Samstag, 7. Dezember 2013

Na so was –  eine Glocke erzählt

Eine  Sonntagsgeschichte 

Das gibt es doch nicht? Ist das noch zu fassen? Was man sich heutzutage alles bieten lassen muss. Schaut Euch doch diesen Dreikäsehoch an, der pinkelt mich ungeniert an! Dabei habe  ich schon Rost angesetzt. Na, ist ja auch klar, wenn man aus seiner luftigen Höhe heruntergeholt und achtlos auf der Wiese abgestellt wird. Ich bin vielleicht sauer! Nun stehe ich hier nutzlos herum. Ich darf gar nicht daran denken, wie alles anfing. Da kamen doch der Pfarrer und  ein Glockenexperte eines Tages zu mir auf den Turm geschnauft. Das freut mich ja immer noch, dass sie sich wenigsten anstrengen mussten. Von oben bis unten hatten sich die beiden mit Staub und Spinngeweben beschmutzt. Geschieht ihnen recht. Nachdem der Experte mich mit seinen Messgeräten gründlich untersucht hatte, schüttelte er den Kopf und sagte: „Oh, oh Herr Pfarrer, das sieht gar nicht gut aus!“ „Das hab ich mir schon gedacht“, nickte der Pfarrer. Viel hatte er allerdings von der Expertise nicht verstanden, nur so viel, dass die alte Glocke nicht mehr geläutet werden darf, denn es besteht sonst Einsturzgefahr für den Turm.
Das war es dann für mich, meine letzte Stunde hatte geschlagen. Ich war so erschüttert, dass der Klöppel noch einmal kurz anschlug. Verwundert schauten ein paar Passanten nach oben. Das war sozusagen mein letzter Ton, mein Abgesang.
Wenn ich an all die vielen Jahre zurückdenke, wird mir ganz schwer ums Herz. Glauben Sie nur, auch Glocken haben ein Herz und Gefühle. Wie schön war es, wenn ich zur Hochzeit geläutet wurde. All die schönen Kleider, die Braut ganz in weiß und mit Schleier. Einfach traumhaft.  Die Männer machten nicht ganz so frohe Gesichter, ob sie den Ernst der Lage früher erkannten? Sonntags rief ich die Gemeinde zur Kirche. Jung und alt kamen damals noch in Scharen. Zuletzt kamen fast nur noch ein paar alte Leute. Am Morgen, mittags und am Abend  konnte man mein Läuten hören, so half ich den Menschen im Ort dabei, ihren Tag gut einzuteilen. Wenn ich außer der Reihe geläutet wurde, fragten die Leute: „Was ist los? Ist jemand gestorben?“ Auch das gehörte zu meinen Aufgaben, die Menschen auf ihrem letzten Gang zu begleiten. In früheren Zeiten hatte ich noch eine weitere wichtige Aufgabe. Wenn Gefahr drohte, wurde ich  „Sturm geläutet“. Dann brachten sich alle schnell in Sicherheit. Ach ja, mein Dienst war schon abwechslungsreich und ich hab ihn gern getan. Mir schwillt jetzt noch die Brust, wenn ich an die Advents- und Weihnachtszeit denke. Zu den Roratemessen wurde ich schon in aller Frühe um 5.00 Uhr geläutet. Das wird sicher nicht jedem Schläfern gefallen haben. Am schönsten klang mein Geläut zur Christmette, wenn ich den Weihnachtsfrieden verkünden durfte. Vom Turm aus konnte ich all die fröhlichen Menschen sehen, wie sie sich ein gesegnetes Fest wünschten. Nun stehe ich hier und träume von den vergangenen Zeiten.

Die Tage des Advent und um Weihnachten herum sind ganz besondere Tage. Es ist eine geheimnisvolle Zeit, in der noch Wunder und Zeichen geschehen können. Vielleicht erlebe auch ich so ein Wunder und werde zum nächtlichen Himmel empor gehoben. Wenn ihr ganz still seid, könnt ihr vielleicht mein fröhliches Läuten hören und sagt: „Na so was – eine Glocke im Himmel“.

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