Ein Ballon, der vom Himmel fiel
Da
leuchtete plötzlich etwas Blaues aus dem Gebüsch. Es muss wohl über fünfzig
Jahre her sein. Damals war ich noch ein Kind. Aufgeregt gingen wir näher heran.
Ein blauer Luftballon hatte sich mit seiner Schnur an einem Zweig verheddert.
Unser Glück, denn sonst hätten wir ihn nie gefunden. An der Schnur war ein
Stückchen Pappe befestigt. Aufgeregt brachten wir unseren Fund nach Hause. Auf
dem Anhänger stand eine in Druckbuchstaben geschriebene und schon ein wenig
durch die Feuchtigkeit des Regens verwischte Adresse.
An
den Namen kann ich mich nach all den Jahren nicht mehr erinnern. Der Ort aber
hat sich mir eingeprägt. Er klang etwas eigenartig: Wanne-Eickel. Wo aber lag
diese Stadt mit dem seltsamen Namen? Wie weit mag wohl der Luftballon geflogen
sein? Das war alles so aufregend. Und die Absender baten um Nachricht, weil
auch sie sicher gespannt waren, wann und wo ihr blauer Ballon wohl gefunden
worden war und natürlich von wem. Im Atlas fanden wir schnell die Lösung. Quer
über ganz Westdeutschland vom Ruhrgebiet her war er vom Westwind getragen bis
zu uns in den Osten getragen worden.
Natürlich
wurde schnell eine Nachricht per Briefpost nach Wanne-Eickel geschickt. Die
Freude war sicher auf beiden Seiten groß. Über viele Jahre hinweg erhielten wir
nun immer zu Weihnachten ein „Westpaket“ von der unbekannten Familie aus
Wanne-Eickel. Ein Schuhkarton voller Kaffee, Schokolade und andere leckere
Sachen, besonders für uns Kinder eine
große Freude.
Eine
„Luftbrücke“ war so von West nach Ost über die sonst undurchlässige Grenze, die
die beiden Teile Deutschlands zerschnitt, geschlagen worden. Ein großes
Dankeschön an all die vielen namenlosen Menschen, die auf unterschiedlichste
Weisen einander ihre Verbundenheit gezeigt haben und Freude schenkte. Auch wenn
es lange zurückliegt, es waren lebendige Zeichen der Freundschaft, die nicht
vergessen sind.
Wenn
ich heute bei Kinderfesten, Hochzeiten oder anderen Gelegenheiten Luftballons
aufsteigen sehe, stelle ich mir immer wieder vor, wie solche Grüße und Wünsche
bei anderen ankommen. Es verbindet sich doch die Hoffnung der Menschen damit, dass ihre Bitten, ihre Wünsche und Botschaften
ein unbekanntes Ziel erreichen und einen Adressaten finden.
Erinnert
das nicht an Menschen, die weltweit ihre Gebete und Bitten zum Himmel schicken
und darauf vertrauen, dass diese einen „Adressaten“ erreichen? Immer hoffend, dass
Gutes auf sie herab kommt.
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