Mittwoch, 13. November 2013

An der Ampel und anderswo


Menschen haben es immer eilig. Die Fußgängerampel steht auf „Rot“. „Signal kommt“, leuchtet auf. An beiden Seiten der Straße wird die Traube der Wartenden immer größer. Angespannt blicken alle auf die Ampel, um gleich loszulaufen, wenn diese  auf „Grün“ springt. Das Hasten geht weiter.
Plötzlich taucht in der entgegenkommenden Fußgängergruppe  ein bekanntes Gesicht auf. Nur ein flüchtiger Blick im Vorübergehen. Ein kurzer Gruß, ein Winken mit der Hand. Zu mehr reicht es nicht. Es wird weiter geschoben. Stehen bleiben, das geht nicht. Oder doch, dann müsste einer umkehren um mit dem Bekannten mitgehen. Dafür ist keine Zeit!  Aber wieder eine verpasste Gelegenheit mehr.
So ist es doch in unserem Alltag oft. Wir nehmen einander zwar kurz wahr, aber die Umstände sind für echte Begegnungen selten. In dieser „Ampelsituation“, wie ich sie einmal nennen möchte, hetzen heute viele Menschen durch ihr Leben. Wer es  immer eilig hat, wird bald keinem anderen mehr begegnen und ist in der Gefahr auch sich selbst aus den Augen zu verlieren.
Wer das ändern möchte, muss stehen bleiben oder gar umkehren. Er darf an den anderen nicht  vorbeihasten, sondern mit ihnen ein Stück des Weges gehen. Dazu muss ich einfach stoppen, anhalten, meine Richtung ändern, um den anderen, dem Bekanten oder Freund begegnen und sogar begleiten zu können.
Doch Achtung, das kann auch Konsequenzen haben, die über einen flüchtigen Gruß an der Kreuzung und einen „guten Tag und guten Weg“ weit hinausgehen. Darum Vorsicht, wer leichtfertig bei der Begrüßung so dahin sagt: „Wie geht es Dir?“, der kann ganz schön ins Schleudern geraten. Dann nämlich, wenn es der andere als ernst gemeint ansieht und uns nun mit seinen echten Problemen konfrontiert. Vielleicht sogar so intensiv, dass es für uns zu Belastung werden kann, die wir nicht gesucht haben. Es ist deshalb unredlich, nach dem Befinden zu fragen, wenn es uns im Grunde gar nicht interessiert. Bitte keine Floskeln!

Für gute Begegnungen mit Menschen brauchen wir Zeit und Herz, sonst bleibt es in viel zu vielen Fällen bei den anfangs beschriebenen „Ampel-Begegnungen“ von denen keiner etwas hat. Leben im Vorbeigehen! Echte Begegnungen gehen weit über das rein Äußere hinaus. Dabei begegnen sich Menschen mit ihren Herzen. Solche Begegnungen tun beiden Seiten gut, da jeder das Entgegenkommen und die Offenheit des anderen spüren wird. Anteil an der persönlichen Situation des anderen zu nehmen und ihm ebenso Anteil am eigenen Leben zu geben, zeigt, dass unser Leben keine Einbahnstraße ist. Die Zeit in der das geschieht, ist auch keine verlorene Zeit, sondern geschenkte Zeit. Und nichts wäre trauriger, als solche Gelegenheiten zu verpassen.

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