An der Ampel und anderswo
Menschen
haben es immer eilig. Die Fußgängerampel steht auf „Rot“. „Signal kommt“,
leuchtet auf. An beiden Seiten der Straße wird die Traube der Wartenden immer größer.
Angespannt blicken alle auf die Ampel, um gleich loszulaufen, wenn diese auf „Grün“ springt. Das Hasten geht weiter.
Plötzlich
taucht in der entgegenkommenden Fußgängergruppe
ein bekanntes Gesicht auf. Nur ein flüchtiger Blick im Vorübergehen. Ein
kurzer Gruß, ein Winken mit der Hand. Zu mehr reicht es nicht. Es wird weiter
geschoben. Stehen bleiben, das geht nicht. Oder doch, dann müsste einer umkehren
um mit dem Bekannten mitgehen. Dafür ist keine Zeit! Aber wieder eine verpasste Gelegenheit mehr.
So
ist es doch in unserem Alltag oft. Wir nehmen einander zwar kurz wahr, aber die
Umstände sind für echte Begegnungen selten. In dieser „Ampelsituation“, wie ich
sie einmal nennen möchte, hetzen heute viele Menschen durch ihr Leben. Wer
es immer eilig hat, wird bald keinem
anderen mehr begegnen und ist in der Gefahr auch sich selbst aus den Augen zu
verlieren.
Wer
das ändern möchte, muss stehen bleiben oder gar umkehren. Er darf an den
anderen nicht vorbeihasten, sondern mit
ihnen ein Stück des Weges gehen. Dazu muss ich einfach stoppen, anhalten, meine
Richtung ändern, um den anderen, dem Bekanten oder Freund begegnen und sogar
begleiten zu können.
Doch
Achtung, das kann auch Konsequenzen haben, die über einen flüchtigen Gruß an
der Kreuzung und einen „guten Tag und guten Weg“ weit hinausgehen. Darum Vorsicht,
wer leichtfertig bei der Begrüßung so dahin sagt: „Wie geht es Dir?“, der kann
ganz schön ins Schleudern geraten. Dann nämlich, wenn es der andere als ernst
gemeint ansieht und uns nun mit seinen echten Problemen konfrontiert. Vielleicht
sogar so intensiv, dass es für uns zu Belastung werden kann, die wir nicht
gesucht haben. Es ist deshalb unredlich, nach dem Befinden zu fragen, wenn es
uns im Grunde gar nicht interessiert. Bitte keine Floskeln!
Für
gute Begegnungen mit Menschen brauchen wir Zeit und Herz, sonst bleibt es in
viel zu vielen Fällen bei den anfangs beschriebenen „Ampel-Begegnungen“ von
denen keiner etwas hat. Leben im Vorbeigehen! Echte Begegnungen gehen weit über
das rein Äußere hinaus. Dabei begegnen sich Menschen mit ihren Herzen. Solche
Begegnungen tun beiden Seiten gut, da jeder das Entgegenkommen und die
Offenheit des anderen spüren wird. Anteil an der persönlichen Situation des
anderen zu nehmen und ihm ebenso Anteil am eigenen Leben zu geben, zeigt, dass
unser Leben keine Einbahnstraße ist. Die Zeit in der das geschieht, ist auch
keine verlorene Zeit, sondern geschenkte Zeit. Und nichts wäre trauriger, als solche
Gelegenheiten zu verpassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen