Ausruhen am Ende des Tages
Zwei
alte Menschen am späten Nachmittag des Tages auf ihrem einfachen Balkon am
Giebel ihres Hauses. Das Haus steht am Hang eines portugiesischen Bergdorfes in
der Serra da Estrela. Der Blick der beiden geht von der Höhe in das Flachland
hinunter. Hier können sie ihre Augen weit schweifen lassen. Das tut ihnen gut. Sie
brauchen ja nicht mehr viel. Ein wenig Zeit zum Ausruhen. Ohne Worte verstehen
sie sich schon lange. Da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Auch heute nicht.
Die Arbeit des Tages ist erledigt. Der morgige Tag bringt schon wieder von ganz
allein, die neuen Aufgaben, die getan werden müssen.
Warum sich also noch
großartig Gedanken machen? Über
so viele Jahre sind sie nun schon zusammen. Die Kinder sind längst aus dem
Haus. In der großen Stadt und sogar im Ausland haben diese ihr Glück gesucht
und gefunden. Weit weg von ihrem Dorf.
So weit weg, wie die beiden Alten in ihrem ganzen Leben nicht gekommen sind.
Ob
ihre Gedanken gerade bei den Kindern und Enkeln sind? Möglich wäre es.
Jedenfalls begleiten ihre Gedanken und Bitten diese überall hin. Es sind gute
Gedanken, die sie aussenden, damit daraus für die anderen Gutes wird. Mehr
können und müssen sie nicht mehr tun. Sie selbst sind zufrieden. Ihr ganzes Leben
waren sie genügsam und darum hatten sie immer genug. So waren sie reich auf
ihre Weise, weil sie arm waren an überzogenen Ansprüchen.
Die
Arbeit war hart im Wald und auf den kleinen steinigen Feldern am Berghang. Die
Wege waren schmal und steil, ach wie oft mussten sie diese zurückgelegen. Viele Jahrzehnte Arbeit und Mühe haben ihr
Leben geprägt. Ebenso karg wie das Gebirge war auch ihr Leben. Nun neigt sich
nicht nur der Tag seinem Ende zu, sonder auch ihr Lebensabend hat längst
begonnen.
Gelassenheit,
stille Freude und Zufriedenheit, meine ich auf ihren Gesichtern zu sehen. Sie
sind einen langen Weg miteinander gegangen, nun können sie ohne schlechtes
Gewissen dort oben sitzen und ausruhen. Die Stille der Bergwelt hat sie geprägt
und selber still und dankbar werden lassen.
So
können sie wohl den Tag hinter sich lassen und alles aus den rauen,
abgearbeiteten Händen geben. Zuletzt auch ihr eigenes Leben, ja dann, wenn der letzte
Abend sich neigt und die Nacht des Todes sie umfängt.
Sie
haben ihr „Lebenshaus“ wohl bereitet. Lebenssatt, nicht lebensmüde sitzen nun
sie dort oben auf ihrem Balkon und schauen in die Weite. Wann sie endgültig gehen
müssen und wer von ihnen zuerst gehen
wird, das liegt nicht in ihrer Hand, das überlassen sie einem ANDEREN. Solange
aber werden sie still und zufrieden beieinander bleiben, die Ruhe genießen und
dankbar auf den kommenden Tag warten.
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