Sonntag, 3. November 2013

Durchkreuztes Leben

Auffallend viele sind es inzwischen geworden. Sie stehen an den Straßen, in Kurven, auf geraden Strecken und zwischen uralten Bäumen der Alleen. Es sind die Kreuze aus Holz mit den Namen und Daten eines meist kurzen Lebens eines verunglückten Todesopfers. Geschmückt mit Blumen und Kerzen sehen sie aus wie kleine Gräber. Es sind aber keine Grabstellen, in denen die Toten nun in Frieden ruhen. Es sind Orte des Todes von Menschen, die mitten aus dem Leben gerissen worden. 
Orte des Gedenkens und Orte der Trauer für Menschen, die einen schweren Verlust erleiden mussten. Diese Kreuze sind eine Mahnung, eine Erinnerung und sie stehen für das unbegreifliche  Geschehen an diesem Ort. Hier sind die Pläne, Hoffnungen, Wünsche und letztlich das Leben von Menschen von einem Augenblick zum anderen buchstäblich durchkreuzt worden.
Für mich wirken diese Kreuze, die sicher nicht in erster Linie aus religiösen Gründen gewählt worden, ein wenig wie schreiende Fragezeichen an unseren Wegen, die sich in den grauen Himmel bohren. Sie stehen für das Unfassbare und die Fragen der betroffenen Familien, die einen Sohn, eine Tochter oder einen nahen Verwandten oder Freund verloren haben. Warum?  Warum gerade er oder sie? Wie konnte das geschehen? Wer weiß die Antwort? Wer kennt den Sinn? Warum sind seine, sind unsere Pläne so brutal durchkreuzt worden. Ja darum stehen die Kreuze an den Straßen, weil sie für die meisten Zeichen eines schrecklichen Todes sind. Nicht zu fassen. Alles menschliche Verstehen übersteigend.
In  diesen Kreuzen sehe ich auch so etwas wie Ausrufungszeichen hinter einem oft nur stummen Hilfeschrei: „Ist denn da keiner, keiner der mir  hilft! Zu wem kann ich in meiner Not kommen?“ Es ist die Not derer, die den Verlust eines Menschen zu beklagen haben. Mit ihnen fühlen wir uns zuerst verbunden und schenken ihnen unsere Anteilnahme. Deshalb brennen immer wieder neue Lichter an den Kreuzen am Weg und zeigen den vom Leid betroffenen, ihr seid nicht allein. Wir trauern mit euch. Aber auch diejenigen, die den Unfall verursacht haben oder gar den Tod eines anderen verschuldet haben, auch sie müssen eine schwere Last tragen und brauchen sicher genau so Hilfe und unser Gebet.
Darum sind  für mich die Kreuze an unseren Straßen ein sehr sprechendes Zeichen. Mit ihm wird der Tod eines Menschen beklagt. Dafür steht das Kreuz als Zeichen des Todes. Es  ist ein Zeichen, dem widersprochen wird damals wie heute. „Warum, warum hast du mich verlassen?“
Wenn ich nun die mit Blumen und Kerzen geschmückten Kreuze sehe, weiß ich auch, dass unendlich viel Hoffnung dahinter steht und eine unstillbare Sehnsucht nach Leben, das niemals enden soll. Als Zeichen der  Hoffnung und des Lebens sind diese Kreuze ebenso Hinweis und Bitte an uns alle, mit dem eigenen und dem fremden Leben behutsamer umzugehen, denn wir haben nur dieses eine!



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