Tod durch Beziehungslosigkeit
Von
Kaiser Friedrich II. (1212-1250) wird über sein grausames Experiment berichtet,
in dem er herausfinden wollte, welches die ursprüngliche Sprache der Menschen
sei. Er ließ dazu mehrere neu geborene Kinder ihren Müttern wegnehmen und sie
von Ammen aufziehen. Es sollte ihnen nichts fehlen, doch jede menschliche
Zuwendung, Nähe oder gar Zärtlichkeit blieb ihnen verwehrt. Auch sollte
niemals, das war Bedingung, ein Wort mit ihnen gesprochen werden. Sie sollten
nie eine menschliche Stimme hören. Unbeeinflusst sollten sie ihre eigene
Sprache finden. Das Experiment dauerte über Jahre. Der Erfolg blieb aus. Die
Kinder sprachen überhaupt nicht. Sie stießen nur Schreie und tierähnliche Laute
aus. Kein menschliches Wort kam je über ihre Lippen. Zudem wurde keines dieser
Kinder älter als 15 Jahre.
Das
grausame Experiment des Kaisers scheiterte, es zeigte aber ein für allemal,
dass kein Mensch ohne Beziehung wirklich leben kann. Wir Menschen sind auf
Gemeinschaft angelegt. Keiner lebt für sich allein. Leben ist Nehmen und Geben!
Im Blick auf ein gesundes und lebendiges Gemeinwesen spricht man da heute gern vom
„Generationenvertrag“. Die Eltern sind für ihre Kinder da und sorgen für sie.
So kann sich später die ältere Generation auf die jüngere verlassen. In
früheren Zeiten war das eine Selbstverständlichkeit. Heute stellt die auf den
Kopf gestellte „Alterspyramide“ und eine wachsende Individualisierung und der
Drang zur Selbstverwirklichung ein großes Problem dar, so dass die Solidarität
von „jung und alt“ immer häufiger in Frage gestellt wird. Wo zunehmend Menschen
nur noch an sich denken, persönliche Kontakte und Beziehungen zu anderen immer
weniger gepflegt werden, trotz der viel größeren Möglichkeiten in Bezug auf
Mobilität und der Verfügbarkeit von Kommunikationsmittel, dort vereinsamen immer
mehr Menschen in unserer Gesellschaft und die psychischen Erkrankungen nehmen
drastisch zu. Vielleicht sind das gerade die Nebenfolgen der ständigen Präsens und
Erreichbarkeit, dass Menschen sich in einer virtuellen Welt verlieren, ohne den
anderen wirklich an sich heran zu lassen und seine Nähe hautnah zu spüren. Sie
können jederzeit den „Chat“ und die Verbindung abbrechen und zu anderen Dingen
übergehen. Echte Beziehungen entstehen so erst gar nicht mehr.
Ein
persönlicher Besuch bei einem Freund oder ein gemeinsames Bier nach Feierabend in der Eckkneipe ist doch wohl wichtiger, als hunderte so genannter „Freunde“ auf facebook zu haben.
Unbeabsichtigt
hatte Kaiser Friedrich II. den Beweis erbracht, dass es ohne „An-Sprache“ auch
keine „Ant-Wort“ geben kann. Ohne wirkliche Nähe und Zuwendung, ja ohne echte
Beziehung und Liebe der Menschen zueinander, wird das Leben schnell zu einer toten
Steinwüste, in der das Leben verkümmert und stirbt. Ein Leben ohne Beziehung
zu anderen und ohne Verantwortung füreinander führt unweigerlich zum "Tod" trotz aller
materiellen Absicherungen in unserer Wohlstandsgesellschaft. Beziehungslosigkeit
bedeutet doch: Mehr Dunkel als Licht, Steine statt Brot und Disteln statt
Rosen. Es sind oft nur kleine Schritte, aber sie müssen getan werden, damit das
Leben gelingt!
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