Der Mauerfall – mehr als ein Durchbruch!
Junge
Menschen wollen oft „mit dem Kopf durch die Wand“. Nach dem Bau der Mauer im
August 1961 fühlten sich die Bürger der DDR besonders stark in ihrer Freiheit und
in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch den politischen Druck des SED-Staates eingeengt, deshalb versuchten immer wieder Menschen,
selbst unter Lebensgefahr, das Land zu verlassen. Viele von ihnen scheiterten bei diesen Versuchen und mussten dafür oft für Jahre hinter Gitter und unüberwindliche
Gefängnismauern.
Und
nun plötzlich konnten von einem Tag zum anderen alle DDR-Bürger nicht nur mit
dem Kopf, sondern mit ihrem Trabant oder Lada durch die Sperranlagen und Mauern
auf die andere Seite, in den „Westen,“ in die lang ersehnte Freiheit, von der sie
sooft geträumt hatten. Wo tags zuvor noch auf jeden der sogenannten „Grenzverletzer“ und
„Republikflüchtling“ geschossen worden wäre, waren nun die Zäune und Mauern
niedergerissen und gaben nicht nur den Blick, sondern endlich auch den Weg nach
40 Jahren Trennung wieder frei. Auf fast wundersame Weise wurde sozusagen über Nacht
ein Kapitel dieser Unmenschlichkeit beendet.
Das
Bild zeigt einen provisorischen Grenzübergang zwischen Ilsenburg und
Harzgerode, den ich am 12. November 1989
ungehindert und frei passieren konnte. Unterwegs wiesen einfache Pappschilder schon die
Richtung dorthin. Ein unglaubliches
Gefühl erfasste mich bei der Fahrt durch das Sperrgebiet, den Todesstreifen und
zuletzt durch die Mauer. Da musste ich einfach anhalten, zurückgehen und dieses
Foto machen. Ein historisches Bild, das mir gerade in diesen Tagen nach so
vielen Jahren wieder in die Hände fiel. Die Erinnerungen waren plötzlich wieder
ganz lebendig. Mir wurde bewusst, dass Freiheit eben keine
Selbstverständlichkeit ist, wie so viele heute meinen. Sie ist ein sehr hohes Gut.
Das
Geschehen vom Herbst 89 ist nun Geschichte. Meine, unsere Geschichte aus einem
geteilten Land. Mehrere Millionen Bürger unseres Landes aber, die noch keine 25
Jahre alt sind, haben diese Zeit der
Trennung und Unfreiheit nicht mehr erleben müssen. Für sie sind ihre
alltäglichen Probleme und Sorgen aber auch die vielfältigen Möglichkeiten von heute
doch um vieles wichtiger und interessanter, als die „alten Geschichten“ ihrer
Eltern und Großeltern. Für die historische Aufarbeitung aber liegen
die Fakten und Daten einfach zeitlich noch zu nah.
Wir
aber, die wir diese Zeit erlebt und teilweise erlitten haben, sind dazu
berufen, sie nicht zu vergessen oder zu verdrängen. Wir dürfen daran denken, manche voll Wehmut andere auch voller Entsetzen. „Nicht alles war schlecht“, so höre ich es
immer wieder. Das mag sicher stimmen, aber es sollte schon differenziert werden, was
damit gemeint ist und wer es so sieht.
„Grenzerfahrungen“
gehen stets an die Substanz des Menschen. Sie bedeuten Trennung, Schmerz und
Unfreiheit. Darüber sollte keiner leichtfertig hinweg gehen. Der Fall der Mauer
war und ist durchaus mehr als ein
„Durchbruch“ durch Beton und Stacheldraht. Sich daran zu erinnern und zu denken, das heißt auch immer, dafür zu danken.
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