mir der Titel eines Buches von
Ida Friederike Görres wieder ein: „Im Winter wächst das Brot“.
Was
verbirgt sich hinter dieser Aussage? Der Winter steht als Metapher für all das Dunkle
und Kalte im Leben der Menschen. Es ist eine Zeit des eingeschränkten Lebens. Kurze
Tage, lange Nächte, aber auch die Zeit einer größeren Nähe. Die Menschen sind in
dieser Jahreszeit mehr in den Häusern. Nur kurze Zeit zieht es sie ins Freie. Bevor
der Schnee die Felder bedeckt, kann man auf ihnen schon die neue Saat sehen,
die bereits aufgegangen ist und auch in dieser unwirklichen und kalten Jahreszeit
unter dem Schnee weiter wächst, wenn er sie denn bedeckt. Ja, im Winter wächst
das Korn für das Brot der Menschen.
Das
kann jeder leicht verstehen. Das Brot wird dann den Hunger stillen und Freude schenken
beim gemeinsamen Essen in froher Runde. Das Bildwort vom Winter sagt aber noch
mehr über unser Leben aus. Gerade in den dunklen Zeiten, im „Winter der Welt“,
ist die Hoffnung der Menschen am größten. Es keimt gerade dann neues Leben. Im
Verborgenen wächst unendlich viel mehr Gutes,
als wir meinen und erahnen. Dort, wo es am wenigsten erwartet wird, entsteht immer
wieder Neues und Lebendiges. Wir Menschen neigen oft dazu, nur all das Dunkle
und Kalte in der Welt zu sehen. Und es gibt ja auch unendlich viel davon. Wir
müssen es ja sogar in nächster Nähe selbst erfahren und erleiden. Aber auch das
Kleine und Unscheinbare ist immer wieder
anzutreffen. Doch es wird allzu oft übersehen, weil es in den Augen der meisten
Menschen nicht viel zählt, weil es ihnen nicht spektakulär in die Augen
springt. Dabei übernehmen Menschen einfach
Verantwortung füreinander, es werden auch in schweren Zeiten Kinder
geboren und wachsen zu reifen Persönlichkeiten heran, Schwachen wird Hilfe
zuteil, Menschen setzen sich für Recht und Gerechtigkeit ein, sammeln Geld für
Bedürftige. Es gibt unendlich mehr Gutes und Schönes auf dieser Erde, als uns die Medien Tag für
Tag in grausamen Bildern zeigen. Nur wer seinen Blickwinkel verändert und tiefer schaut, der
wird entdecken, dass auch unter dem „Schnee“ und in der Kälte der Welt das Korn
wächst und heranreift zum Brot. Dieses Vertrauen und diese Hoffnung lassen
Menschen immer wieder neu beginnen, auch dort, wo für andere alles nur dunkel
und kalt ist. Dieses positive Denken und Handeln ist die eigentliche Antriebsfeder, die uns Menschen bewegt und
nicht verzagen lässt.
Genau
deshalb säen die Bauern jedes Jahr im Herbst die Saaten in die Ackerfurchen und
vertrauen darauf, dass auch in diesem Winter wieder das Korn und letztendlich
das Brot wächst, das die Menschen zum Leben brauchen. Es stillt den Hunger und schenkt Freude.
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